,,Lev - Levan, jetzt warte doch mal!'' Hastig stolperte ich ihm hinterher und tat dabei alles, um die Decke an Ort und Stelle festzuhalten. Endlich blieb er mitten auf dem Flur stehen und fuhr zu mir herum. ,,Geh zurück ins Zimmer, Jallyne, und bleib da.''
Mir klappte beinahe der Kiefer auf. ,,Was?'' Entrüstet erwiderte ich seinen Blick. ,,Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?''
Mit ein paar schnellen Schritten war Levan bei mir, seine Augen bohrten sich unnachgiebig in meine, während seine Arme sich aber sanft um mich legten und mich hochhoben. Erschrocken kiekste ich auf, wehrte mich aber nicht dagegen.
,,Bitte'', sagte er leise und gefühlvoll. ,,Ich will nicht, dass dir etwas passiert oder du auch nur irgendetwas siehst, was nicht für deine Augen gemacht ist.''
,,Was meinst du damit?'' Ich runzelte die Stirn, während ich zu ließ, dass er mich zurück ins Zimmer trug und sanft auf dem Bett ablegte.
Seine Augen waren ernst und hart, doch ich erkannte die Sorge dahinter, auch, weil ich sie durch das Band zwischen uns zu mir überschwappen spürte. ,,Jallyne, ein Kampf wir unvermeidlich sein. Es wird Blut, Verletzte und auch Tote geben. Das solltest du nicht sehen.''
Ich schluckte schwer, Angst keimte heftig in mir auf. ,,Aber meine Mum, Katy, du -‚''
Er schenkte mir ein winziges Lächeln, das wohl beruhigend sein sollte. ,,Katania wird hier bleiben und nicht mitkämpfen, und ich bin der Alpha, mir wird nichts passieren.'' Auch wenn er sehr von sich selbst überzeugt und sicher klang, linderte das meine Sorge nicht. ,,Und was deine Mutter angeht, ich werde versuchen, sie zu erwischen und auszuschalten, ohne, das sie ernsthaft verletzt wird.''
,,Wie willst du das machen?'', wollte ich wissen, nicht ganz so überzeugt von seinem Plan, falls man das überhaupt so nennen konnte. Außerdem fürchtete ich, dass Levan dabei verletzt werden würde, schließlich würde meine Mum ihm sicherlich nicht diese Nachsicht entgegenbringen. Und wie sollte es danach überhaupt weiter gehen? Das war alles so kompliziert. Am einfachsten wäre es natürlich, wenn Mum einfach ihre Tätigkeiten als Jäger einstellen würde, aber das war eine naive Vorstellung, die höchst unwahrscheinlich war.
,,Mach dir keine Sorgen, mir fällt schon was ein.'', gab Levan zuversichtlich von sich und stahl sich noch einen schnellen Kuss, bevor er zurücktrat. ,,Versprich mir nur, dass du dieses Haus nicht verlassen wirst.'', forderte er eindringlich.
Ich nickte nach kurzem Zögern. ,,Ich verspreche es - wenn du versprichst, dich nicht töten zu lassen.'' Ich hatte noch hinzufügen wollen, und das meiner Mum nichts passiert', ließ es dann aber bleiben. Das konnte ich nicht von Lev erwarten oder gar verlangen. Und auch nicht von anderen Werwölfen, sollte meine Mum einen ihresgleichen umbringen. Es fiel mir immer noch schwer, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass meine Mum eine Mörderin war. Auch wenn sie das vermutlich ein wenig anders sah. Aus ihrer Sicht vernichtete sie schließlich nur Monster und keine richtigen Menschen. Aber das waren sie. Werwölfe waren auch Menschen. Und das machte meine Mum schuldig. Dagegen konnte ich nichts sagen.
,,Ich verspreche es.'' Lev hob die Mundwinkel. ,,Liegt schließlich auch in meinem eigenen Interesse.''
,,Lev, ich...ich..ähm'', stotterte ich und wich seinem Blick aus. Ich wollte ihm meine Gefühle für ihn gestehen, auch wenn er sie wahrscheinlich schon durch das Band spüren konnte. Ich wurde rot. Auch wenn es so sein sollte, wollte ich sie dennoch laut aussprechen. Ich wusste, das es bessere und eindeutig romantischere Zeitpunkte gäbe, aber auch wenn Lev mir seine Versicherung gegeben hatte, dass ihm nichts passieren würde, wollte ich es dennoch einmal gesagt haben. Nur war es einfacher gedacht als gesagt.
,,Sag es mir, wenn ich zurück bin.'' Lev schien zu wissen, was ich sagen wollte. Gerade als ich darauf etwas erwidern wollte, klopfte es und die Tür ging auf. Katy betrat den Raum und betrachtete uns mit gehobener Augenbraue. ,,Ich störe euch beide ja wirklich ungern, aber Levan wird im Rudelhaus erwartet. Wenn ich euch erinnern darf, wir könnten jeden Moment angegriffen werden.''
Sie registrierte meine spärliche Bekleidung mit einem amüsierten Blick. ,,Wobei ihr natürlich auch erstmal an Welpen arbeiten könnt, ich bin sicher, die Jäger besitzen genug Respekt, um euch bei der Fortpflanzung nicht zu stören. Also macht ruhig weiter.''
Während ich feuerrot wurde, schnaubte Levan gereizt. ,,Jetzt ist nicht die Zeit für deine Scherze, Katania. Pass auf Jallyne auf, bis ich zurück bin. Ich werde euch sicherheitshalber noch zwei Wächter abstellen, auch wenn ich nicht denke, dass sie bis hierhin durchkommen sollten.''
Katy verdrehte die Augen, während sie zum Kleiderschrank ging. ,,Keine Sorge, Bruderherz, Jal ist bei mir in besten Händen.'' Sie schob die Schiebetüren auf und holte nach einem kurzen kritischen Blick hinein eine Leggins und einen weiten Pulli raus sowie Unterwäsche. Damit drehte sie sich wieder zu uns um und kam aufs Bett zu. ,,Du kannst jetzt übrigens gehen, ich bin da und du wirst erwartet.''
Lev knurrte sie genervt an, bevor er mir einen letzten sehnsüchtigen Blick zu warf. ,,Ich bin bald wieder zurück, meine kleine Mate, und dann machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben.'' Widerwillig ging er zur Tür und verschwand nach einem weiteren Blick zu mir.
Knallrot sah ich zu Katy auf, die ihrem Bruder kopfschüttelnd hinterher gesehen hatte und mir nun die Klamotten zu warf. Während ich zögerlich die Decke los ließ und hastig in die Unterwäsche schlüpfte, fiel Katys Blick auf meine Markierung. Ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. ,,Na endlich. Habt ihr euch schon Namen überlegt?''
,,Was?'' Ich zog die Augenbrauen zusammen, während ich mir die Leggins anzog und den Pullover überstreifte.
,,Na, eure zukünftigen Welpen. Ich bin ja für Kayne und Faye.'' Sie kicherte, während sie sich aufs Bett fallen ließ, jedoch noch in der gleichen Sekunde wieder mit einem angewiderten Aufschrei aufsprang. ,,Ah, ihr habt es hier ja gerade erst drinnen getrieben!'' Hektisch untersuchte sie ihre Klamotten. ,,Hab ich mich da irgendwo reingelegt? Sieht man etwas?''
Ich lachte herzhaft, während ich die Decke mehr oder weniger ordentlich zurücklegte.
Katy ließ von ihrer Suche nach nicht vorhandenen Flecken ab und sah zur Couch, bevor sie mich anschaute und auf sie zeigte. ,,Kann ich mich darauf setzen oder ist die ebenfalls....benutzt worden?'' Dabei bildete sich eine hauchfeine Röte auf ihren Wangen. Ihre Wortwahl belustigte mich und ich biss mir grinsend auf die Lippe. Bilder kamen in mir hoch, wie ich auf ihr gelegen hatte, Lev über mir und er mich in die Polster gedrückt hatte, kurz davor mich zu markieren...
Ich räusperte mich. ,,Nein, sie ist frei von jeglichen Substanzen. Du kannst also gerne Platz nehmen.'' Immer noch grinsend folgte ich ihr und ließ mich auf den Sessel daneben fallen, auf dem Lev gesessen hatte.
Abwartend erwiderte ich Katys neugierigen Blick. Sie überschlug die Beine und lehnte sich zu mir vor. ,,Also?''
,,Also was?'', wiederholte ich fragend.
,,Na, die Namen?'' Gespannt sah sie mich an.
,,Oh'', machte ich unbegeistert. Was sollte dieses Thema immer wieder? Ich war verdammt nochmal erst Siebzehn und wollte nicht schon über Kinder nachdenken! ,,Nein, noch keine in Aussicht. Lev hat mir aber auch schon seine Ideen mitgeteilt.'' Ich hoffte, damit würde sich Katy zufrieden geben und das Thema wäre vorbei. Zumindest erstmal. In drei Jahren konnte sie von mir aus dann wieder damit anfangen, aber vorher wollte ich davon eigentlich nichts mehr hören.
,,Kann ich mir vorstellen. Aber seien wir doch mal ehrlich, Kayne und Faye sind doch viel bessere Namen für einen zukünftigen Alpha und eine vermutlich zukünftige Luna als Lexon und Jayne. Auch viel süßer und dennoch gleichzeitig cool.'' Erwartungsvoll sah sie mich an, erwartete meine Zustimmung.
Ich schnaufte, nicht sicher ob ich jetzt lachen oder weinen sollte. ,,Dann am besten gleich Kayne und Jayne, nicht wahr? Hört sich sogar fast gleich an.'', meinte ich ironisch, was Katy aber nicht so aufzufassen schien.
,,Nein, nein. Kayne und Faye. Ein starker, mächtiger Name für den Alpha - Alpha Kayne, hört sich viel besser an als Alpha Lexon, aber das hast du ja gerade auch eingesehen. Und dann hört sich aber für die kleine Schwester und vermutlich die Mate eines anderen Alphas, da sie ja aus einer Alphalinie stammt, Luna Faye viel besser und niedlicher und gleichzeitig erhabener an als Luna Jayne. Findest du nicht?'' Katy ging richtig darin auf.
,,Äh'', brachte ich nur sprachlos hervor. Ich hatte eigentlich nun wirklich nicht vor, mit ihr darüber zu diskutieren. Wie sind wir überhaupt darauf gekommen und so darin verstrickt worden?
,,Das siehst du auch so, richtig?'', hakte Katy nach und ich lachte aufgesetzt. ,,Weißt du, wo wir gerade so davon reden, das etwas in meinem Bauch wächst, spüre ich tatsächlich einen wachsenden Hunger. Können wir uns vielleicht etwas aus der Küche holen?'' Das nannte ich mal einen fließenden, geschickten Übergang. Stolz klopfte ich mir innerlich selbst auf die Schulter. Galante Krisenumschiffung mit Jallyne Hill.
,,Oh, klar.'' Katy erhob sich und zusammen verließen wir das Zimmer.
In der Küche schnippelte ich einfach etwas Obst, während Katy ins angrenzende Wohnzimmer ging, um schon mal einen Film rauszusuchen, den wir gleich schauen würden, schließlich konnten wir ja nicht raus.
Ich war gerade dabei die Küche zu verlassen, als ich mit einem männlichen Körper beinahe kollidierte. Erschrocken schrie ich auf und stolperte ein paar Schritte zurück. Der Mann vor mir zuckte, als wollte er nach mir greifen, behielt dann aber doch seine Hände bei sich. ,,Ich bitte um Verzeihung, Luna, ich wollte Sie nicht erschrecken.'', erklang eine tiefe Stimme und ich schaute in sanfte braune Augen. ,,Alpha Levan hat mich beauftragt, ihre Sicherheit zu gewährleisten, ich bin Deyas.''
Ich beruhigte mich langsam wieder, mein Herz schlug schnell in meiner Brust. ,,Jallyne, freut mich.'' Ein wenig unsicher überlegte ich, ob ich ihm die Hand geben sollte. Und wie ich das überhaupt mit dem großen Teller in meinen Händen machen sollte.
Sein Blick fiel ebenfalls auf den Obstteller und er machte Anstalten ihn mir abzunehmen. ,,Soll ich Ihnen den nicht besser abnehmen, Luna Jallyne?''
Ich bemühte mich, um ein freundliches Lächeln. ,,Nein, danke, ich komme schon klar. Und bitte nur Jallyne, ohne dieses Luna.''
Deyas runzelte die Stirn, behielt seinen höflichen, nichtssagenden Ton aber bei. ,,Ich fühle mich wirklich schlecht Ihre Bitte ablehnen zu müssen, aber es ist mir nicht gestattet, Sie nur beim Vornahmen zu nennen.''
Ich seufzte. ,,Wenn du meinst.''
Ich ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wo ich Katy mit genervtem Gesichtsausdruck sitzend vor fand. Auf meinen Blick hin verdrehte sie die Augen. ,,Lev hat uns die Zwillinge geschickt. Elaya und Deyas. Und während du gerade den netten Bruder kennengelernt hast, durfte ich mich mit dem nervigen Macho-Bruder herumschlagen.''
Ich sah mich auf ihre Worte hin um. ,,Wo ist der denn?''
,,Schauen, ob alle Fenster und Türen geschlossen sind.'' Erneut verdrehte sie Genervtheit vorgebend die Augen, doch ich hatte das kurze Funkeln in ihnen gesehen. Schien so, als würde sie diesen Elaya doch nicht ganz so übel finden, wie sie versuchte vorzugeben.
Ich unterdrückte ein Grinsen und passenden Kommentar dazu und nickte nur. Ihren Mate hatte Katy ja noch nicht gefunden.
,,Wenn Elaya aber genauso gut aussieht wie Deyas -‚'' Ich konnte meinen Satz nicht beenden, da Katy mir aufknurrend dazwischen fuhr. ,,Denkst du darüber nach, meinen Bruder zu betrügen?'', keifte sie mich aufgebracht an und ihre Augen glühten golden auf.
Abwehrend hob ich eilig die Hände. Den Teller hatte ich zum Glück schon auf dem Couchtisch abgestellt. ,,Gott, nein, natürlich nicht. Ich habe doch nur gesagt das ich ihn gutaussehend finde, das sind viele Typen. Es ist nur eine schlichte Feststellung, mehr nicht.'', verteidigte ich mich. ,,Ich will nichts von ihm oder sonst jemanden.'', beteuerte ich danach gleich nochmal, um Katy zu überzeugen. ,,Nur Levan.''
Katy nickte, wieder versöhnlich gestimmt, und hob zwei Filme hoch. ,,Okay, was meinst du - Action oder Kitsch?''
Ich zog die Nase kraus. ,,Action.''
Katy lächelte. ,,Ganz mein Geschmack, wobei Kitsch manchmal auch ganz lustig ist. Es ist meistens so lächerlich, das es einfach nur amüsant ist.'' Sie stand auf und ging zum Fernseher, um den Film einzulegen. Mit der Fernbedienung in der Hand ließ sie sich zurück neben mich in die Polster der Couch fallen. Sie wollte gerade den Film starten, als die Tür aufging und Deyas den Raum betrat. Statt dem höflich-distanzierten Ausdruck trug er nun einen genervten und abwertenden zur Schau. ,,So ist das also. Während die anderen sich auf den Kampf vorbereiten, macht ihr es euch hier gemütlich und schaut kitschige Schnulzen.'' Sein abwertender Blick fiel auf mich. Bitte?. ,,Ich meine, bei der menschlichen Luna ist das nachvollziehbar, aber bei der Schwester des Alpha?'' Provozierend betrachtete er Katy, die um Ruhe und Kontrolle bemüht die Hände zu Fäusten ballte und seinen Blick giftig erwiderte. Ich runzelte die Stirn, scheint so, als wäre Deyas doch nicht so freundlich wie gedacht.
,,Du kannst meinem Bruder - deinem Alpha - dein Anliegen ja gerne vortragen, Elaya, ich bin gespannt auf seine Reaktion.'', schoss Katy spitz zurück und machte hintergründig klar, dass das ganz sicher nicht gut für ihn ausgehen würde. Elaya, nicht Deyas. Das war also der andere Bruder. Ich musterte ihn neugierig. Er sah Deyas wirklich zum Verwechseln ähnlich, bei genauerem Hinsehen erkannte man aber, dass Elaya noch einen Tick muskulöser und breiter gebaut war. Außerdem wirkte er viel härter und nicht so freundlich wie sein Bruder. Sein ganzes Auftreten war anders.
Elaya kam mir viel unsympathischer vor als sein Zwilling. Seine Mate hatte sicherlich nicht gerade das große Los mit ihm gezogen. Aber vielleicht musste man ihn auch einfach nur besser kennenlernen und wurde überrascht?
,,Das ist mir dann doch zu viel Aufwand.'', entgegnete Elaya gelangweilt und Katy knurrte mit golden leuchtenden Augen. Oh oh. Wieso hatte Lev uns so jemanden wie Elaya geschickt? Er schien nicht gerade eine angenehme Gesellschaft zu sein. Elaya verschränkte die Arme und durchbohrte uns mit seinen Blicken. ,,Wegen euch kann ich nicht mitkämpfen.'', warf er uns tatsächlich vor und Katy sprang auf und zeigte aufgebracht mit dem Finger auf ihn. ,,Pass auf wie du mit uns redest, Elaya! Nicht, dass Levan noch davon erfährt und dich dafür bestrafen wird, du kennst die Rudelgesetze - zolle deiner Luna und der Familie deines Alphas Respekt.'', während sie ihm drohte, stolzierte sie auf ihn zu und piekste ihm zu guter Letzt mit ihrem Zeigefinger in die Brust. Ihre feurigen Blicke durchstachen sich gegenseitig, keiner wollte nachgeben und die Augen abwenden, sie schienen nicht mal zu bemerken, wie dicht sie beieinander standen. Ich fühlte mich fast schon peinlich berührt, dabei zu zusehen, weswegen ich auch den Blick abwandte. Ein bisschen Privatsphäre sollte ich ihnen lassen. Denn auch wenn sie sich gegenseitig angifteten und aufstachelten, schienen dennoch auch ganz andere Funken zwischen ihnen zu sprühen. Nur würde das ganz sicher keiner von beiden jemals zugeben. Vielleicht sollte ich mal in Erfahrung bringen, wie alt Elaya war und ob er schon seine Mate gefunden hatte. Katy war noch siebzehn, ab Achtzehn konnte man seinen Mate normalerweise finden. Elaya wirkte ebenfalls noch ziemlich jung, vielleicht-
Ein lautes Heulen erklang und ich schreckte zusammen. Auch Katy und Elaya fuhren auseinander. Der junge Mann spannte sich an. ,,Der Angriff hat begonnen.''
Deyas erschien im Türrahmen und schaute ernst seinen Bruder an. ,,Es geht los, wir sollten wachsam und vorbereitet sein, Elaya. Hör auf, die beiden jungen Damen zu verärgern.''
,,Ist ja schon gut.'', nuschelte Elaya und hob abwehrend die Hände, während er die Augen verdrehte. ,,Ich gehe mal schauen, ob ich was sehen kann, bleib du bei den beiden Grazien.'' Letzteres spottete er, bevor Katy ihn dafür jedoch anmotzen konnte, war er schon im Flur verschwunden. Mich hatte Elayas Verhalten zwar genervt, aber seine Worte hatten mich nicht wirklich getroffen oder provoziert. Ein wenig erinnerte er mich sogar an Kiyan - nur noch gemeiner und weniger unterhaltsam.
,,So ein Idiot'', murmelte Katy aufgebracht und entspannte langsam wieder ihre Hände.
,,Ich entschuldige mich für meinen Bruder.'', meinte Deyas pflichtschuldig, doch ich wank ab. ,,Du musst dich nicht für ihn entschuldigen. Du kannst nichts für sein Verhalten.'' Wäre ich jetzt Kiyan, hätte ich noch so etwas wie ,manche Hunde sind eben besser erzogen als andere' hinzugefügt oder so. Ich vermisste ihn und seine stichelnden, provozierenden, aber humorvollen Kommentare wirklich. Vor allem in solchen Situationen. Wobei bei ihm immer eine fifty-fifty-Chance war, ob sie die Situation jetzt ent- oder verschärften.
Ich griff nach der Gabel und spießte mir etwas Obst auf. Danach schaute ich wieder zu Deyas. ,,Meinst du, hier wird wirklich ein Jäger herkommen und wird das Rudel es schaffen?''
,,Daran zweifle ich nicht. Unser Rudel ist nicht schwach und der Angriff hat uns nicht spontan getroffen, sondern wir konnten uns darauf vorbereiten.'', antwortete er fest und überlegte einen Moment. ,,Was einen direkten Angriff auf dieses Haus angeht, bin ich mir nicht sicher, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht.''
Ich nickte verstehend, während Katy sich wieder neben mich fallen ließ und ebenfalls nach dem Obst angelte.
,,Wie lange dauert so ein Kampf?'', erkundigte ich mich besorgt, in meinen Gedanken bei Levan.
,,Unterschiedlich.'' Deyas zuckte mit den Schultern. ,,Manchmal geht es ganz schnell und manchmal dauert er ein wenig länger. So oft sind wir aber auch noch nicht mit den Jägern konfrontiert gewesen.'' Ich nickte wieder.
Die nächsten Minuten herrschte Stille. Bis plötzlich lautes Knurren und Poltern von irgendwo über uns erklang. ,,Elaya!'', gab Deyas von sich und wollte schon losstürzen, bis ihm auffiel, dass er uns nicht einfach so alleine lassen sollte. ,,Geht in den Bunker im Keller!'', wies er uns hektisch an und ich sah ihn und Katy mit einem Ernsthaft-Blick an. ,,Hier gibt es einen Bunker, wirklich? Und das ist euch nicht früher eingefallen?''
Katy schüttelte den Kopf. ,,Den gibt es nur im Rudelhaus, aber jetzt wo du es sagst, sollte Levan wohl nochmal einen einbauen lassen.'' ,,Und warum sind wir dann nicht im Rudelhaus in dem Bunker?'', fragte ich voller Unverständnis.
,,Weil du meinem Bruder das Gehirn weggevögelt hast.'', entgegnete Katy trocken und ich wollte gerade etwas erwidern, als von oben ein dumpfer Knall ertönte und wir alle besorgt nach oben zur Decke schauten. Das Knurren war verstummt.
,,Verdammt'', murmelte Deyas und schnappte sich kurzerhand unsere Handgelenke, um uns hinter sich her zuziehen. ,,Einen Keller gibt es hier aber, also versteckt ihr euch dort jetzt.''
,,Was geht der Idiot auch einfach alleine rum. Hat sich wohl ein bisschen überschätzt, der Gute.'', knurrte Katy leise, doch ich konnte in ihrer Stimme einen leisen Anflug von Sorge erkennen, den sie nicht hatte verbergen können.
,,Beeilt euch!'', drängte Deyas und schaute nach hinten, während er uns einen kleinen Stoß Richtung Kellertür gab. Seine Augen leuchteten Golden.
,,Geh schon'', erwiderte Katy ebenfalls mit glühenden Augen und zog mich das letzte Stück hinter sich her, während Deyas sich nach einem letzten Blick zu uns umdrehte und Flüche vor sich hin murmelnd seinem Bruder zu Hilfe eilte.
Hektisch öffnete Katy die Tür und gerade als sie sie aufziehen wollte, zischte plötzlich etwas an mir vorbei und traf sie an der Schulter. Ich schrie auf und taumelte zurück, während Katy schmerzerfüllt eine Mischung aus Knurren und Aufjaulen von sich gab. Ihre Hand fuhr zu der blutenden Wunde und sie keuchte schwer. Wir drehten uns beide um.
Meine Augen weiteten sich. ,,Mum!'', entfuhr es mir, als ich die Frau in der schwarzen Lederkluft erkannte, die auch schon Kiyan getragen hatte und anscheinend Jäger-Standart-Kleidung war. Mit auf Katy gerichtetem Lauf stand sie mit einer Waffe in der Hand ein paar Meter von uns entfernt. Ihre Augen eiskalt, ihr Gesichtsausdruck steinhart.
Ich zog die Augenbrauen zusammen, eine Mischung aus Entsetzen und Angst erfüllte mich. ,,Was tust du, Mum?'', flüsterte ich und versuchte Katy irgendwie zu stürzen, deren Gesichtsfarbe unnatürlich blass geworden war und die ein wenig wankte. Sie ließ sich zu Boden sinken und hielt sich die Schulter. Ihre Lippen waren verbissen aufeinander gepresst. Wieso heilte sie nicht? ,,Jägerkraut'', knurrte sie angestrengt, Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.
Natürlich.
Ich war hin und hergerissen. Sollte ich versuchen Katy zu helfen und irgendwie die Blutung zu stillen oder mich auf meine Mum konzentrieren?
Ich sah zurück zu ihr, der Lauf ihrer Waffe zeigte immer noch auf Katy. Ihr Finger lag am Abzug und ich fürchtete, sie würde gleich wieder schießen. ,,Was machst du?'', schrie ich sie an, überfordert mit der Situation. Ich fühlte mich hilflos, kein schönes Gefühl. Würde ich mich jetzt zwischen den Werwölfen und meiner Mutter entscheiden müssen?
,,Dich retten!'', gab sie laut zurück. Ihren Blick unentwegt auf den immer schwächer werdenden Werwolf neben mir. Verdammt, dieses Jägerkraut hatte es ja ganz schön in sich. In Filmen kämpften die alle immer noch weiter, wenn sie angeschossen wurden, das schien aber irgendwie in der Realität nicht der Fall zu sein. Oder es lag einfach daran, dass das Jägerkraut den Organismus eines Werwolfs viel schneller lahmlegte, als eine normale Kugel bei einem normalen Menschen. So oder so, Katy lief die Zeit davon - und mir damit auch.
,,Wovor?'', schrie ich zurück. ,,Mir geht es gut, siehst du das nicht?! Ich muss nicht gerettet werden.''
,,Du hast dich viel zu sehr von den Werwölfen benebeln und einlullen lassen! Egal, was sie dir versucht haben weiszumachen - glaub ihnen nicht. Sie sind Monster!'', versuchte Mum auf mich einzureden und trat einen Schritt auf mich zu. Ich stellte mich sicherheitshalber abschirmend vor Katy. Ihre eigene Tochter würde sie jawohl kaum einfach niederschießen. So schlecht war unser Verhältnis dann doch nicht - hoffte ich.
,,Wieso glaubst du das?'', fragte ich um Ruhe bemüht. Wenn ich jetzt durchdrehte, verschlimmerte ich alles nur. Wo waren eigentlich die Wolfs-Zwillinge? Es war oben verdächtig still geworden.
,,Ich werde nicht zulassen, dass sie dich auch töten!'', versprach Mum, während sie noch einen Schritt näher kam.
Ich blinzelte mit den Tränen in den Augen. ,,Wieso glaubst du, dass sie mich töten werden?'' Ich schluckte. ,,Ich bin die Mate ihres Alphas, der mich liebt. Er würde nie zulassen, dass mich jemand verletzt.''
Mum lachte kalt auf. ,,Wie naiv und närrisch bist du, das zu glauben?'', höhnte sie. ,,Es spielt keine Rolle, ob du ihre Mate bist, oder nicht. Es hält auch deinen eigenen Mate nicht davon ab.''
Ich runzelte die Stirn, langsam ging mir etwas auf. Ich hatte das Gefühl, langsam dahinter zu kommen, woher ihr tiefgründiger Hass ruhte. Dahinter musste sich wirklich noch eine alte Geschichte aus der Vergangenheit verbergen. Das war nicht nur, weil mein Vater in diesem Krieg getötet worden ist oder andere Familienmitglieder. Nein. Da war noch etwas anderes, viel entscheidenderes. ,,Hattest du einen Mate, Mum?'', fragte ich vorsichtig.
Sie lächelte verbittert. ,,Nein, nicht ich. Aber Paige. Meine ältere Schwester.''
,,Du hattest eine Schwester?'' Ich erinnerte mich an ein Foto, mit dem ich sie mal in ihrem Schlafzimmer auf dem Bett hatte sitzen sehen und auf dem zwei junge Mädchen abgebildet waren. Konnte es sein, das-
,,Sie hatte einen Werwolf als Mate, sie war gerade mal Sechszehn, als er sie fand. Wir waren zusammen im Park, dann kam er plötzlich, seine Augen haben so schrecklich geglüht.'', erinnerte sie sich. ,,Er hat sie einfach gepackt und mitgenommen. Ich konnte nichts dagegen tun. Erst als ich weinend Zuhause ankam und meinen Eltern davon berichtete, erfuhr ich von den Werwölfen und was das bedeutete. Sie sagten, Paige wäre verloren und vermutlich schon längst tot. Ich habe dennoch jeden Tag gebetet, dass sie zurückkommen würde.'' In ihren harten Augen schimmerten Tränen, als sie gedanklich in der Zeit zurückreiste und sie wiedererlebte. In meinen ebenfalls. ,,Ich habe sie ein paar Tage danach tatsächlich wiedergesehen. Sie war viel dünner als vorher, schrecklich blass und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Und ihre Augen...sie waren so leblos und leer. An ihrem Hals war ein Bissabdruck und sie hielt sich immer wieder den Bauch. Sie hat nur ein paar Wörter gesagt, bevor sie wieder verschwand, aber ich erinnere mich bis heute an jedes. ,,Sie sind Monster, Lorena! Monster!'' ,,Er hat gesagt, ich würde ihm alles bedeuten...aber er hat mir so weh getan - es tut so weh.'' und die letzten Worte, die sie je gesagt hat ,,Vergib mir, aber ich kann nicht..'' . Am Tag darauf fand man ihre Leiche. Selbstmord.'' Ihr Gesicht versteinerte wieder, von dem tiefen Schmerz, der sich gerade noch in ihren Augen widergespiegelt hatte, war nichts mehr zu sehen. ,,Er hat sie umgebracht. Der Werwolf, der sie hätte lieben und beschützen sollen, hat sie in den Tod getrieben. Sie sind Monster, verstehst du es jetzt endlich, Jallyne?''
,,Nein'', kam es gepresst hinter mir und sowohl ich als auch meine Mutter richteten unsere Blicke auf die am Boden an der Wand lehnenden Werwölfin. ,,Damals gab es das Gesetz noch nicht. Wir haben unsere Fehler eingesehen und gelernt die Wildheit in uns zu kontrollieren.'', sagte sie undeutlich und atmete dabei schwer. Es strengte sie sichtlich an. Ihr Blick hob sich und erwiderte den mitleidlosen meiner Mum. ,,Außerdem'' Ihre Mundwinkel hoben sich freudlos. ,,Sterben wir doch selber mit unseren Mates. Es lag also in keinem Fall Absicht dahinter - was keine Entschuldigung sein soll.''
,,Halt den Mund, Wolf!'', fuhr meine Mutter sie aufgebracht an und fuchtelte mit ihrer Waffe herum. ,,Ich werde nicht zulassen, dass ihr mir auch noch meine einzige Tochter nimmt!'' Ihre Augen trafen wieder auf meine und ein flehender Ausdruck lag in ihnen. ,,Bitte, Jallyne. Komm mit mir zurück. Stell dich nicht auf die Seite der Monster, lass sie dich nicht töten.''
Ich schluchzte leise auf. ,,Es tut mir leid, Mum...aber ich kann nicht.'' Mir war nicht bewusst, wie falsch diese Wortwahl zu dem Zeitpunkt war. Nicht klar, dass es fast die selben letzten Worte waren, die Paige zu ihrer Schwester gesagt hatte, bevor sie Selbstmord beging. Mir war in dem Moment nicht ersichtlich gewesen, was für eine Reaktion das bei meiner Mutter auslösen würde.
Für einen Moment schloss Mum resigniert ihre Augen, als sie sie wieder öffnete, hatte sich ihr Gesicht wieder verhärtet und ein endgültiger Ausdruck hatte sich in ihre Augen gelegt, auch wenn ich dahinter eine Spur von Bedauern und Schmerz ausmachen konnte. Ich runzelte verwirrt die Stirn. ,,Mum?'', fragte ich leise erstickt, als der Lauf der Waffe plötzlich zu mir über schwenkte. Ich erstarrte.
,,Es tut mir leid, Jallyne. Ich wünschte, ich müsste das nicht machen.'' Sie schüttelte ganz leicht den Kopf, bevor ihr Finger sich am Abzug anspannte. Ich war sprachlos, gelähmt. Ich konnte nicht sagen, welches Gefühl gerade überwog; Schock, Angst oder Unglaube. Mein Kopf setzte aus, mein Herz schien einen Stillstand zu erleiden, als ihr Finger sich bewegte. Ich schloss die Augen.
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Alaska Legends - Alpha Levan
Dla nastolatkówIn der malerischen Kleinstadt Valdez soll Jallyne eigentlich ein ruhiger Neuanfang erwarten, fernab von den Problemen, die sie in ihrer Heimatstadt Louisville zurückgelassen hat. Doch schon an ihrem ersten Tag wird klar, dass Jallyne's neues Leben...