22: Tierische Erkenntnisse

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"Alenia! Was ist los mit dir?", Panik schwang in der Stimme von Florin, als sie seine Hand auf ihrem Rücken wahrnahm. Sie hörte Gemurmel von wegen "Panikattacke!", "nervlicher Zusammenbruch", "Testung von ihren Schauspielkünsten und deren Glaubwürdigkeit." - eindeutig Colin.

Ihre Gedanken flogen immer noch von Erinnerung zu Erinnerung. Freya, die für ein zierliches Mädchen eine immense Kraft hatte, Florin, der so fest stand wie ein Stein, wenn man sich auf ihn schmiss, der schleichende Schritt, als würde er immer auf der Hut sein, oder jemanden jagen. Die unermüdliche Wärme seines Körpers. Dass er eine feine Nase besaß, die sofort wusste, wann Chips gegessen wurden. Die Art und Weise wie sie hier ihr leben führten, eng verwoben mit der Natur und der Familie, wie ein Clan. Ein Rudel... hatte nicht genau dieses Wort Florin bei ihrem ersten Date fast ausgesprochen. Sie musste es wissen, schließlich hatte sie diesen wunderschönen Abend viel zu oft Revue passieren lassen.

Sie presste sich die Hände vor den Kopf, grub die Fingernägel in die Kopfhaut. Am liebsten würde sie sich die Haare raufen, aber die lagen gesichert in dem Zopf.

"Al, tief durchatmen. Komm zurück zu dir!", wieder drangen Florins Worte in sie hinein. Eine Show, sie legte gerade eine zu große Show hin, diese Änderung würde zu keinem Weltuntergang führen. Wobei ein Weltuntergang sowieso hinfällig war, wohin sollte sie denn untergehen? In der Unendlichkeit des Universums? Sie musste sich beruhigen, zu ihrer inneren Ruhe finden um einen anständigen Satz formulieren zu können. Alenia brauchte hier und jetzt Bestätigung.

"Ihr seid Tiere.", hauchte Alenia, die Menschen um sie verstummten sofort, sie verbesserte sich: "Werwölfe." Nun schien jeder seine Fassung verloren zu haben. Sie schienen mit allem gerechnet zu haben, aber nicht mit der Konfrontation der Wahrheit.

"Was? Woher?", stammelte Florin. Er sank neben sie auf die Bank, genauso fassungslos wie sie sich fühlte. Als er zu ihr blickte, schien er sich auf einen Schlag wieder gefasst zu haben. "Bitte, horch mir zu!" Seine Hände griffen nach ihren, Hände die in Sekundenschnelle zu riesigen Pfoten werden konnten.

"Zeig es mir!", bestimmte Alenia. Sie glaubte nicht, jetzt irgendwelche Worte in ihren überfüllten Kopf aufnehmen zu können, aber eine Handlung müsste sie meistern können. Al konnte schlecht die Augen vor der Wahrheit schließen, mit dem was sie sehen würde, müsste ihr Gehirn einfach erneut klarkommen.

Die grünen Augen vor ihr sahen nicht überzeugt aus. "Auf keinen Fall, das ist viel zu gefährlich." Er nahm eine abwehrende Haltung an, was Alenia in diesem Moment fuchsteufelswild machte, oder wolfteufelswild? Schließlich war nicht er derjenige, der gerade erfahren hatte, dass sein Freund und obendrauf noch die komplette Familie, ein Werwölfe waren.

Deswegen platze es aus ihr heraus: "Du stellst hier keine Forderungen, wir gehen jetzt raus und ich sehe mir diese Verwandlung an!" Alenia fühlte sich gut, mit diesen lauten Worten hatte sie ein Ventil für ihre Gefühle gefunden. Zumindest einen Teil der da in ihr tobte.

Alenia stand auf, drückte sich an den stillen Gesichtern der anderen vorbei, sie fegte regelrecht in den Garten. Ihr war egal, dass sie ohne Schuhe hier im Schnee stand, sie hatte nur mehr eines im Sinn: Sie wollte wieder Herrscherin ihrer Gedanken werden, denn diese gaben gerade keine Ruhe, auch nicht als sie sie dazu zwang.

Jeder folgte ihr, sie stand da, starrte auf die Bäume, die anderen schlagenden Herzen hinter ihr. Al drehte sich um, sie war sich sicher, dass sie in diesem Moment, mit nassen Füßen, zitterndem Körper vor Adrenalin und Kälte und wildem Blick, verrückt aussah. Aber es lag keine Verurteilung in den Augen der anderen.

Sie suchte das vertraute Grün, Florin blickte zur Seite. "Du solltest Freya, ich bin zu aufgewühlt und sie wäre mir zu nah." Freya löste sich aus ihrer Familie, ging nah an Al vorbei, es drehten sich alle von Frey weg, sie sahen zurück zum Haus. Nur Avan beobachtete Alenia und seine Freundin. Florin trat nah neben sie, beobachtete aber den Boden.

Opalgrün wie Mr. Forest Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt