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Wie fühlt es sich an, ausgelesen worden zu sein?
Jeder neue Schüler wird am ersten Tag in der High School einer Musterung unterzogen, die von Schülern vollzogen wird, die sich geradezu einer Gottheit gleichsetzen.
Am Ende des Tages wird man dann in eine Schublade gesteckt.
Es ist wie in all diesen Filmen - Man gehört entweder zu den Nerds, den Sportlern, den Gangstern oder den Losern.
Aus dieser Schublade kommt man dann, egal, wie sehr man versucht, sein Image aufzupolieren, nicht mehr heraus.
Ich, Hazel Roberts, musste es ja wissen.
Ich war nämlich einer dieser Loser. Und so fühlte ich mich auch.
Ich war eine Sportkatastrophe, hatte kaum Freunde, war nicht sonderlich hübsch und war generell sozial eher abgeschirmt.
Meine Wochenenden verbrachte ich am liebsten damit mein Couch-Potato Dasein auszuleben und bei etlichen Filmen mitzusprechen - Meine Lieblinge kannte ich bereits auswendig.
Meine Mum arbeitete Nachts als Krankenschwester und verausgabte sich Tagsüber mit weiteren Minijobs.
Mein Dad war schon vor meiner Geburt an einem plötzlichen Herzinfarkt gestorben.
Darüber kam meine Mum nie richtig hinweg, weshalb sie keinen neuen Partner in ihrem Leben haben wollte und ich niemals Geschwister bekam.
Deshalb war ich Zuhause fast immer allein.
In der High School lief es, wie man sich denken konnte, auch nicht besser.
Wie gesagt, ich war ein Loser und wurde auch wie einer behandelt.
Zu allem Überfluss hatte irgendwer das Gerücht verbreitet, meine Mum würde Nachts in einem Club strippen.
Natürlich stimmte das nicht. Meine Mum war die ordentlichste Frau, die ich kannte und ihre Prinzipien waren unumstößlich.
Vielleicht geriet ich deshalb, trotz meiner Einsamkeit, nicht auf die schiefe Bahn - weil ich wusste, wie sehr ich sie damit enttäuschen würde.
Eines Tages verkündete mir Mum, dass Onkel Hugh, den ich nie kennengelernt hatte, gestorben war und ihr seinen Landsitz in Yorkshire vermacht hatte.
Dann hieß es für uns: Auf nach England!
Denn weder ich, noch meine Mum hatten hier in New Jersey etwas, was uns halten konnte.
Wir fühlten uns spontan und impulsiv und das hatte irgendwie seinen Reiz. Ich fühlte mich wie ein Teil eines Filmes - Nur würde ich diesmal nicht die Loserin sein, sondern die geheimnisvolle, neue Protagonistin bei der alle Schlange stehen würden.
Spoiler: Filme blieben nunmal Filme und ich blieb nunmal ich.
Traurig aber wahr.

Trotzdem: Onkel Hughs Haus war der Hammer!
Viel größer, als ich es gewohnt war.
Ich konnte sogar über den Kastenfernseher und den nicht vorhandenen Handyempfang hinwegsehen.
Wen sollte ich auch schon anrufen?
Meine Mum war hier und meine Grandma lebte hinter dem Mond und hatte keinen Telefonanschluss.
Und mehr Leute gab es nicht in meinem Leben.
Alles in allem war ich froh hier zu sein.
Ich dachte mir: Neue High School neues Glück!
Wie sehr man sich doch täuschen konnte.
An meiner Schule, der Blossom High, war nämlich rein gar nichts neu.
Es gab die selben Machos, die die neuen in Schubladen steckten, die selben Nerds, Sportler, Gangster und Looser.
Ich.
Nichts hatte sich verändert.
Ich war verzweifelt und fragte mich dennoch, wie ich so naiv sein konnte, zu glauben, irgendetwas könnte anders sein.
Ich sah in den Spiegel und war mir sicher, dass niemand in mir je etwas anderes sehen konnte, als eine Loserin. Ich selbst konnte das ja nicht einmal.
Ich hatte rotes, viel zu dünnes Haar, dass irgendwie keiner richtigen Frisur entsprach, eine viel zu lange sommersprossige Nase und ein Mondgesicht.
Außerdem hatten meine Augen die Farbe eines wässrigen blaus.
Meine Figur war normal mit einer Tendenz zu knochig, ich war kein Mensch mit sonderlich viel Appetit und hatte zudem eine Stoffwechselstörung.

An diesem Abend in England, nach einem Anflug von menstrual bedingter Melancholie, kniete ich mich wie ein kleines Mädchen auf mein Bett, den Kopf zum Fenster geneigt, und sprach zu dem größten aller Sterne dort am Himmelszelt.

Warum kann ich nicht jemand anders sein? Ich wünschte, ich hätte eine Chance!

Loser with a ChanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt