7. 🖤

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Nachdem Johnny das Zimmer betrat, mich wie immer begrüßte und sich neben mich gesetzt hatte, wurde die Stille etwas unterbrochen. Man konnte in seinen Augen sehen wie sehr er mit uns litt, doch er versuchte uns etwas abzulenken, was uns alles ganz gut tat. Meine Mutter hörte immer wieder mit halben Ohr zu, doch meistens schlief sie. Der Krebs nahm ihr mehr Energie als ich jemals erwartet hätte. Es quälte mich sie so zu sehen und jedes mal war ich versucht zu vor lauter Frust zu schreien.
Als dann die Tür gegen Abend auf ging, erblickte ich meine Tante, gefolgt von ihrem Mann und meinen Cousinen. Wir unterhielten uns zur Ablenkung noch etwas über den Urlaub, bis sich meine Freunde verabschiedeten, was ihnen sichtlich schwer viel, da sie es selbst noch nicht wahr haben wollten. Meinem Onkel und meinen Cousinen gab ich den Wohnungsschlüssel, damit sie sich auch ausruhen konnten. Meine Tante wollte mit mir im Krankenhaus bleiben, worüber ich sehr dankbar war.

Gegen 22 Uhr kam die Nachtschwester in das Zimmer um ihre üblichen Runden zu machen und brachte uns kurz darauf ein Bett, für den Fall dass meine Tante oder ich schlafen wollten.
Irgendwann bemerkte ich wie kraftlos ich geworden war. Mittlerweile spürte ich auch wie nach langer Zeit die Müdigkeit über mich einbrach. „Sabina. Ich glaube ich muss kurz schlafen. Weck mich in einer Stunde bitte." sagte ich dann leise. „Okay." gab sie leise zur Antwort und ich setzte mich kurz an die Bettkante und wünschte ihr eine gute Nacht, auch wenn sie kaum reagierte und legte mich daraufhin in das Bett.

Meine schweren Augenlider fielen sofort zu als ich mich in das Bett legte und ich hatte das Gefühl dass sich etwas in mir löste. Ich versank gefühlt in das Bett. Irgendetwas passierte mit mir, doch ich wusste nicht was. Ich fühlte mich gelöst und frei. Als wäre frieden in meine Welt eingekehrt.

„Mama das Essen ist fertig!" rief ich aus der Küche ins Wohnzimmer und servierte das Essen in die Teller. Als meine Mutter die Küche betrat, lächelte sie, nein. Sie strahlte. Sie sah so gesund und glücklich aus. Meine Mutter hatte ihre langen Haare noch immer und hatte eine gesunde Figur. Sie war nicht krebskrank.
Wir hatten aufgegessen, da sah mich meine Mutter an und ich entdeckte Tränen in ihren Augen. „Marie mein Schatz, es ist zeit zu gehen. Pass bitte gut auf dich auf! Ich liebe dich." sagte sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und strich mir über die Wange.

Ich wurde sanft an der Wange berührt, als meine Tante mich mit Tränen in den Augen weckte. Verwirrt blickte ich sie an und blinzelte mehr mals. „Deine Mama ist ganz friedlich eingeschlafen." flüsterte sie, doch ich war noch immer verwirrt und leicht schlaftrunken, weswegen ich antworten wollte, „Ist ja normal wenn man schläft." doch ich richtete mich auf und sah mich um und als ich meine Mutter da in ihrem Bett liegen sah, realisierte ich erst was meine Tante damit meinte. „Ich habe die Nachtschwester und die Ärztin schon gerufen." sagte sie dann und genau in dem Moment klopfte es und beide kamen herein. Die Ärztin checkte die Vitalzeichen und bestätigte dann den Tod meiner Mutter. „Todeszeitpunkt 3 Uhr 10." sagte sie und ich drehte meinen Kopf zu meiner Tante. „Du hast so friedlich geschlafen, ich wollte dir die ruhe gönnen." antwortete sie ohne mich die frage gestellt zu haben und ich nickte nur. „Wir lassen dich kurz allein." sagte sie dann und verließ mit der Ärztin und der Nachschwester das Zimmer. Ich hüpfte von dem Bett und ging auf meine Mutter zu. Ich berührte sie vorsichtig an ihrer Wange, so vorsichtig, dass ich angst hatte dass sie schmerzen bekommen könnte. Ich faltete ihre Hände, deckte sie zu und betrachtete ihre Schönheit. Auch hoffte ich, dass sie wieder Tief Luft holte und die Augen öffnete, doch nichts passierte. „Du hast es endlich geschafft. Bitte grüß Papa von mir. Ich liebe dich." flüsterte ich, strich ihr über den Kopf und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Als ich aus den Zimmer trat, war ich wie in Trance. Vor mir meine in Tränen aufgelöste Tante, die Ärztin und die Nachtschwester die sich unterhielten, doch ich verstand kein Wort. Mir wurde die Hand gereicht und geschüttelt, was gesagt worden ist wusste ich nicht. Meine Tante nahm mich in den Arm und drückte mir ein Taschentuch in die Hand. Ich weinte. Ich weinte wie ein Wasserfall.

Ich lehnte an der Fensterscheibe meines Autos, während meine Tante uns durch Bietigheim fuhr. Ich beobachtete die Tropfen an meiner Scheibe, die ein Rennen veranstalteten. Das Radio hatte ich direkt beim starten des Motors ausgeschalten. Egal was es war, ich wollte es nicht hören.
Die Treppen zur Wohnung waren gefühlt ewig. Als wir die Tür öffneten und ins Wohnzimmer gingen, lagen dort meine Cousinen auf der Couch und mein Onkel auf einer Luftmatratze und schliefen. Ich wünschte meiner Tante eine gute Nacht und verzog mich ins Badezimmer um mein Gesicht zu waschen, schnappte mir danach meine Zigaretten und schlich durch das Schlafzimmer meiner Mutter um durch die andere Tür auf den Balkon zu kommen.
Es war nicht nötig mich hin zu legen und zu schlafen, ich wusste ich würde nicht mehr schlafen können. Somit saß ich wie ein trauriges klümpchen auf dem kleinen Balkon und rauchte eine Zigarette nach der anderen.
Ich wollte und konnte es nicht wahr haben, dass sie nicht mehr da war, dass es bis vor einigen Stunden das letzte mal war, als ich sie gesehen hatte und nie wieder sehen würde. Mein Herz zerbarst in Millionen Einzelstücke.

Irgendwann als die Sonne langsam aufging, nahm ich meinen Mut zusammen und schrieb den wichtigsten Leuten, was letzte Nacht geschehen war. Als ich die letzte Nachricht abgeschickt hatte, ging die Balkontür zum Wohnzimmer auf und meine Cousine Chiara kam leise raus. Sie sah mich für einen Moment an, sagte nichts und setzte sich einfach stumm neben mich und lehnte ihren Kopf auf meine Schulter. Wir weinten zusammen stumme Wasserfälle, bis auch Helena auf den Balkon trat und sich vor mich auf den Boden setzte, mit dem Rücken lehnte sie gegen meine Beine, meine Hand ergriff und in den Himmel sah. Die Wolken brachen nach langem Regen auf und die Sonne schien durch die Wolken hell hindurch. „Ich glaube sie ist angekommen." sagte ich leise und beide drückten meine Hände als Geste und Zustimmung.

Die Klingel ließ uns aufschrecken, weswegen wir voneinander abließen und ich aufstand um die Tür zu öffnen. Saskia umarmte mich stürmisch als ich die Tür auf machte. Renato stand unmittelbar hinter ihr und ich konnte in seinem Gesicht spuren der Tränen entdecken. Ich ließ beide herein und lotste sie für einen Kaffe in die Küche, wo meine Tante und mein Onkel sich längst an den Tisch gesetzt hatten. Meine Tante hatte tiefe Augenringe und schien nicht ansatzweise geschlafen zu haben.
„Ich werde dann mal die Bestattung anrufen und alles andere in die Wege leiten." räusperte sich mein Onkel und schnappte sich das Telefon und ging ins Wohnzimmer.
Ich war dankbar für die ganze Unterstützung meiner Familie und Freunden. Ohne sie wäre ich wohl am Ende.

Please, Mary. -Bausa FF || Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt