26. Kapitel

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Mein Instinkte rieten mir, ich solle mich einfach wieder umdrehen und rennen. Und zwar so schnell ich konnte.
Mein Kopf sagte mir, ich solle mich am besten nicht das leiseste Bisschen regen.
Und irgendein bescheuerter Teil in mir wollte doch tatsächlich, dass ich dieses Monstervieh auch noch antatschte, wie ein Kleinkind einen Welpen.
Ein Zittern durchfuhr den mächtigen Körper vor mir, während wir uns einfach regungslos anstarrten.
Was zur Hölle sollte ich jetzt tun? Diese Entscheidung nahm mir Levan - oder Levans Wolf? - ab, indem plötzlich seine gewaltige Pfote vorschoss und mir einen starken Schubs nach vorne gab, ohne das seine Krallen mich berühren und verletzen konnten, sodass ich an ihm vorbei in das zerstörte Zimmer flog. Ich sah mich schon schmerzhaft auf dem von Glas- und Holzsplittern bedeckten Boden aufkommen, da fuhr plötzlich sein Schwanz dazwischen und wischte mit nur einer Bewegung einen locker drei Meter Umfang sauber. Ich landete zwar immer noch nicht gerade sanft, aber immerhin ohne Splitter in der Haut. Hinter mir hörte ich die Tür wieder zu donnern.
Jetzt befand ich mich also mitten in der Nacht an Vollmond mit einem Alphawerwolf in einem geschlossenen, vollkommen zerstörten Zimmer. Und wenn ich vollkommen zerstört sagte, meinte ich auch vollkommen zerstört.
Das zerbrochene Fenster hatte ich ja vorhin schon festgestellt, aber auch die Wände und das gesamte Mobiliar waren zerstört. Tiefe Krallenspuren zogen sich über den Boden und die Wände. Ich schluckte schwer.
Ich würde mal sagen, Levan - oder sein Wolf - hatte sich hier ganz schön ausgelassen.
Langsam, bedacht keine zu schnellen Bewegungen zu machen, drehte ich mich auf den Rücken und wollte mich langsam aufsetzen. Das ließ ich jedoch ganz schnell wieder bleiben, als der Alpha sich über mich stellte. Sein gewaltiger Kopf ein wenig gesenkt. Ich erstarrte mal wieder. Mit angstgeweiteten Augen starrte ich zu ihm hoch, als er langsam näher kam. Schnell presste ich die Augen zusammen, sein riesiges Maul so aus der Nähe betrachten zu können, ließ Flashbacks an die Begegnung im Wald aufkommen.
Doch erneut traf mich statt dem erwarteten Biss etwas ganz anderes. Eine raue, schlabbernde Zunge, die mir einmal quer durchs Gesicht fuhr, bevor sich der monströse Wolfskörper einfach auf mir niederließ, darauf achtend mich mit seiner gewaltigen Körpermaße nicht zu zerquetschen.
Ein angeekelter Laut entfuhr mir und ich riss die Augen auf. Hechelnd lag der riesige Wolf auf mir und sah mir direkt in die Augen. Dann schoss seine Zunge erneut vor und mein Gesicht verzerrte sich angewidert.
Das sollte der gefährliche Alphawolf sein? Wo war das Monster, das ich erwartet hatte? Ich fand mich hier nämlich nur ungläubig einem schlabbernden, schweren Riesentier gegenüber.
,,Levan!'' Ich hob meine Hände schützend vor mein Gesicht und drehte den Kopf weg. Ein großer Fehler, wie mir eine Sekunde zu spät bewusst wurde.
Der Wolf über mir erstarrte, ich spürte die Anspannung in seinem Körper. Ein leises, aber unglaublich tiefes und kehliges Knurren entwich ihm. Mein Herz schien vor Schreck einen Stillstand zu erleiden.
Wie dumm war ich eigentlich? Levan hatte mich doch schon in der Schule damals, als ich noch nicht wusste, dass es sich dabei um ihn handelte, davor gewarnt, meine Kehle ihm nicht so zu zeigen. Und was machte ich jetzt? Drehte meinen Kopf schön zur Seite, sodass er einen einwandfreien Blick darauf bekam.
Mit rasend schnell klopfendem Herzen spürte ich, wie seine Schnauze sich meinem Hals nährte. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen, aus Angst, dass seine Zähne mich versehentlich ritzen.
Sein heißer Atem prallte gegen meine empfindliche Haut und ich hielt den Atem an. Ich dachte, meine Lunge und mein Herz kollabierten gleich, als sich etwas feuchtes gegen meine Halskuhle drückte und seine Zunge auch noch provozierend über meine Halsschlagader fuhr. Würde er mich jetzt beißen? Das würde ich nicht überleben. Einen Wolfsbiss an dieser Stelle konnte man gar nicht überleben. Ich hoffte, Levan und sein Wolf waren sich dessen bewusst. Auch in diesem Vollmond-Zustand.
,,Levan'', flüsterte ich flehend und zu meiner unendlichen Erleichterung entfernte sich Levans Schnauze knurrend mit einem Ruck wieder von meinem Hals. Ich atmete leise auf und drehte meinen Kopf schwer schluckend wieder zu ihm um.
Seine Augen waren geschlossen, als würde er einen inneren Kampf mit sich ausfechten und ich konnte nur hoffen, dieser Kampf würde zu meinen Gunsten ausfallen. Mit einem letzten Knurren vergrub der mächtige Wolf seinen riesigen Kopf vorsichtig in meinem - seinen Pulli. Er kuschelte sich richtig ein und winselte dabei wieder leise.
Oh. Mein. Gott. Ich wusste nicht wirklich, was ich mit dieser unerwarteten Wendung anfangen sollte, streckte aber instinktiv vorsichtig meine Hand aus und berührte sein dichtes, schwarz glänzendes Fell. Wir zuckten beide zusammen.
Der Wolfskörper regte sich absolut nicht mehr, ich glaubte sogar, zu hören, wie er die Luft anhielt. So als fürchtete er, wenn er auch nur einen winzigen Muskel bewegte, würde meine Berührung wieder enden. Aber dazu fühlte es sich nach dem ersten Moment fiel zu schön an. Langsam ließ ich meine Hand über sein Fell gleiten und irgendwann konnte der anscheinend ziemlich verschmuste Alpha ein wohliges, genießerisches Brummen nicht mehr zurück halten. Mich störte es jedoch nicht. Im Gegenteil, ein kleines Lächeln zauberte sich auf meine Lippen.
Ich wollte mich aufsetzten, um eine bequemere Position zu finden, was Levan wohl merkte, denn mit einem unzufriedenen Laut rappelte er sich auf, nur um sich dann schwerfällig hinter mich fallen zu lassen und mich mit seinem gewaltigen Körper einzurollen. Zögerlich und überaus vorsichtig ließ ich mich wieder zurück sinken, gegen seinen Bauch nun. Die neue Position fand ich gleich viel bequemer. Auf ein erwartungsvolles Brummen hin, legte ich meine Hand wieder auf sein Fell und begann erneut es zu streicheln, sehr viel sicherer diesmal. Levan schnurrte zufrieden, was mich leise kichern ließ.
Da waren keine Gedanken mehr an Monster, Jäger oder alles, was sonst noch so zu klären war. In diesem Moment gab es nur Lev und mich. Und mir fiel auf, wie sehr ich die Nähe zu dem großen Wolf nach dem ersten Schrecken genoss.
Konnte etwas, was sich so gut und richtig anfühlte, wirklich falsch sein?

Alaska Legends - Alpha Levan  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt