3. Kapitel

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Dunkles Pulver rieselte auf das strahlende Weiß und sprenkelte es in einem unbestimmten Muster.
,,Und wie war deine erste Nacht hier so?'', versuchte meine Mum eine Konversation zwischen uns zu starten. Ich stellte die Kakaodose weg und tunkte stattdessen meinen Löffel in den Milchschaum und spielte damit ein bisschen herum, während ich darauf wartete, dass er nicht mehr ganz so heiß war. ,,Laut.''
,,Ach ja?''
Ich sah hoch und runzelte leicht die Stirn. ,,Ja. Hast du die Wölfe und die Frau nicht gehört?''
Mum schüttelte verwirrt den Kopf und nahm einen Schluck ihres Kaffees. ,,Nein. Ich weiß nicht, wovon du sprichst.''
Ich zog eine Augenbraue hoch. ,,Was? Wie konntest du das nicht mitkriegen? Selbst mit geschlossenem Fenster habe ich das Heulen und Knurren noch gehört. Nicht zu vergessen das Jaulen, die Schreie sind ja ziemlich schnell verstummt.'' Das konnte ich mir doch wohl nicht eingebildet haben, oder?
Mum warf mir nur einen komischen Blick zu und zuckte dann mit den Schultern. ,,Keine Ahnung. Hatte Ohrstöpsel drinnen.''
,,Seit wann schläfst du denn mit Ohrstöpsel?'', fragte ich überrascht und hob meine Tasse an die Lippen. Der heiße Milchschaum mit Kakaogeschmack füllte meine Kehle und belebte ein wenig meine müden Lebensgeister.
,,Seit...einer Weile.'', deutete sie an und wich meinem Blick aus. Ich verstand die Andeutung und nickte nur. Wahrscheinlich hatte sie damit angefangen, weil sie mein nächtliches Weinen nicht mehr hatte ertragen können, dass sie durch die Hellhörigkeit unseres alten Hauses mitbekommen haben musste.
,,Ach übrigens, nicht vergessen, du hast morgen wieder Schule. Die Valdez High school ist die einzige High school hier im Ort, das heißt, du wirst sie sicher schnell finden. Du bist schon angemeldet.''
,,Hm", machte ich nur. Dann herrschte wieder betretendes Schweigen. Das tat es oft. Doch Mum schien wirklich darum bemüht, unser Verhältnis wieder aufzubessern und so weiter zu machen wie zuvor, denn erneut versuchte sie unser Gespräch fortzuführen. ,,Weißt du schon, was du heute machen willst?''
,,Auspacken, denke ich.''
,,Ich gehe nach dem Frühstück erstmal groß einkaufen. Wenn du willst, könnten wir danach zusammen den Ort erkunden. Durch das schlechte Wetter gestern konntest du es nicht richtig sehen, aber Valdez ist eine wunderschöne kleine Stadt. Richtig malerisch. Es gibt-‚'' ,,Vielleicht gehe ich nachher mal alleine raus.'', unterbrach ich sie harsch.
Als Mum bedrückt den Blick senkte und nur ein leises ‚,Okay'' von sich gab, keimten die altbekannten Schuldgefühle wieder in mir auf. Aber ich konnte nicht einfach wieder auf normale, glückliche Familie machen. Dazu fehlte zu viel. Dafür saß der Schmerz noch zu tief.
,,Ich bin fertig'', murmelte ich, räumte meinen Teller weg und zog mich in mein Zimmer zurück. Die Umzugskisten, die wir vorhin mit der Hilfe von Mr. Wyler, einem freundlichen Mann Mitte Vierzig, der gegenüber von uns mit seiner Frau wohnte, reingetragen hatten, standen verteilt im Raum herum. Ich kniete mich neben die erste Kiste und öffnete vorsichtig den Deckel. Ich griff hinein und holte einen Bilderrahmen hervor, der ganz oben lag. Lächelnd betrachtete ich ihn. Das Foto zeigte mich mit eisverschmiertem Gesicht in einem Alter von sechs Jahren stolz auf einem Pony sitzen. Ich erinnerte mich daran, dass das am Strand auf Mallorca gewesen war. Wir hatten gerade erst alle ein Eis gegessen, als wir gesehen hatten, dass Pony-Reiten angeboten wurde. Natürlich hatte ich das unbedingt machen wollen.
Ich legte das Bild weg und holte weitere persönliche Gegenstände heraus. Ganz unten fand ich einen weiteren Bilderrahmen, der umgedreht war. Bedächtig drehte ich ihn herum und erstarrte. Zitternd strich ich mit den Fingerspitzen über die Gesichter, die darauf abgebildet waren. Ich in der Mitte von zwei Jungs, wir alle breit grinsend. Tränen traten mir in die Augen und ein unterdrücktes Schluchzen brachte meinen Körper zum Beben. Ich krümmte mich leicht unter der Last meiner Gefühle.
Eine stumme Träne rollte meine Wange herab.
Langsam erhob ich mich, das Bild fest an meine Brust gedrückt. Ich ging zu meinem Nachtisch und legte es wieder umgedreht hinein. Ich wollte es bei mir haben und gleichzeitig nicht sehen. Wollte nicht an das erinnert werden, was ich verloren hatte und mir so viel seelischen Kummer bereitete.
Ich setzte mir die Kopfhörer auf, die daneben lagen, und packte die restlichen Kartons aus, während die Musik mich ablenkte.
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