Tina

39 3 1
                                    



Mein Vater hatte meiner Mutter wieder Mal eine schallende Ohrfeige verpasst weil sein Omelett seiner Meinung nach zu salzig war. Normalerweise schlug er sie nur, wenn er getrunken hatte. Das er diesmal gleich in der Früh damit anfing war neu. Ich hatte schon oft versucht ihn davon abzuhalten und es hatte immer gleich geendet: Ich hatte ebenfalls eine Ohrfeige kassiert.
Und ganz egal wie oft ich meine Mutter anflehte sie sagte jedes Mal wieder: "Er ist ein guter Mann. Er meint es nicht so." Wenn ich daraufhin wütend wurde und sie anschrie wie dumm sie war, dass sie bei einem Mann blieb der sie, und mich, so schlecht behandelte, dann wurde sie ebenfalls wütend und schrie mich an, ich solle erst einmal einen Mann finden, einen Mann der für ein Haus und Essen auf dem Tisch aufkommen konnte.

Mittlerweile versuchte ich gar nicht mehr ihre Meinung zu ändern.

Stumm nahm ich meine Sachen und verschwand. Ferien waren immer das Schlimmste weil ich nicht in die Schule flüchten konnte. Ich lief oft den ganzen Tag ziellos durch die Gegend und überlegte mir was wäre wenn...
... mein Vater kein alkoholsüchtiger Schläger wäre
... meine Mutter einmal in ihrem Leben Courage zeigen würde
... ich ein komplett anderes Leben hätte

Der Tag, an dem ich John kennen lernte, war einer dieser Tage. Ich lief durch die Stadt und hatte gerade eine Pause auf einer Bank im Park gemacht. Total versunken in meine Musik bemerkte ich nicht wie ein Ball unaufhaltsam auf mich zuflog und voller Wucht gegen meinen Kopf prallte. "Entschuldigung. Ist alles in Ordnung bei dir?" Lässig joggte John zu mir. Nach dem ersten Schreck antwortete ich: "Jaja alles gut" und versuchte mich wieder auf meine Musik zu konzentrieren. "Hey bist du nicht in meinem Mathe Kurs?" fragte mich John und ich betrachtete ihn zum ersten Mal genauer.
Wir kamen ins Gespräch und ab diesem Zeitpunkt lief ich nicht mehr alleine durch die Stadt. John begleitete mich regelmäßig und wir wurden Freunde.

Wir hatten gerade das erste Jahr an der High School beendet und ich kannte niemanden in der Schule. Ich war eine Einzelgängerin, auch wenn ich gerne mehr wie die coolen Cheerleader wäre. Eines Abends spazierten wir durch den Park und ich erzählte John, dass ich gerne das genaue Gegenteil von der Person wäre die ich war. "Dann ändere dich doch" war Johns wenig hilfreicher Vorschlag. Ich musste lachen "Und wie soll ich das deiner Meinung nach machen?" fragte ich. "Naja fang doch mal mit deinen Klamotten an." Ich sah an mir herunter und vielleicht hatte John Recht. Ich trug nur schwarz. Ausnahmslos. Schwarze Schuhe, schwarze Hose, schwarzes Oberteil und sogar ein schwarzer Lippenstift auf den ich eigentlich sehr stolz war, da er die Aufmerksamkeit meiner Mutter auf mich lenkte. Die meiste Zeit ignorierte sie mich, da sie mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hatte, deswegen war jedes bisschen Aufmerksamkeit von ihr ein Wunder für mich.

Und an diesem Abend fasste ich den Entschluss mich "einfach zu ändern". Ich arbeitete schon lange in einer Eisdiele in der Stadt und hatte genug Geld gespart um meinem Kleiderschrank ein bisschen Farbe zu verleihen. Ich änderte meinen Kleidungsstil, lernte fleißig, fing an ins Fitnessstudio zu gehen, und als ich sportlicher geworden war, bewarb ich mich bei den Cheerleadern, die mich aufnahmen, und fand so neue Freunde und den Anschluss in der Schule. John half mir, mich in ein besseres Ich zu verwandeln und während dieser Verwandlung wurde er mein Freund. Er half mir außerdem, als mein Vater starb, was für mich bei weitem nicht so schlimm war wie für meine Mutter, und sorgte damit dafür, dass ich nicht wieder in alte Muster verfiel.

Bis heute glaube ich, dassJohn der Grund dafür ist, dass ich heute so bin wie ich bin. Selbstbewusst,sportlich und mit einem Ziel für mein Leben. Wäre er damals nicht gewesen weißich nicht wo ich heute stehen würde. Er hat meine Narben durch etwas Funkelndesersetzt und egal wie weh sein Verrat tut, dafür werde ich ihm auf ewig dankbarsein.

Drei SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt