9. Kapitel

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Mein Blick wurde wie magisch von ihm angezogen. Ich nahm nur noch ihn war, alles andere schien zu verblassen. Unsere Augen verhakten sich ineinander und ein Ruck schien gleichzeitig durch unsere beiden Körper zu gehen.
Er war der schönste Mann, den ich je gesehen hatte. Sogar schöner als Lane.
Das strahlende Blau und schillernde Grün seiner Augen ließen mich beinahe willenlos in ihnen ertrinken.
Seine schwarzen, verwuschelten Haare erweckten in mir den Wunsch durch sie hindurch zu fahren.
Seine makellose Haut schien meine danach lechzen zu lassen, sie zu berühren.
Seine vollen, rosigen Lippen wirkten auf mich wie eine verführerische Droge, die einen vom ersten Moment an süchtig machen konnte.
Sein muskulöser Körper weckte in Meinem das Bedürfnis, sich an ihn zu schmiegen und nie wieder von seiner Seite zu weichen.
Merkwürdige, bisher völlig unbekannte Gefühle überschwemmten mich. Ich fühlte mich verbunden mit ihm. Ich hatte das Gefühl ihn zu kennen.
Und das war ein Gedanke, der mich aus meinem tranceartigen Zustand riss.
Wow, was ging denn gerade mit mir ab? Gut, er war verdammt attraktiv, aber das war kein Grund hier gleich anzufangen zu sabbern und derartig zu empfinden.
Ich hatte gerade nochmal die Kurve gekriegt, fiel mir auf, als ich nun endlich wieder auch mehr als nur ihn wahrnahm und registrierte, dass ich schon halb stand, so als hätte ich auf ihn zu rennen und mich wie in den ganzen kitschigen Liebesfilmen in seine Arme werfen wollen. Wieso reagierte ich so auf ihn?
Schnell stand ich komplett auf und konnte mir bildlich meine knallroten Wangen vorstellen. Verdammt, ich hatte ihn viel zu lange angestarrt. Aber sich jetzt wieder hinzusetzen wäre noch peinlicher gewesen.
Der junge Gott hatte mich die ganze Zeit über kein einziges Mal aus den Augen gelassen, selbst jetzt klebte sein Blick noch an mir. Ich mied den direkten Blick in seine fesselnden Augen, aus Furcht wieder in ihnen zu ertrinken und mir diesmal nicht selber den Rettungsring zuwerfen zu können.
Ich räusperte mich, öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Peinlich.
Hilfesuchende sah ich zu Magret und Katy. Die beiden hatten uns fasziniert beobachtet und starrten uns immer noch gespannt an, so als würden sie auf etwas warten. Was dachten sie, was gleich passierte? Das ich aufgrund seines überirdischen Aussehens gleich in Ohnmacht fiel? Das ich aufsprang und mich wie eine notgeile Bitch in seine Arme schmiss? Ihn anfiel wie eine Ausgehungerte?
Ich räusperte mich erneut. ,,Also...Ähm...'' Da mich jetzt alle erwartungsvoll ansahen, trat ich unwohl von einem Fuß auf den anderen. Der Blick des jungen Mannes, der sich förmlich in mich hineinbrennen zu wollen schien, half auch nicht gerade zur Beruhigung meiner plötzlich flatternden Nerven. ,,Ich, äh, schätze, ich gehe dann mal.'' Ich machte ein paar Schritte zurück, zum Fenster hin und versuchte mich so galant aus der Affäre zu ziehen. Durch die Haustür an diesem jungen Gott vorbei würde ich nämlich ganz sicher nicht gehen. Sonst würde ich vermutlich wirklich noch in Ohnmacht fallen und diese Schmach wollte ich nicht riskieren. Ich könnte nie wieder unter meiner Bettdecke hervorkommen. Nope. Keine Chance. Ich machte nen Abgang durchs Fenster. Nicht gerade meine überlegteste Reaktion, aber wenn ich überfordert war, neigte ich nun mal dazu, dumme Sachen zu machen. ,,Vielen Dank für den leckeren Kuchen'', richtete ich mich an Magret und griff bedächtig nach dem Fensterrahmen hinter mir. ,,Aber ich muss jetzt wirklich los.''
Und damit hatte ich mich eigentlich umdrehen und aus dem Fenster flüchten wollen, hätten mich nicht alle drei gleichzeitig daran gehindert.
,,Die Haustür ist hier vorne, Liebes.'', erwähnte Magret und machte mein Vorhaben damit noch peinlicher für mich. Dennoch, lieber diese Peinlichkeit in Kauf nehmen, als auf so kurzer Distanz zu dem leibhaftig gewordenen Gott zu sein und eine ganz andere Art von Peinlichkeit über mich zu bringen, die mich eindeutig mehr beschämen würde.
,,Warte, bleib doch noch!'', rief Katy gleichzeitig und der junge Gott machte mit geballten Fäusten einen Satz nach vorne und knurrte. ,,Du gehst nicht!''
Ich blieb wie erstarrt stehen. Absolut verunsichert mit der Situation, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Vor allem, da ich durch die Reaktion des jungen Mannes ein wenig...eingeschüchtert war. Das hatte sich so angehört, als würde ich nicht gehen dürfen. Verdammt, wo war ich hier jetzt schon wieder gelandet? Im Märchen von Hansel und Gretel, wo ich gerade naiv ins Haus der bösen Hexe marschiert war und jetzt nie wieder herauskam? Oh Gott.
Magret schien zu erkennen, was in mir vorging. ,,Du hast deinen Kuchen doch noch gar nicht aufgegessen, Jallyne. Bleib doch noch. Katy kennst du doch bestimmt aus der Schule?'', versuchte sie die Situation zu beruhigen.
Ich sah zu Katy, die einen beinahe flehenden Ausdruck in den Augen hatte. Nur verstand ich nicht, warum.
,,Ja", meinte ich zögerlich, bewegte mich aber kein Stück.
,,Na dann, setzt euch doch. Ich habe genug Kuchen für alle. Ihr jungen Mädels habt doch immer so viel zu bequatschen.'', versuchte Magret die Atmosphäre zu lockern und marschierte in die Küche, wo sie mit zwei Tellern und Gabeln zurückkam.
,,Nun setzt euch schon hin'', forderte sie und langsam folgten Katy und ich ihrer Aufforderung. Der junge Mann stand nach wie vor wie erstarrt da, die Hände immer noch zu Fäusten geballt und starrte auf die Stelle, an der ich eben noch gestanden hatte. Ein verzerrter Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Er war mir nicht geheuer. Dieser Eindruck verstärkte sich, als mir nun auch die dunkle Aura auffiel, die ihn wie eine ständige Drohung zu umgeben schien. Sie war noch düsterer und mächtiger als die von Lane. Dennoch spürte ich seltsamerweise keine Gefahr von ihm ausgehen.
,,Lev?'', räusperte sich Katy, nachdem Magret wieder zurückgegangen war, um noch die restlichen Einkufe einzuräumen. Angesprochener schien aus seiner Starre zu erwachen. Sofort suchte sein Blick wieder mich, bevor er zu Katy sah. ,,Du sollst mich doch nicht so nennen, das untergräbt meine Autorität!'', knurrte er sie ungehalten an.
Ich zog eine Augenbraue hoch. ,,Lev? Dein -‚'' Bevor ich weiter reden konnte, unterbrach mich ein Schnurren. Mein Blick zuckte genauso wie Katys zu diesem Lev. Hatte er gerade wirklich geschnurrt? Wie eine verdammte Katze?
Katy schnaubte. ,,Ernsthaft?'' Leiser hörte ich sie beleidigt murmeln. ,,Natürlich. Mich motzt er wegen dem Spitznamen an und bei ihr schnurrt er wie eine verdammte Schmusekatze.'' Was?
,,Katania Everwood!'', knurrte er aufgebracht, was Katy den Blick senken ließ. Das war dann wohl ihr Bruder, nahm ich an. Da ich seine Aufmerksamkeit nicht auf mich lenken wollte, sagte ich nichts dazu, auch wenn mir der Tonfall, in dem er mit seiner kleinen Schwester redete, nicht gefiel.
Danach herrschte unangenehmes Schweigen. Noch unangenehmer wurde es dadurch, dass ich die ganze Zeit Levs - oder wie auch immer er jetzt wirklich hieß - Blick auf mir spüren konnte. Warum starrte er mich die ganze Zeit so an?
So konnte ich jedenfalls nicht in Ruhe meinen Kuchen aufessen. Nicht, wenn jemand, mit seinen Augen Löcher in mich brennen zu wollen schien.
Ich sah auf und begegnete direkt seinem Blick. Er hatte sein Kuchenstück nicht einmal angerührt. Als ich seinen Bick erwiderte, schien er aus einer Art Trance zu erwachen. Mit funkelnden Augen sah er mich an. Ich schaffte es, ihrem Zauber zu widerstehen. ,,Kannst du bitte aufhören, mich so anzustarren?''
Lev - ich beschloss ihn jetzt einfach so zu nennen, da niemand es anscheinend für nötig gehalten hatte, mir seinen richtigen Namen zu verraten und ich auch nicht nachfragen wollte - zog unzufrieden die Augenbrauen zusammen. ,,Nein.'', kam es kalt von ihm.
,,Wie bitte?'', fragte ich nach und glaubte, mich verhört zu haben.
,,Nein.'', wiederholte er.
Wow. Okay.
,,Es ist mir aber unangenehm, die ganze Zeit so von dir beobachtet zu werden.'', brachte ich zähneknirschend hervor. War ja klar, dass ein Typ, der so gut aussah wie er, einen scheiß Charakter haben musste. Wahrscheinlich war das auch noch so ein arroganter, kalter Playboy, der hobbymäßig Mädchenherzen brach. Und ich war mehr oder weniger gezwungen, mit ihm am Tisch zu sitzen und Kuchen zu essen. Ganz toll.
Ein Glitzern tauchte in seinen Augen auf. Seine Mundwinkel hoben sich tatsächlich zu einem verschmitzten Grinsen. ,,Mach ich dich nervös? Dein Herz schlägt so schnell.''
Ich verdrehte die Augen, was ihm nicht zu gefallen schien. ,,Nein. Hast du mir nicht zugehört? - Es ist mir unangenehm.'' Dann fielen mir seine letzten Worte auf und ich runzelte verwirrt die Stirn. ,,Und woher willst du überhaupt wissen, wie schnell mein Herz schlägt?'' Das Lev Recht hatte, verriet ich natürlich nicht. Mein Herz raste, aber das konnte er doch nicht wissen. Wahrscheinlich hatte er geraten oder er war so von sich überzeugt, dass er einfach davon ausging, dass Mädchenherzen in seiner Nähe schneller schlugen. Ich tippte auf letzteres.
,,Ich ging davon aus'', erklärte Lev ausweichend, doch warum auch immer, war ich mir sicher, dass er mir nicht die Wahrheit sagte. Da ich aber keine andere Erklärung finden konnte, nickte ich nur. ,,Ganz schön arrogant, findest du nicht?''
Wenn ich mich nicht wohl fühlte, ähnelte ich schon immer einer Katze. Ich fing an zu kratzen. Nicht mal wirklich absichtlich, auch wenn ich hier gerade eine kleine Provokation nicht leugnen konnte. Ich wollte den peinlichen Moment von vorhin überspielen und bloß dafür sorgen, dass niemand dachte, ich würde auf Katy's Bruder stehen.
Das tat ich nämlich nicht.
,,Du kannst es ruhig zugeben'', erwiderte Lev darauf nur und fixierte mich mit seinen verschieden farbigen Augen wie ein Raubtier seine Beute.
,,Was?'' Ich verstand nicht, was genau er meinte.
,,Das ich mir Arroganz bei meinem Aussehen erlauben kann.'' Okay, nochmal wow. Nichtmal Tracy Darling aus meiner alten Schuhe hatte jemals dieses Level an Arroganz erreicht. Der Typ toppte echt in jeder Kategorie alles und jeden, hatte ich das Gefühl.
,,Okay.''
Verwirrt sah er mich an. ,,Okay?''
,,Okay, ja. Du kannst es dir erlauben.'', meinte ich. Denn das war leider und so ungern ich es zugab die Wahrheit.
Ein zufriedener, fast schon glückseliger Ausdruck legte sich über sein Gesicht. ,,Also findest du mich attraktiv?''
Das war jetzt nicht sein Ernst? Der wusste doch selber, wie verdammt gut aussah. Hatte wahrscheinlich auch schon von dutzenden Frauen die Bestätigung bekommen, was wollte er das von mir jetzt auch nochmal hören? Außerdem hatte ich das im Prinzip nicht gerade erst schon zugegeben?
,,Echt jetzt?'' Ich hob eine Augenbraue. ,,Ich dachte nicht, dass du Fishing for Kompliments so nötig hättest.''
Lev überging meine Spitze einfach und sah mich weiter an.
,,Ach komm schon!'',, stöhnte ich und weigerte mich strikt, seinem sicherlich eh schon gigantischen Ego noch einen weiteren Push zu geben. ,,Iss doch einfach dein verdammtes Stück Kuchen!''
,,Sag es doch einfach. Ich will es hören.'', forderte Lev eindringlich, als von mir nichts weiter kam.
,,Und ich will es nicht sagen.'', entgegnete ich stur, legte die Kuchengabel weg und lehnte mich mit verschränkten Armen in meinem Stuhl zurück.
,,Ach, Luna, ihr zwei seit ja jetzt schon süßer als mein Eisklotz von Sohn und seine Necara es je waren.'', ertönte plötzlich die gerührte Stimme von Magret. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie wieder bei uns stand. ,,Und ich hatte schon befürchtet, der Junge wäre so ein Steinbrocken wie sein Vater.'' Erleichtert seufzte sie.
Katy kicherte. Lev warf seiner Oma einen wütenden Blick zu.
Ich nutzte diese Ablenkung und stand auf. ,,Wie auch immer. Vielen Dank für den Apfelkuchen, aber wie gesagt, ich müsste dann wirklich mal zurück nach Hause.'' Ich lächelte höflich. ,,Wir sehen uns in der Schule, Katy.'' Sie nickte.
Mein Blick fiel auf Lev, der auf einmal völlig verkrampft wirkte. Ich runzelte ein wenig die Stirn, entschied aber, dass es mich nicht wirklich zu kümmern hatte. Unentschlossen sah ich ihn an. Wie sollte ich mich von ihm verabschieden oder sollte ich das überhaupt? Aber es wäre ziemlich unhöflich einfach so zu gehen. Letztendlich entschied ich mich für ein einfaches ,,War nett, dich kennenzulernen, Lev.''
Er nickte krampfhaft, mied aber meinen Blick. Ich sah noch aus dem Augenwinkel wie Katy ihm eine Hand auf den angespannten Arm legte, als wolle sie ihn zurückhalten, etwas unüberlegtes zu tun, dann hatte ich ihnen schon den Rücken gekehrt. Ich schaute noch ein letztes Mal zurück, bevor ich die Haustür hinter mir zu zog.
Draußen blieb ich kurz stehen und atmete tief durch. Die frische Luft kühlte meinen Geist ab.
Das war also Katys Bruder gewesen. Lev Everwood. Was für ein Zufall, dass die beiden ausgerechnet Magrets Enkel waren. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

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