32: Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt

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"So, das braucht jetzt drei Stunden!", erklärte Sebastian gerade. Er war mit der ersten Zeichnung fertig, und ließ die Perlen nun aufquellen. Alenia kuschelte die ganze Zeit schon mit Florin und wartete darauf, dass Sebastian fertig war. Die letzte halbe Stunde hatte sie auf den weißen Gips gestarrt und sich in ihrem Kopf vorgestellt, wie sie ihn bemalen könnte.

"Seb, darf ich mir deine Zeichensachen ausborgen?", fragte Al nun. Sie traf einige verwunderte Blicke, erklärte sich sogleich dem kleinen Bruder ihres Freundes. "Aber nur wenn du mir auch etwas frei lässt!", sprach der hellhaarige Junge und hielt ihr die Hand zum einschlagen hin. "Geht klar."

Mit festem Druck schüttelten sie sich die Hände, Sebastians waren ganz bunt, wenig später auch Alenias. Sie saß bequem auf Florins Schoß, seine Hand auf ihren Beinen abgestützt und pinselte vor sich hin. Durch das Verbot, er dürfe nicht schauen bis sie fertig war, schlummerte er den Kopf an ihrem Rücken vergraben, vor sich hin.

Ella war schon längere Zeit in der Küche, Avan war mit Freya hinaufspaziert, Isabella spielte mit Colin Karten, James las ein Buch und Sebastian fertigte eine Skizze für seine nächste Zeichnung. Mit den Acrylfarben pinselte sie die Farbe auf den Gips, sie malte einige Schneeflocken in blau und Lilatönen rund um ihren Schriftzug.

"Darf ich jetzt gucken?", brummte Florin gedämpft. "Gleich!", flüsterte sie mit roten Wangen zurück. Die nächste Zeit legte sie noch besonders viel Wert auf Kleinigkeiten, es war manchmal eine unnütze Sache, aber zum einen war sie eine kleine Perfektionistin (und es sah besser aus) und zum anderen konnte sie so noch etwas Zeit schinden. Ihr Magen zog sich zusammen.

Es war fast die ganze Innenseite des Gipses bemalt und beschriftet. Mittlerweile war alles auch schon getrocknet, da sie sich so mit den Feinheiten auseinandergesetzt hatte. Sie gab den Pinsel in den Becher, starrte auf die Hand. Bald würde er wieder herunten sein, besser so!

"Jetzt!", presste Alenia hervor, bevor sie sich nicht mehr traute oder die vier Wörter übermalte. Wieso war sie gerade so nervös? Natürlich war es schwerer zu schreiben, vor allem da er es die nächsten Tage auf der Hand tragen würde, aber sie wollte nicht den einfachen Weg gehen.

Als er hinter ihrem Rücken hervorkam, sie kurz anlächelte und dann auf seinen Arm sah, wusste sie die Überwindung hatte sich gelohnt. Florin sah mit großen überraschten Augen und einem breiten Strahlen auf den Lippen, das sein Grübchen zeigte, auf den kurzen Satz, der für manche die Welt bedeutete.

Ich liebe dich, alles!

Alenia hatte es sich nicht nehmen lassen, ihr neues Lieblingswort in Verbindung mit Florin anzufügen. Langsam hob er seinen Blick, Alenia kam es vor, als hätte sie noch nie einen solch tiefen Einblick in sein Inneres gehabt. Er strich mit dem freien Arm eine Locke aus dem Gesicht, formte die Worte ebenfalls lautlos mit den Lippen und küsste sie dann.

So gefühlsgeladen hätte sie einen langsamen Kuss nie eingeschätzt, aber ihr würde sicher noch 10 Jahre später das Herz schneller klopfen so wie jetzt, wenn sie daran zurückdenken würde, wie voll dieser Kuss war.

Ihr Herz schien zu platzen, um irgendwie ihren vielen Gefühlen freien lauf zu lassen, rannte ihr eine Träne die Wange hinab. Die weichen Lippen lösten sich immer noch nicht von ihr, als er mit seinem großen Daumen die Träne wegwischte.

Als sie ihn so hier küsste und sich alles in ihr zusammenzog mit dem Wunsch, ihm noch näher zu kommen, beschloss sie so bald wie möglich den nächsten Schritt zu gehen. Al liebte Florin, mit allem was sie besaß liebte sie alles was er hatte, wieso also ihrem Wunsch nicht nachgeben?

Langsam trennten sie sich, er hauchte kleine Küsse auf ihre Wange, sie genoss noch mit geschlossenen Augen das Gefühl und legte sich dann auf seine Brust. Unter der warmen Haut, hörte sie sein Herz ebenso rasen. Alen war sich sicher, dass Florin gerade noch einmal den Gips betrachtete.

Opalgrün wie Mr. Forest Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt