6. 🖤

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Die Tage vergingen wie im Flug. Wir hatten den wohl schönsten Urlaub seit Jahren an dem wir so viel erlebt hatten. Der Abschied von meinen Verwandten war schwer und wir vergossen einige Tränen.
Bietigheim erstrahlte im schönsten Frühling, doch über uns schwebte eine dunkle Wolke. Ein paar Tage später als wir schon zuhause waren, hatte meine Mutter Schübe. Ihr ging es durchgehend schlecht, weswegen wir die Ambulante Pflege einschalten mussten. Sie kümmerten sich rührend um meine Mutter und ich lernte viel von ihnen um beim Notfall alles richtig machen zu können.
Nur heute war einer der Tage an denen selbst die Ambulante Pflege nicht weiter wusste und somit waren meine Mutter und ich auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich versuchte mich auf die Straße zu konzentrieren, doch es war nicht ganz so einfach, da ich versuchte so vorsichtig wie möglich zu fahren da ich meiner Mutter nicht noch mehr leid zufügen wollte. Auch dass ich Angst hatte, versuchte ich zu unterspielen, doch auch dies schien nicht ganz zu funktionieren.
„Wir sind gleich da Mama." sagte ich leise, mehr zu mir um mich zu beruhigen, jedoch nickte sie zur Antwort.

Als wir nach stundenlangem warten endlich in ein Behandlungsraum gebracht wurden, dauerte es glücklicherweise nicht mehr all zu lang bis der behandelnde Arzt das Zimmer betrat. Auch nach den obligatorischen Fragen des Arztes wurde meine Mutter für weitere Tests durch das Krankenhaus geschoben, während ich noch mit dem Arzt im Behandlungsraum ein Gespräch führte. „Frau Dreher, sie wissen sicherlich dass ihre Mutter nicht mehr lange zeit hat. Und leider befürchte ich, dass es bald soweit sein wird. Haben sie denn irgendwas besprochen das wir wissen müssen?" fragte er mich und sah mich mit traurigen Augen an. Ich nickte stumm und überreichte ihm die Patientenverfügung die meine Mutter letzten Sommer ausgefüllt hatte. Er las sie sich aufmerksam durch und räusperte sich dann. „Okay, dann werden wir das berücksichtigen. Haben sie denn irgendwelche Fragen?" der Arzt sah von den Unterlagen auf und blickte mir wieder in die Augen. „Ja." krächzte ich und erschrak selbst bei meiner Stimme und räusperte mich, was aber nicht sonderlich viel brachte. „Wird sie schmerzen haben wenn es... ich meine, kann man ihr die Schmerzen nehmen?" fragte ich heiser und knubbelte an einem stück Faden von meiner Sweatjacke. „Wir versuchen ihr die Schmerzen auf jeden Fall zu nehmen, so dass sie, wenn es soweit sein sollte, friedlich einschlafen kann. Ich werde auch mit meinen Kollegen eine neue Schmerztherapie vereinbaren, damit sie bis dahin kaum bis gar keine Schmerzen mehr haben wird." ich nickte wieder. Irgendwie verstand ich was er sagte, doch trotzdem wollte es nicht wirklich bei mir ankommen. Der Arzt verabschiedete sich von mir um weitere Patienten zu behandeln und ließ mich allein mit meiner Angst und meinen schrecklichen Gedanken.

Die Tage vergingen wieder unfassbar schnell, meine Mutter vertrug die neue Schmerztherapie gut, jedoch behielten die Ärzte meine Mutter im Krankenhaus. Ich besuchte sie jeden Tag, immer so lange bis die Nachtschwester mich aus dem Krankenhaus schmiss. Geschlafen hatte ich schon lange nicht mehr, wenn vielleicht nur ein paar Stunden in der Nacht. Meine Freunde und die Nachbarn meiner Mutter besuchten sie auch regelmäßig, jedoch verließ mich dieses bedrückende Gefühl nicht.

„Marie, weißt du wohin ich diese Briefe bringen soll?" eine neue Arbeitskollegin riss mich aus meinen Täglichen Gedanken. Ich drehte mich zu ihr um und sah mir die Briefe an und nickte. „Kannst du noch kurz warten, dann zeig ich es dir." sagte ich freundlich und widmete mich wieder meinem Pc. „Wie geht es deiner Mutter?" fragte mich Veronika von der anderen Seite und linste über ihren Bildschirm zu mir. „Soweit ganz okay." murmelte ich und wollte grade nach meinem Kaffe greifen, jedoch stieß ich ihn über meine gesamten Unterlagen und ertränkte sie in der braunen Suppe. „Verdammte hacke!" brüllte ich und pfefferte die Tasse in meinen Papierkorb und versuchte die Papiere mit einem Taschentuch zu retten. Veronika kam mir zur Hilfe und tupfte wie eine Weltmeisterin auf den Papieren rum. „Ist doch alles zum kotzen heute." murrte ich und lehnte mich genervt zurück. „Nicht dein Tag heute oder?" Fragte mich Veronika dann und lächelte mir aufmunternd zu. Ich schüttelte den Kopf und stand auf um eine raucherpause zu machen. Ich war am ende meiner Nerven.
Als ich meine Zigarette anzündete bemerkte ich wie mein Handy anfing zu vibrieren, weshalb ich es schnell aus der Hosentasche fischte und dann die Nummer des Krankenhauses las. Schnell nahm ich ab. „Hallo Frau Dreher. Können Sie es einrichten jetzt sofort ins Krankenhaus zu kommen? Ihre Mutter verlangt nach ihnen und sagte, dass es wohl bald soweit sein sollte." der Rauch in meiner Linge schien stecken zu bleiben, auch ich schien in einer Starre zu verweilen, denn die Krankenschwester an der anderen Leitung fragte immer wieder ob ich noch dran sei. „Ja natürlich. Ich komme sofort." gab ich dann von mir und drückte so schnell ich konnte die Zigarette aus und lief in mein Büro.
„Um gottes Willen, was ist passiert?" fragte mich Steffi, die neue Mitarbeiterin und Veronika sah von ihrem Bildschirm auf und sah mir in die Augen. „Oh scheiße. Was ist los?" sie sprang von ihrem Stuhl auf und kam auf mich zu, doch ich packte unbeirrt meine Tasche und fuhr den Pc herunter. „Mama hat nach mir verlangt. Ich muss los." flüsterte ich kraftlos und verließ den Raum ohne noch etwas zu erwähnen. Ich tippte wie Wild die Nummer meiner Tante und gab ihr Bescheid, dann als ich auf dem weg zu meinem Auto war, rief ich Saskia an.
„Wir sind auf dem Weg." war das einzige was beide von sich gaben. Ich wusste dass meine Tante am längsten brauchen würde, doch ich wusste es wollten beide so, dass meine Tante dabei sein wollte.

Ich stürmte das Krankenhaus und stieg ungeduldig in den Aufzug. Für einen Moment drehte ich mich zum Spiegel der sich darin befand und erschrak vor meinem eigenen Gesicht. Ich war kreide bleich und mittlerweile verheult und mir stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Als der Aufzug auf der Station hielt in der meine Mutter sich befand, atmete ich tief durch und ging direkt zu dem Stationszimmer um mit der Leitung zu sprechen, doch die sagte mir nichts weiteres was ich nicht schon wusste. Somit machte ich mich auf den Weg zu meiner Mutter. Als ich das Zimmer betrat, sah ich wie meine Mutter in ihrem Bett lag. Kraftlos, nach Luftringend und meine kleine Plüsch-Giraffe umklammernd. Ich setzte mich vorsichtig auf die Bettkante und streichelte ihre Wange. „Mama ich bin da." flüsterte ich mit Tränenerstickter stimme. Sie lehnte sich lächelnd gegen meine Hand. „Hallo Schatz." flüsterte sie kraftlos und versuchte die Augen zu öffnen. „Die anderen werden auch bald da sein." sagte ich leise, worauf hin sie nur nickte.
Ich setzte mich dann auf den Stuhl neben dem Bett und versuchte mich mit meiner Mutter zu unterhalten, doch ich ließ sie lieber schlafen. Dann klopfte es an der Tür und meine besten Freunde traten ins Zimmer. Saskia hatte geweint, sie hatte komplett geschwollene Augen und Renato zog ein Gesicht, als wäre ihm jegliches Glück geraubt worden. „Johnny kommt später, er darf die Arbeit nicht verlassen." flüsterte Saskia um meine Mutter nicht zu wecken und zog mich in eine tiefe Umarmung. Auch Renato drückte mich lange und dann saßen wir da und warteten auf Hoffnung.

Please, Mary. -Bausa FF || Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt