Opalgrün wie Mr. Forest

23: Stille Versprechen

Das leere Tablett stand auf dem Boden, die Teller hielten sie in der einen Hand und die Gabel führten sie beladen mit dem Essen immer wieder zu ihrem Mund. Als Florin vor ihr fertig war (obwohl seine Portion fast doppelt so groß war wie ihre), fragte sie mit leerem Mund: "Wie ist das eigentlich mit den geschärften Sinnen und der Körperkraft?" Und wie schafft er es, eine so große Menge an Essen so schnell zu verschlingen und dabei nicht auszusehen, wie ein wirkliches Tier?

Er stand auf, holte zwei Wassergläser, setzte sich wieder und trank kurz drei große Schlucke bevor er antwortete: "Es ist alles wesentlich verstärkt. Ich rieche zum Beispiel den penetranten Geruch einer Duftkerze, die Mom unten angezündet hat. Hier in der Wohnung ist es leicht alles wahrzunehmen und zu differenzieren, aber je weiter weg die Duftquellen sind, desto schwerer wird es sie zu definieren. Meistens konzentriere ich mich auf einen angenehmen Geruch, damit ich mich nicht ablenken lasse."

Alenia trank ebenfalls von ihrem Glas, Florin räumte die Teller und das Tablett weg, er stellte sie einfach auf den Küchentresen nahe der Tür. Die Gläser fanden ihren Platz auf der Kommode neben der Fensternische. Sie kuschelte sich wieder an die Polster und suchte gleichzeitig auch die Nähe zu Florin. Er breitete eine Decke über sie aus.

"Das wird beim Hören wohl genauso sein oder? Heute, als dein Onkel kam, habt ihr das Auto schon gehört, oder als ich vor der Tür stand ohne zu klingeln und du sie aufgerissen hast. War das jetzt mit Colin auch so? Du hast ihn gerochen und gehört, oder?" Al sah wie zum Beweis zur Tür.

"Ja, aber da ist noch etwas anderes, was wir als Werwölfe können. Je nachdem wie nahe wir einander stehen, können wir die Gedanken des anderen lesen. Du hast es heute schon bei Isa und Seb mitbekommen, wie sie kommuniziert haben. Für Sebastian ist das noch ziemlich neu, aber obwohl du keine Ahnung davon hattest, hast du ihm wunderbare Tipps gegeben. Es ist eigentlich nichts anderes als geistig offen für die Worte des anderen zu sein."

Dies war mitunter das coolste, was sie bis jetzt erfahren hatte. Aus diesem Grund packte sie seine Hand und verlangte: "Erzähl mir mehr! Wie ist das bei dir? Ist es wie Gedankenlesen, geht das immer? Kannst du es mit jedem aus deinem Rudel? Hörst du wirkliche klare Worte oder ist es mehr ein Gefühl? Und ist es die Stimme des anderen, oder eine mechanische, wie die Frau bei Google maps?"

Er lachte leise und beantwortete in Ruhe alle ihre Fragen. "Ich kann nur Sätze auffassen, die an mich bestimmt sind. Also ich gehe nicht durch den Raum und höre die Stimmen der anderen. Es ist wie ein großer Mind-Link, ein eigenes Kollektiv auf das unser Rudel zugreifen kann. In der Familie ist es eine einfache Sache, das geht sehr nebensächlich. Bei weniger engem Kontakt und größerer Distanz, kann es ganz schön anstrengend sein. Und ja, man hört die Stimme des anderen. Ich verbildliche es mir als Glasscheibe, es gibt Türen, aber die können nur von innen geöffnet werden. Man weiß immer wer gerade etwas von einem will, aber erst wenn man die durchsichtige Türe öffnet, kann man seine Worte verstehen."

Wieder einmal rasten ihre Gedanken; wenn dies bei ihnen so einfach möglich war, in ihrer Menschform, wieso sollte es bei anderen Menschen nicht auch funktionieren? "Ist das etwas das nur Wölfe können? Weil zwischen mir und Sebastian hat es ja auch einigermaßen funktioniert und in meinen Kursen ging das mit Farbe übermitteln auch ganz gut. Oh und, das hast du zuvor bei Colin angewandt?"

Er knabberte an seiner Unterlippe, schien zu überlegen, wie er ihr am Besten antworten konnte. "Ja, Colin hat mir gesagt, dass er das Essen bringt. Und zu dem inwieweit es bei normalen Menschen funktioniert, keine Ahnung. Freya hat mir schon von den Experimenten in deinen Kursen erzählt, manchmal hatte ich wirklich gedacht, du wärst auch ein Werwolf. Vielleicht ein Einzelgänger, der einfach die Menschheit in ihrem Denken ein bisschen weiter bringen will, aber das hätte ich gerochen. Das zwischen Sebastian und dir, das liegt wohl an unserer Verbindung."