"Kann es sein, dass du auf meinen Bruder stehst, Elery?", wagte ich mich zu fragen.
"Natürlich", antwortete sie, als wäre es selbstverständlich und fügte hinzu:"Das weißt du doch. Du wolltest mir doch mit ihm helfen."
Oh.
"Achja, genau. Tut mir leid, ich bin heute voll vergesslich. Bin irgendwie ziemlich durch den Wind.", erwiderte ich schnell und stützte meinen Kopf auf meine Hände.
"Du wirkst heute wirklich wie ausgewechselt. Aber jeder hat mal einen miesen Tag"
Ausgewechselt traf es tatsächlich ziemlich gut. Wenn sie nur wüsste...
"Danke für dein Verständnis"
"Immer gerne"Auch, wenn sie Anfangs einen eher oberflächlichen Eindruck auf mich gemacht hatte, beschloss ich, Elery zu mögen.
Sie war verständnisvoll und redete Nadine, beziehungsweise mir, gut zu.
Kein Mensch war perfekt, aber jeder hatte eine gute Seite.Außer natürlich Nadine, sie war perfekt.
So wirkte sie zumindest.
Aber ich wusste wohl besser als viele, wie sehr der Schein trügen konnte."Ich muss schonmal los. Ich hab jetzt Sport und Mr. Turner sagte, dass wir heute etwas früher anfangen. Bis Später!",sagte Elery irgendwann und stand auf.
"Ja, bis Später", antwortete ich automatisch und lächelte sie an.
Sie lächelte zurück und verließ anschließend die Cafeteria.
Es waren nur noch 20 Minuten bis zur nächsten Stunde und ich hatte noch nichts gegessen.
Hier gab es heute Lasagne, die ich aber nur sehr sehr ungern hätte essen wollen.
Lasagne in der High School schmeckte nie, das wusste jeder.
Also holte ich mir das, was alle Vegetarier hier essen mussten: Käsesandwiches.
Wer weiß, vielleicht war Nadine ja sogar Vegetarierin.
Ich setzte mich allein an einen Tisch und begann zu essen.
Das Sandwich war okay, besser als ich erwartet hatte.
Doch eine Nadine Hosterman blieb natürlich nicht lange allein an einem Tisch.
Denn nach kurzer Zeit nahm ich ganz nebenbei wahr, dass sich mir gegenüber zwei Leute an meinen Tisch setzten.
Ich schaute auf und sah Ian, der mich skeptisch musterte.
Gleich neben ihm saß ein Mädchen, dass ich sehr gut kannte.
Zu gut.
Es hatte rote Haare und verweinte Augen.
Das Mädchen war ich - Hazel Roberts.
Mit dieser Wendung hatte ich nicht gerechnet.
Die Frage war nur, wer da in meinem Körper vor mir saß.
War es so eine seltsame double-Version von mir, die Ian aus irgendeinem unerfindlichen mit sich rumschleppte?
Eher nicht.
War heute Freaky Friday?
"Ich bin Nadine und jetzt gib mir sofort mein Leben zurück!", sagte mein Körper vor mir und verzog meine schmalen Augenbrauen wodurch ich beziehungsweise Nadine wirklich sauer aussah.
Jap, heute war wohl Freaky Friday... Nur, mit dem Unterschied, dass wir heute Dienstag hatten.
"Ich weiß nicht, wovon du sprichst.",versuchte ich es und wusste zeitgleich, dass diese Ausrede absolut dumm und schnell zu durchschauen war.
"Wir wissen, dass du diese neue bist... Hazel", sagte Ian mit vor Missbilligung gerauter Stimme.
Ich seufzte. Tja, das war wohl wirklich schnell durchschaubar.
"Äh... Wovon sprecht ihr bitte?", fragte ich, obwohl ich wusste, dass es nichts bringen würde.
Ich war aufgeflogen.
"Wir sollten das nicht hier bereden, sonst werden wir allesamt in die Klapse gebracht, weil irgendwer denkt, wir hätten zu oft Freaky Friday geschaut", sagte Ian und seine Wut wich einem kleinen Schmunzeln.
Als Nadine ihn jedoch mit Blicken fast tötete war seine Miene wieder neutral.
Wir standen auf und verließen die Cafeteria. Leider konnte ich mein Sandwich nicht aufessen.
Wir gingen in ein leeres Klassenzimmer und schlossen die Tür.
"Also Hazel oder wie auch immer du heißt... Was zur Hölle hast du getan?", fragte Nadine und versuchte angestrengt ihre Wut nicht durchschimmern zu lassen.
"Woher weiß er eigentlich davon? Warum glaubt er dir, dass du das in meinem Körper bist?", wich ich ihrer Frage aus und deutete auf Ian.
"Sie hat mir etwas über mich erzählt, was nur meine Schwester wissen kann", antwortete er.
Das machte Sinn.
"Ich habe dich was gefragt, Hazel: Was hast du getan?", fragte Nadine wieder giftig.
"Ich hab einen Stern gesehen und mir eine Chance gewünscht.", antwortete ich ehrlich. Immerhin würden sie es mir eh nicht glauben.
"Aha und dann dachtest du dir: Ich kann ja mal Nadine Hostermans Leben stehlen, oder wie?", erwiderte Nadine wutschnaubend.
Ich lachte.
"Klar, warum sollte ich es auf dich abgesehen haben? Ich bin erst seit gestern auf dieser Schule. Ich kenne dich doch gar nicht"
"Na und?"
"Was, na und?"
"Du musst mich doch nicht kennen, um neidisch zu sein."
"Ich bin nicht neidisch!", antwortete ich wahrheitsgemäß. Sie war beliebt und ich nicht, aber trotzdem.
»Neidisch« klang so negativ behaftet.
"Wirklich? Schau doch allein mal in deinen dummen Kleiderschrank und vergleiche ihn mit meinem. Dein Leben ist erbärmlich!", fauchte sie.
Ich schluckte.
"Wenigstens habe ich nicht so einen bösartigen Charakter wie du!". Mein Leben war erbärmlich, aber wenn sie mir, einem Mädchen, das sie kaum kannte, das ins Gesicht sagte musste sie charakterlich komplett abgehärtet sein.
Keine Skrupel.
"Ich habe keinen bösartigen Charakter! Frag meine Freunde oder die Cheerleader. Ich bin ein guter Mensch!". Während sie das sagte, hatte ich den Eindruck, sie würde eigentlich nicht mich, sondern sich selbst davon überzeugen wollen.
Zu ihrer Person fiel mir plötzlich ein Zitat aus Harry Potter ein, das wie die Faust aufs Auge passte.
"Wenn du wissen willst, wie ein Mensch ist, dann sieh dir genau an wie er seine Untergebenen behandelt, nicht die Gleichrangigen.",zitierte ich.
"Jaja, sehr poetisch", sagte sie und verdrehte die Augen, eine Geste, die ich mit meinem Körper nicht allzu oft machte, weshalb es für mich sofort fremd aussah.
"Das ist aus Harry Potter, richtig?", fragte Ian und lächelte schief.
Dieses Lächeln ließ meinen Atem für einen Moment stoppen.
Ian sah gut aus, das konnte ich wirklich nicht verleugnen.
Eine Blonde Sturmfrisur und dazu die selben grünen Augen, wie seine Schwester.
"Ja ist es. Harry Potter ist cool.",antwortete ich.
"Ja", erwiederte er und für eine Sekunde verlor ich mich wieder in seinen Augen.
Es musste seltsam für ihn sein, wenn seine Schwester ihn so ansah.
Von anderen Mädchen hingegen war er es vermutlich gewohnt.
Nadine zerstörte diesen Moment jedoch:"Und Hazel: Mach mich bloß nicht fett, nur weil du meinst irgendein Zeug in dich reinzustopfen."
Kurz spielte ich mit dem Gedanken heute absichtlich Junk Food in großen Mengen in Nadines Körper zu stopfen.
Aber für sowas Böses war ich nicht abgebrüht genug.
Letztlich hätte ich nur ein schlechtes Gewissen.
Also eine klare Lose-Lose-Situation.
![](https://img.wattpad.com/cover/240020586-288-k370145.jpg)
DU LIEST GERADE
Loser with a Chance
ChickLitDie High School - Die beschissenste Zeit unseres Lebens. Hazel Roberts ist eine Loserin, ein Sonderling, der nirgendwo reinzupassen scheint. Als sie durch eine verwunderliche Schicksalsfügung jedoch den beliebten Ian Hosterman kennenlernt, begreift...