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Am nächsten Morgen öffnete ich die Augen, nur damit sich mein Magen kurz danach zusammenkrampfte.
Nicht vor Hunger, sondern vor Sorge.
Gleich musste ich in die Schule. Super!
Ich rieb mir die Augen, um richtig wach zu werden, hielt jedoch in der Bewegung inne.
Irgendwas war komisch...
Aber was?
Mit meinen Fingerspitzen fuhr ich vorsichtig über meinen Wimpernkranz.
Nur konnte es unmöglich MEIN Wimpernkranz sein.
Hatte Mum mir etwa im Schlaf fake Lashes aufgeklebt?
Nein, Mum hasste Streiche, das konnte also nicht sein.
Schnell stand ich auf und steuerte den Spiegel über meinem Schreibtisch an.
Er war nicht da.
Und das hier war auch nicht mein Zimmer!
Was zur Hölle...
Wo war ich und wie bin ich hier hergekommen?
Ich suchte die Wände nach einem Spiegel ab, fand jedoch keinen.
Dafür gab es aber eine Menge Fotos.
Ich betrachtete sie näher.
Auf den meisten Fotos war ein zierliches Mädchen mit blondem Pferdeschwanz zu sehen - Nadine Hosterman, eine super beliebte Cheerleaderin aus meinem Jahrgang.
Jeder an unserer Schule kannte sie.
Aber was machte ich in ihrem Zimmer?
Das machte doch alles keinen Sinn!
Ich hasste es, wenn ich den Plot eines Films nicht durchblickte... Genau so kam ich mir jetzt gerade vor.
Ich trat aus dem Zimmer heraus, um nach dem Badezimmer zu suchen.
Jede Familie hatte einen Spiegel im Badezimmer.
Irgendwann hatte ich es gefunden und es wirkte überraschend alt.
In dem Raum dominierten große, braune Fliesen.
Und ich lag richtig: Hier gab es einen Spiegel!
Ich schaute hinein und war geschockt.

Oh!
Mein!
Gott!

Ich war nicht nur in Nadines Haus.
Ich war Nadine!
Ihre Grünen Augen starrten mich geschockt aus dem Spiegel heraus an.
Oh. Mein. Gott.
Ich kniff mir in den Arm.
Das könnte einfach nicht wahr sein, ich steckte einfach in irgendeinem verrückten Traum fest. Sowas nannte man, luzides Träumen, glaube ich.
Ein Traum, in welchem man sich darüber bewusst ist, dass man nur träumt.
Ich kniff mir nochmal in meinen - Pardon, in Nadines Arm.
Es zwickte, aber darüber hinaus geschah nichts.
Plötzlich entdeckte ich an der Seite des Spiegels einen kleinen, pinken Post-IT.

"Hier ist deine Chance. Mach was draus."

Das konnte doch nicht wahr sein... Sowas gab es einfach nicht.
Hatte der Stern mich tatsächlich erhört?
Es kam mir albern vor, das überhaupt in Erwägung zu ziehen.
Immerhin war ich schon 16 Jahre alt und glaubte nicht mehr an die Zahnfee oder dergleichen.
Aber ich stand hier nun, als Nadine Hosterman.
Ich hatte wirklich absolut keine Erklärung dafür.
Außer natürlich die mit dem Stern, aber die ließ ich als Realistin nicht als "Erklärung" gelten.
Ich atmete einmal tief durch.
Auf die Dusche würde ich heute wohl verzichten. Ich wollte Nadine wenigstens ein bisschen Privatsphäre lassen.
Aber manche Sachen würden sich nicht vermeiden lassen. Das folgende zum Beispiel nicht: denn allmählich meldete sich meine (Nadines) Blase.
Ich beschloss, es schnell hinter mich zu bringen und nicht hinzusehen.
Das funktionierte zum Glück.
Anschließend kämmte ich Nadines Haare und wusch ihr Gesicht.
Außerdem entfernte ich die Fake Lashes vom Vortag und zog mich um, wobei ich auch die Augen schloss.
"Hey, Nad, ich muss da rein.",sagte plötzlich eine tiefe, verschlafen klingende Jungenstimme vor der Tür.
"Bin sofort fertig", antwortete ich reflexartig.
Kurz fragte ich mich, wer das da draußen war.
Es konnte nicht Nadines Vater sein, dafür klang die Stimme zu jung.
Doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen:
Es war ihr Bruder, Ian Hosterman.
Genau genommen waren sie Zwillinge.
Auch er war natürlich super duper beliebt.
Da ich noch nicht lange auf der Blossom High war, war das einzige, was ich über ihn wusste, dass er hübsch war.
Trotzdem hatte ich nicht vor, ihn wie die anderen Mädchen es taten, ununterbrochen anzuhimmeln.
"Jetzt mach bitte die Tür auf."
"Jaja, eine Sekunde"
Natürlich dauerte es nicht nur eine Sekunde. Das war doch nie so.
Trotzdem dauerte es nicht lange, bis ich schließlich fertig war und die Tür öffnete.
"Guten Morgen", sagte er und ich fügte ganz automatisch hinzu:"Und wenn wir uns nicht mehr sehen, guten Tag, guten Abend und gute Nacht."

Loser with a ChanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt