Kapitel 23-Simon

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Die Mauer...Miss Muro...
Die riesige, steinerne Erinnerung daran, in einem Vogelkäfig gefangen zu sein, war weg.

Sie war einfach weg.

Nicht. Mehr. Da.

Wo ich früher den Himmel und die Unendlichkeit des Horizonts erwartet hatte, fand ich nun Zerstörung.

Nur die Grundmauern, sowie einige aus den Steinen ragende Metallstangen waren am Knotenpunkt zu sehen, dazwischen befanden sich Sandsäcke, gegrabene Löcher und Schutzgräben, wie man sie von besetztem Grenzgebiet kannte.

Es lagen einige Männer mit Waffen auf der Ostseite, bereit, zu verteidigen wenn sie es mussten.
Von Westlern war nichts zu sehen.

Unsere Ankunft wurde wohl erwartet, denn der Kommandant wartete ein paar Meter hinter dem Loch in der Mauer, dass Herr Wright extra reinschießen lassen hatte.
Ich konnte immer noch nicht glauben, dass der Kommandant der Vater von ihm und Herr Field war.

Das heißt er hat uns die ganze Zeit belogen, betrogen und an der Nase herumgeführt.
Wenn er sowieso vorhatte, West zu zerstören, wieso musste er denn dann überhaupt nach West?
Ist Marius umsonst gestorben?

Mein Hass auf ihn entsprang diesem Gedanken und formte sich zu ungezügelter Wut.

Herr Wright hielt mich an der Schulter fest, als sei ich ein guter Freund dem er bloß den Weg weisen wollte, aber durch meine hinter dem Rücken gefesselten Hände und die zwei Wachen an meiner Seite, konnte ich nicht fliehen.

Mein hasserfüllter Blick lag also auf dem Kommandanten, der mich anscheinend freudig erwartete.

»Simon! Es ist eine Freude, dass du noch lebst.« rief er aus, was mich ihn nur entsetzt anstarren ließ.

Nett, echt nett.

»Herr Kommandant! Eine Schande, dass ihnen noch keine Kugel in den Rücken gejagt wurde.« rief ich zurück, mit bittersüßem Lächeln.
Falls er die Anspielung auf Marius verstand, dann zeigte er das nicht, sondern nickte nur mit bittersüßem Lächeln zurück.

Damit wäre wohl geklärt, wie es zwischen uns stand.

»Erwartet er uns?« fragte Herr Wright, als wir stehen blieben.
Familiäre Wiedersehensfreude sah anders aus, aber was wusste ich schon. Meine Familie war ja tot oder hatte die Seite gewechselt.
Oder war jetzt irgendwo auf dem Weg hierher.

»Ja, er hat unsere Mitteilungen deswegen bestätig und will mit dir reden. Wo ist denn Brosowski?«
Sein Blick wanderte von seinem Sohn zu mir.

Seine Kleidung war zerschlissener, als ich sie in Erinnerung hatte, das blau seiner Haare ausgewaschen und die Narben waren anscheinend nur mehr geworden.

»Er kommt noch. Ich nehme Simon mit zu Präsident Stein und lasse ihn da, sage ihm wir haben Robert und schon hat jeder was er braucht.«

»Guter Sohn.« sagte der Kommandant und grinste stolz, drehte sich dann um und ging vor.

Wir folgten ihm stumm zu einem Transporter, in dem ein bewaffneter Fahrer wartete.
Dass das alles so genau geplant wurde, hinter unserem Rücken, das schockierte mich.

Warum waren wir alle so dumm und hatten uns nur auf das schöne konzentriert? Nein...Rob war von Anfang an misstrauisch, aber ich wollte nicht einsehen, dass uns Gefahr drohen könnte.
Ich wollte nicht hören, ich wollte einfach nichts wissen von weiteren Problemen.

Während wir in dem Wagen saßen und ins Zentrum der Stadt fuhren, sah ich mich neugierig um.

Es war ewig her, seit ich das letzte Mal in West gewesen war.

Die Stadt war kaum betroffen von all der Zerstörung, die der Krieg der Mauer angetan und vermutlich Ost in Schutt und Asche gelegt hatte.

Die Straßen waren leer soweit, nur vereinzelt lief ein Mensch von einem Hauseingang in den nächsten.
Es wirkte verlassen, wie eine Geisterstadt.
Gruselig, denn die bunte Vielfalt, die hohen Glastürme mit Bäumen und die Eleganz der Stadt hatten mir immer am besten gefallen, auch wenn ich ein Sklave war.

»Was ist mit all den Menschen hier?« fragte ich in die Runde, weil ich nicht den Kommandanten selbst ansprechen wollte.

Er schien das zu bemerken, denn er antwortete einfach.
»Sie sind in die hinteren Regionen geflohen in die Hotels und Urlaubsgebiete. Nur das Heer blieb hier um Ost anzugreifen.«

Toll, West flieht und Ost verteidigte sich mit aller Macht.
West lässt kämpfen und Ost kämpft selbst.

»Hat eine Seite denn schon gewonnen?" fragte ich endlich, was mich seit Monaten interessierte.

Es war kurz still, ich sah dem Kommandanten nun wirklich in die Augen.
Er lächelte.

ER. LÄCHELTE.

»Ost, Simon. Dank deiner Hilfe haben wir ein Druckmittel gegen den Präsidenten. Er muss sich ergeben, er weiß, dass er keine Chance hat.«

Ich wurde wieder wütend.
»Präsident Roy findet das sicher nicht gut! Er war immer gegen Gewalt, genau wie sein Vorgänger!«

Der Blick des Kommandanten wurde ausdruckslos.

»Er ist tot.«

»Was?«

»Der Präsident von Ost ist tot. Mir obliegt die Befehlsgewalt.«

Ich starrte ihn nur geschockt an, mehr konnte und wollte ich dazu nicht sagen.

»Wer...« wollte ich fragen, aber sein Blick sagte alles.
Ostrebellen haben den Präsidenten getötet.

Jetzt war wirklich alles verloren.

Ich starrte ins Leere, meine Gedanken überschlugen sich, ich wollte nicht an die Folgen denken, an all diese Toten oder was mich erwarten würde.
Ich wollte bloß zurück in den Wald neben der Mauer, mit Rob auf diesem Stamm sitzen und reden, mich verlieben und von einem besseren Leben träumen.

Genau das tat ich.
Ich erinnerte mich an das was war, um zu verdrängen, was kommen würde.
Ich hatte keine Ahnung was der Präsident von West mit mir tun würde, aber es würde wohl bald passieren.

Die restliche Fahrt zum Parlament verlief ruhig, ich versuchte, mich so wenig wie möglich zu bewegen oder zu regen, damit ich nichts spüren musste; meine Handgelenke spürte ich durch die Fesseln sowieso nicht mehr.

Als wir ankamen stiegen wir aus, ohne wirklich zu reden.

Die ganzen Soldaten, die um Schutz vor dem Gebäude verteilt waren, schienen zu wissen wer wir waren und was wir hier wollten, denn sie beäugten uns misstrauisch, ließen uns aber durch.

Das Parlamensgebäude war von innen genauso riesig wie leer, zwar imposant und ganz nach Westler-Art gestaltet, aber wirkte verlassen.

Einer der Soldaten von draußen führte uns die Treppe hoch zu einem langem Flur, an dessen Ende eine große, weiße Tür war.
Wohl das Büro des Präsidenten.

Der Soldat klopfte, dann wurden wir in den Raum gelassen.

»Guten Tag, meine Herren.« begrüßte der Kommandant die Anwesenden.

Ungefähr sieben Männer saßen an einem langen Tisch, die im Anzug an den Seiten, wohl Berater, und der Mann am Kopfende war unverkennbar der Präsident Stein.

Sie nickten bloß, denn sie schienen zu wissen, was nun kam.

»Meine Herren, hier ist Simon Will. Wie Sie sehen der Sklave von Robert Brosowksi. Es gibt also zwei Möglichkeiten. Ergeben sie sich gleich und verhandeln sie, oder kämpfen Sie und sterben alle.«

Es wurde nur noch stiller im Raum...

Wrong Side-Ewige Liebe [Band 3] || CrispyWill [Beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt