1. 🖤

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Das Jahr 2019 hatte komplett beschissen begonnen. Meine Mutter bekam seit Anfang des Jahres Chemotherapie, welche ihr das gesamte Leben aussaugte. Es war eine Qual für mich sie so zu sehen. Sie hatte unfassbare Schmerzen, die Übelkeit welches einer der Nebenwirkungen war, quälte sie, doch sie konnte nichts erbrechen, da sie seit einigen Tagen nichts mehr zu sich nehmen konnte und wenn, würgte sie es nach ein paar Minuten wieder aus.
Meinen Job an der Bar hatte ich aufgegeben und in der Buchhaltung arbeitete ich nur noch 50% um mehr für meine Mutter da zu sein. Saskia, Renato und auch Johnny unterstützten mich so gut es ging und besuchten meine Mutter und mich regelmäßig. Ich zog auf ihre Couch um Tag und Nacht bei ihr sein zu können, meine Wohnung hatte ich derweil untervermietet. Es war eine wirklich harte Zeit, doch irgendwie schafften wir es doch diesen Alltag irgendwie schön zu gestalten. Ich machte so oft es ging mit meiner Mutter Ausflüge, wir machten viele Film- und Spieleabende und kochten zusammen. Und trotzdem, so schön wie der Tag auch war, weinte ich mich dann in den Schlaf.
Manchmal wachte ich komplett Schweißgebadet auf, weil ich Alpträume hatte. Sie jagten mich förmlich, der Tod jagte uns. Es gab viele Momente, an denen ich mir wünschte, dass ich es wäre die Krebs hat, aber dann würde meine Mutter noch mehr leiden.

Ein Klingeln an der Tür ließ mich von der Couch aufschrecken. „Bleib sitzen, ich mach auf." rief meine Mutter und ging zur Tür. „Hallo, schön das du da bist. Entführ sie bitte endlich, die geht hier noch ein!" witzelte meine Mutter und ich erkannte sofort das lachen meiner besten Freundin. „Tut mir leid Anna, aber wir haben Hunger und wollten mit euch essen. Die Jungs kommen gleich nach." sagte Saskia und lief ins Wohnzimmer. „Na dann sag ich nicht Nein. Willst du ein Tee?" fragte meine Mutter und ging in die Küche als Saskia ihr mit einem nicken antwortete.
Saskia setzte sich neben mich und umarmte mich zur Begrüßung innig. „Wie gehts dir?"
„Gut." beschissen.
„Und jetzt wirklich?" flüsterte sie das nur ich ihre Stimme hörte und sah mir tief in die Augen.
„Geht. Ich hatte wieder einen Alptraum und diesmal sind mir die Zähne ausgefallen. Ganz ehrlich, ich hab Angst." sagte ich leise und sah in Saskias Augen besorgnis. Sie wusste was der Traum mit den Zähnen bedeutet. Es hieß, wenn einem im Traum die Zähne ausfallen, wird jemand im Umkreis in naher Zukunft sterben.
„Vielleicht täuscht sich dein Unterbewusstsein ja auch. Ich glaube daran dass sie wieder Gesund wird." sagte sie leise und genau dann als sie den Satz beendete, klopfte es an der Wohnungstür, die Saskia extra angelehnt ließ und die Jungs kamen herein spaziert mit vollen Einkaufstüten.
„Wir sind Zuhause!" rief Renato und meine Mutter fing herzlichst an zu lachen. „Na dann kommt in die Küche Kinder!" gesagt getan, wir buxierten uns in die kleine Küche. Nachdem die Jungs die Tüten auf dem Küchentisch abgestellt hatten, begrüßten die Jungs meine Mutter mit einer Umarmung, Renato wirbelte mich einmal herum und Johnny gab mir einen Kuss auf die Wange, was mittlerweile schon so gut wie normal war.
Ja, Johnny und ich waren uns näher gekommen, allerdings ging es schleichend voran. Zum einen geisterte Julian noch ab und an in meinem Kopf rum, was er aber nicht wusste und ich wollte mich komplett auf meine Mutter fixieren, was er vollkommen verstehen konnte und gab mir somit Zeit.
Johnny, Saskia und ich scheuchten dann Renato und meine Mutter aus der Küche um mit dem Kochen beginnen zu können. Renato konnte überhaupt nicht kochen und jedes Mal wenn er versuchte uns zu helfen, mussten wir ihn verarzten weil er sich in den Finger gesäbelt hatte. Er und meine Mutter waren mittlerweile sowas wie beste Freunde, sie fingen manchmal sogar in meiner Gegenwart an über mich zu lästern, was unendlich viele Diskussionen ausgelöst hatte. Ich wusste es war nur Spaß, weswegen ich das dann auch mit Humor nahm.

Nachdem wir gegessen hatten, saßen wir zusammen auf der Couch und quatschten über Renatos Musikerleben. Er musste für einige Tage nach Berlin und Saskia würde ihn begleiten. „Winterpause ist jetzt auch mal vorbei, dieses Jahr muss mein Album noch fertig werden und es steht viel Arbeit an." seine Augen glänzten und man konnte ihm ansehen wie euphorisch er wirkte und am liebsten jetzt schon in Berlin in einem Studio sitzen würde. Er erzählte uns von seinen Plänen und wir hörten ihm alle neugierig zu, als meine Mutter wieder mal zur Toilette sprintete. Meine Freunde und ich sahen ihr mitleidig hinterher. Seufzend stand ich auf und ging ihr nach. Sie hatte sich das Tuch vom Kopf gerissen und würgend über die Schüssel gebeugt. Ich hockte mich zu ihr und strich ihr behutsam über den Rücken.
Meine Mutter lehnte sich erschöpft gegen die Badewanne und schloss die Augen. „Willst du dich hinlegen?" fragte ich sie leise, worauf sie zur Antwort nickte. Vorsichtig half ich ihr auf die Beine und brachte sie ins Bett, stellte einen Eimer daneben und eine Flasche Wasser, zum Mund ausspülen.
Als ich leise die Tür zu ihrem Schlafzimmer schloss, blickten die anderen mich traurig an. „Kommt, gehen wir spazieren." sagte ich mit einem lächeln und wir schnappten uns unsere Jacken.
Während wir durch Bietigheim liefen und die Sonnenstrahlen genossen, redeten die anderen drei über viele verschiedene Themen. Ich wiederum blieb still und hörte ihnen zu. Meine Gedanken waren bei meiner Mutter, sie hatte Phasen in denen es ihr gut ging, an denen sie viel Energie hatte, dann gab es aber Phasen und die überwogen leider, an denen es ihr nicht gut ging, sie keine kraft hatte und fast nur schlafen wollte.
Johnny bemerkte mein schweigen und musterte mich, blieb stehen und zog mich in eine Umarmung. Saskia und Renato hatten es gar nicht mitbekommen und liefen weiter. Ich versank in Johnnys Armen und zum ersten Mal seit langem hatte ich das Gefühl von Geborgenheit, ich wusste nicht wieso genau in diesem Moment, doch irgendwas schien sich in mir zu lösen und ein Schalter legte sich um. Leise flossen meine Tränen über meine Wangen. Ich weinte einfach und schmiegte mich an Johnnys Brust.

Please, Mary. -Bausa FF || Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt