Kapitel 22

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Die Tage vergingen, aber Harrys Laune wurde nicht wirklich besser. Immer wieder sprach er von Lexy und wie sehr er sie vermisste. Auf meinem „Lexyhandy" rief er ständig an, sodass ich mir eine neue Nummer zulegen musste. Er schrieb mir unzählige Nachrichten und Mails, die ich irgendwann nicht mehr lesen konnte. Es tat einfach zu sehr weh. Zudem hatten wir viel Stress. Jeden Abend ein Konzert und dann noch Interviews und Fotoshoots. Wir gingen früh morgens aus dem Haus und kamen erst nachts wieder. Mir war bewusst, dass es für meine Kinder nicht ideal war, aber es waren nur noch zwei Wochen, dann war alles vorbei. Zudem waren die Jungs sehr darauf bedacht mich zu schonen. Sie versuchten mir alles abzunehmen, war sie nur konnten. Von Harry erhaschten sie dafür manchmal einen unverständlichen Blick. Zum Beispiel, wenn sie die Koffer für mich trugen. Für Harry musste das alles mehr als absurd aussehen, aber er stellte keine Fragen.

Wir waren mittlerweile in Wien. In ein paar Minuten hatten wir einen Auftritt in einer Fernsehshow. Nicht irgendeiner Fernsehshow, sondern Wetten dass. Keiner der Jungs kannte diese Show, aber ich als Halbdeutsche wusste nur allzu gut, was das für eine Show war. Ich war kurz im Backstagebereich eingenickt, denn Ich brauchte viel Schlaf in letzter Zeit. Zum Glück konnte ich meine Morgenübelkeit mit so einem komischen Naturextrakt unter Kontrolle halten. Fressgelüste fielen bei mir zum Glück aus. Generell hatte ich nicht viel Appetit, was wohl auch am Stress lag, aber die Jungs passten schon auf, dass ich meine tägliche Portion Obst und Gemüse bekam.

„Jungs, es geht los!" rief Louis.

Ich sprang auf und folgte den Anderen. Wir gingen die Treppe hinunter auf die Bühne, alle Kameras waren auf uns gerichtet. Im Publikum schrien sich die Mädchen die Kehle aus dem Hals. Wir winkten alle höflich und begrüßten dann den Moderator. Jaja, Markus Lanz mit seinem Dauergrinsen. Ich hatte diese Show nie leiden können und so genoss ich es auch nicht auf dieser Couch Platz zu nehmen und mit dummen Fragen gelöchert zu werden. Die Wette war irgendwas mit Baggern gewesen. Mal was ganz Kreatives. Die Band hatte gesagt, dass der Baggerfahrer die Wette gewinnt, doch dem war nicht so.

„Ach, wir haben den Wetteinsatz vorher ja gar nicht festgelegt", fiel es Markus plötzlich auf. „Da wir die Klitschkos hier haben, bietet sich ein kleiner freundschaftlicher Kampf an. Ich schlage vor, einer von euch tritt gegen Wladimir an."

„Cool!" entfuhr es Harry, während mein Harz in die Hose rutschte. Das war alles andere als „cool".

„Gut, dann fragen wir doch mal jemand aus dem Publikum, wer von euch in den Ring soll."

Er ging zu einer Gruppe Mädchen, die sofort zu kreischen begann.

„Na, wer soll es sein?" fragte er ein Mädchen, das höchsten 12 war. Ihr Name war Anna.

„Alex", sagte sie mit großen leuchtenden Augen.

Nein! Nur über meine Leiche!

„Ich mach das freiwillig", sagte Liam sofort.

„Nana", winkte Lanz ihn ab. „Die Kleine hier hat entschieden oder willst du kneifen Alex?"

„Ja", sagte ich ohne zu zögern.

Mit der Antwort hatte er wohl nicht gerechnet. Ich hörte einen Pfiff aus dem Publikum, doch es war mir egal. Ich war schwanger. Ein falsche Fausthieb und ich würde meine Kinder verlieren.

„Er schlägt doch nicht richtig zu", versuchte er nun zu besänftigen.

„Ich will nicht respektlos sein, aber ich bin ein absoluter Gegner von Gewalt. Ich weiß, für viele zählt Boxen zu Sport, aber nicht für mich. Es verstößt gegen mein Prinzipien und deshalb möchte ich das nicht machen!"

Ich war stolz, dass ich sogar eine recht plausible Ausrede hinbekommen hatte.

„Das respektieren wir natürlich", sagte Lanz nun ein wenig kleinlaut und peinlich berührt.

Erleichtert sah ich zu Liam, dem auch noch der Schock im Gesicht stand. Er trat für mich an und löste den Wetteinsatz ein. Wie sich herausstellte, hätte ich es genauso gut machen können. Klitschko streichelte eher, als das er boxte.

„Was war das denn, Alex?" fragte Harry, nachdem wir unseren Song performt hatten und endlich die Bühne verlassen dürften.
„Was meinst du?"

„Das mit Klitschko. Warum hast du das nicht gemacht? Weil es deine Prinzipien verstößt? Ich bitte dich!"

Er machte sich ganz offensichtlich lustig über mich.

„Lass mich einfach!" giftete ich genervt. Mir war das alles schon unangenehm genug, da musste er nicht noch drauf rumreiten.

„Hattest du Angst, er würde dich verhauen?" fragte er provozieren und begann seine Hände zu Fäusten zu formen und damit spielerisch herumzufuchteln. Er boxte mir leicht in die Seite. Darauf reagierte ich wie eine angestochene Tarantel. Niemand berührt meinen Bauch, wenn ich es nicht ausdrücklich erlaube!

„Harry, HÖR AUF!" schrie ich.

Doch ihn schien das nur noch mehr zu motivieren. Immer wieder stupste er mich mit seinen Fäusten. Es war nicht doll, aber es war mein Bauch. Ich begann meine Hände zur Abwehr zu benutzen.

„Mann, Harry hör auf!" hörte ich Zayns Stimme.

Ich ging nun rückwärts um nicht weiter von ihm bedrängt zu werden. Zayn schnappte sich gerade einen Arm von Harry, als es geschah. Ich sah die Stufe einfach nicht und verlor das Gleichgewicht. Ich stürzte unkontrolliert nach hinten. Das Letzte, was ich sah waren Harry erschrockene Augen.

Ich musste nur kurz ohnmächtig gewesen. Harry kniete über mir.

„Es tut mir so leid! Das wollte ich wirklich nicht. Sorry, wirklich!"

„Weg da Harry!" hörte ich Liam sagen. Nun beugte er sich über mich.

„Bist du okay?" fragte er besorgt.

Ich rieb meine Stirn. Mein Kopf tat weh. Aber instinktiv ging meine Hand zum Bauch. Gott sei Dank war ich nicht auf den Bauch gefallen.

„Ich denke schon. Mir ist schwindelig!"

„Hier Wasser", sagte Niall zu mir und reichte mir ein Glas.

Dankend nahm ich das Glas. Harry stand wie ein begossener Pudel etwas abseits. Ich konnte sehen, wie schuldig er sich fühlte.

„Sollen wir dich zum Arzt bringen? Nur um sicher zu gehen."

„Nein, ist okay. Ich hab mir nur den Kopf ein bisschen angeschlagen. Alles gut", beschwichtige ich.

„Harry, DU IDIOT!" brüllte Zayn nun wütend.

„Ich hab doch schon gesagt, dass es mir leid tut!" sagte er mit gesenktem Kopf.

„Das hätte ganz böse ausgehen können!"

„Ist es ja nicht", besänftige ich nun.

Liam und Niall halfen mir auf die Beine. Ich war noch etwas wackelig. Sie mussten mich von beiden Seiten stützen. Es drehte sich alles. Ich hatte mit Sicherheit eine leichte Gehirnerschütterung.

MY Direction ♂♀ (1D FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt