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Ich lief die Treppe zum Esszimmer herunter, und versuchte in meine Rolle zu schlüpfen.
"Guten Morgen Mum, guten Morgen Dad"
"Morgen, Schatz" antworteten sie synchron.
Ich setzte mich an den runden Tisch, um etwas zu essen.
Hier gab es typisches britisch breakfast. Das war super!
"Ich muss jetzt los. Walker ist krank. Deshalb muss ich heute früher bei der Arbeit sein, um alles vorzubereiten.",sagte Mr. Hosterman genervt.
Er gab seiner Frau einen Kuss und strich anschließend liebevoll über Nadines Kopf.
Bevor er raus zu seinem Auto ging, rief er nochmal hoch zu Ian:"Komm nicht wieder zu spät, Junge. Bis heute Abend!"
"Bis dann, Dad", hörte man Ians Stimme gedämpft antworten.
Ein zu-spät-Kommer also.
So einen konnte ich als Bruder echt nicht gebrauchen.
Aber mein Aufenthalt in diesem Körper und somit in dieser Familie würde ja hoffentlich nichts dauerhaftes sein.
Ich mochte mich zwar nicht sonderlich, aber NICHT ich zu sein machte mir irgendwie auch Angst.

Nachdem Ian gefühlte drei Jahre später endlich fertig war und Mrs. Hosterman uns zur Schule fuhr, wusste ich nicht recht, was ich sagen sollte.
Wenn ich mit meiner Mum Auto fuhr redeten wir entweder oder hörten Musik.
Aber hier war absolute Stille.
Echt komisch.
Irgendwann durchbrach Mrs. Hosterman die Stille:"Na, was habt ihr heute so vor?"
"Ich gehe heute ins Kino. Da läuft dieser neue Film:"Tenet".",antwortete Ian genervt.
Cool, in "Tenet" wollte ich auch noch unbedingt rein. Der sollte gut sein, ein wahres Christopher Nolan-Meisterwerk!
"Und du Nadine?", fragte Mrs. Hosterman nun spezifischer.
Uhm...jaa... Was hatte Nadine heute vor?
"Ich äh... Mal schauen", antwortete ich mehr schlecht als Recht. Oh man...
Mrs. Hosterman schaute mich ungläubig durch den Innenspiegel an:"Keine Pläne?"
"Nö eigentlich nicht", antwortete ich schulterzuckend.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, genau die falsche Antwort gegeben zu haben.
Ian schaute mich von der Seite an und hob eine Augenbraue in die Höhe.
"Gibt's heute etwa keine To-Do Listen? Hast du Fieber oder so?"
To-Do Listen? Nadine war also so eine Art Mensch, die einen durchgetakteten Tagesablauf brauchte, ein organisierter Mensch - Ich war das absolut nicht.
"Naja, ich will mal etwas neues ausprobieren. Ich lasse den Tag einfach auf mich zukommen", versuchte ich zu begründen.
"Okay?", erwiederte Ian und wandte den Blick wieder ab.

Als wir an der Schule ankamen suchte ich in Nadines Schultasche nach ihrem Stundenplan.
Ich fand ihn schließlich in ihrem penibel geführten Bullet Journal.
Erst Mathe, dann Musik, Englisch und Sport.
Das müsste ich hinkriegen.
"Bis später", Verabschiedete Ian sich von mir und ging dann seiner Wege.
Auch ich machte mich auf den Weg zum Unterricht.
Auf dem Weg zum Matheraum zwinkerten mir ein paar Typen, die ich nicht kannte, zu und einige Mädchen, die ich ebenso wenig kannte, umarmten mich freundschaftlich.
Irgendwie fühlte ich mich bedrängt.
Ob Nadine sich manchmal auch so fühlte?
Oder war sie diese Aufmerksamkeit dafür schon viel zu sehr gewohnt?
Vielleicht genoss sie es ja sogar.
Im Matheraum angekommen (oh Wunder, denn eigentlich war mein Orientierungssinn grauenvoll) hoffte ich einfach, dass es keine festen Sitzplätze gab und jeder sich dort niederlassen konnte, wo er wollte.
Woher sollte ich denn auch bitte wissen, wo Nadine saß?
Immerhin hatte sie laut ihrem Stundenplan gestern, am ersten Schultag nach den Ferien, schon Mathe gehabt und hatte sich ja vielleicht schon einen Platz ausgesucht.
Darauf konnte ich aber leider keine Rücksicht nehmen.
Ich setzte mich einfach nach vorne, damit ich nichts verpasste.
Als Hazel hätte ich mich vermutlich ganz hinten verschanzt, aber als Nadine war ich irgendwie selbstbewusster.
Wenige Minuten später trudelte auch der Rest des Kurses sowie die Lehrerin ein.
Die ganze Stunde lang versuchte ich einfach stumm mitzuschreiben.
Ich wollte nicht auffallen - Niemand sollte denken, dass mit Nadine heute irgendetwas nicht stimmte.

Loser with a ChanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt