Kapitel 8 - schon wieder keine Bruchlandung
Ort: Sikalda, Wissenschaftliches Institut
Sternzeit: 3221.39
Subjekt: Medula und Orkin
Eine Tatsache, die AVOS vergessen hatte zu erwähnen, war, dass Medula benachrichtigt wurde, sobald AVOS in ihrer Abwesenheit aktiviert wurde. Nun, nicht vergessen. Immerhin war AVOS ein bewusstes Computersystem. Er stufte die Information als unwichtig ein. AVOS Berechnungen zufolge hatten Iris und Kate genügend Zeit ins Labor einzudringen und wieder zu verschwinden, bevor Medula auf sie aufmerksam wurde und etwas unternahm. Was er nicht mit einberechnet hatte, war Orkins Starrsinn.
Schnellen Schrittes lief Medula durch den Flur des dritten Stockwerks des wissenschaftlichen Instituts. Mit ihrer freien Hand massierte sie sich frustriert die Schläfe, hinter der sie die ersten Anzeichen von pochenden Kopfschmerzen verspürte. Nach ihrem wöchentlichen Treffen mit ihren Studenten verspürte sie jedes Mal den Wunsch, sie in ihrem neuesten Experiment zu ertränken, in der Hoffnung, ihnen etwas Verstand einflößen zu können. Bei so viel Unwissenheit auf einem Haufen, konnte sie froh sein, dass sie das Labor noch nicht versehentlich in die Luft gejagt hatten.
»Du siehst betrübt aus, Medula. Ist etwas vorgefallen?«, fragte Orkin, als er sie eingeholt hatte. Während Medulas Treffen mit ihren Untergebenen hatte er draußen gewartet. Medula wollte nicht riskieren, dass er versehentlich durch deren Laser-Experiment Schaden nahm.
»Nichts ungewöhnliches«, erwiderte Medula. Sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich daran zu gewöhnen, der Mittelpunkt von Orkins Aufmerksamkeit zu sein. »Ich habe dir die Daten der Studenten eingespeist. Du müsstest ahnen, was mich beschäftigt«, erwiderte sie und Orkin starrte für einen Moment leer geradeaus. Seine Schrittgeschwindigkeit blieb dabei unverändert und er hatte keinerlei Schwierigkeiten, Medula den Gang entlang zu folgen. Innerlich jubilierte sie. Orkins Prozessoren schienen endlich mit der Datenmenge klar zu kommen.
»Du hast recht«, sagte er dann und sah Medula erfreut an. »Ich sollte dich übrigens daran erinnern, einen Temperatur-Sensor mitzunehmen für meine neuen Finger.«
»Richtig.« Orkin hatte mit der Hand auf eine heiße Herdplatte gefasst, bevor Medula die Feineinstellungen an seinem Modul für Gefahrenerkennung vornehmen konnte. Nun konnte sie sich die sparen, da Orkin von selbst gelernt hatte, wie schmerzhaft es war, sich die Fingerkuppen zu verschmoren. Wie der Rest seines Körpers auch, waren seine Finger glatte, glänzende Gliedmaße aus weißen und goldfarbenen Abdeckungen. Blaue, pulsierende Linien zogen sich über seinen Körper, wie Adern. Sein Gesicht hatte zarte, fast unschuldige Züge, die Medula absichtlich gewählt hatte, um Orkin harmlos erscheinen zu lassen. Aus dem selben Grund war sein Abwehrsystem versteckt in seinen Handflächen. Medula gab ihm Laser, um sich verteidigen zu können, doch zu ihrer Überraschung weigerte Orkin sich bisher, sie zu benutzen. Selbst im Labor, in dem Medula nur die Funktionsfähigkeit an einer Zielscheibe überprüfen wollte, hatte Orkin sich stur geweigert, mit der Aussage, er wäre ja auch ein lebloses Objekt gewesen und das gäbe ihm nicht die Erlaubnis andere leblose Objekte zu zerstören. Medula hatte sich daraufhin vorgenommen, seine moralischen Einstellungen zu überprüfen.
Orkin war in vielerlei Hinsicht wie Medula selbst. Wenn man sein ganzes (wenn auch kurzes) Leben mit ein und derselben Person verbrachte, die einen sowohl erschaffen als auch programmiert hatte, neigte man dazu, sich zu ähneln. Orkin war, wie Medula auch, egoistisch was sein Wesen anging. Er wurde nicht gerne herumkommandiert, da er für sich selbst denken und handeln konnte. Er hatte wenig Erfahrung in Sachen Mitgefühl oder Empathie. Er wusste noch nicht, was es bedeutete, Freundschaften zu schließen, für jemanden da zu sein oder sich Sorgen um ein Lebewesen zu machen. Was nicht hieß, dass er diese Eigenschaften nicht besaß. Es hatte in Medulas Gegenwart nur noch nie einen Grund gegeben, sich so zu fühlen. Seine Beziehung zu Medula war kompliziert genug, dass Orkin Hilfe bräuchte, um zu verstehen, dass das, was er Medula gegenüber empfand, kein Vertrauen oder gar Freundschaft war.
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Stolpernd durch die Galaxie - Band 1: Die Mechanik des Herzens
Science FictionKates Leben zeichnet sich durch stumpfsinnige Büroarbeit und Tagträumereien aus. Iris Leben ist das genaue Gegenteil. Frei wie ein Bytwang durchstreift sie das Weltall auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Zumindest bis ihre ehemalige Vertraute...