Kapitel 29

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Die ganze Welt war auf einmal Stumm. Nur ein leises Piepen der unausweichlichen Realität war zu hören. Der wahre Schmerz der grausamen, grausamen Realität war mit großen Schritten auf uns zu gerannt. Nichts und niemand kann und wird jemals diese gigantische Lücke in meinem Herzen füllen können. Diese Lücke bleibt. Ein Teil meines Herzes ist an jenem Tage gestorben... Mit Jay...

Ich war weinend in Cats und Theos armen. Wir alle weinten. Allen wurde das Herz zerrissen. Zwei Tage sind nach der Party vergangen und dennoch wurde es kein Stückchen besser. Es wurde Schlimmer. In jeder Minute in der ich an diesen Abend zurück dachte, machte ich mir mehr und mehr vorwürfe, dass es meine Schuld gewesen sei.

Der erste Kuss, das erste Date, das erste mal Sex... Unsere erste gemeinsame Party, unser erstes richtiges Gespräch; Nachts, auf der Treppe vor unserer Haustür. Jetzt, mehr als je zuvor, wurde mir klar, was Jay für eine Tolle und einfach Perfekte Person war. Niemand konnte so sein wie Jay. Und niemanden konnte ich so lieben wie ihn.
Ich werde dieses Datum von dem Abend nie wieder vergessen. Genau so wenig wie unseren Letzten tanz. Seine letzten Worte.

Ich liebe dich.

Uns allen wurde der Boden unter den Füßen weggerissen, nachdem wir dem Krankenwagen in die Notfallaufnahme gefolgt sind. Der Arzt sagte, Jay habe auf dem Hinweg einen Herzinfarkt erlitten und verstarb an Herz und Atemversagen.
Ich wollte; nein, konnte ihm das nicht glauben.
„Sie lügen!" schrie ich mit brüchiger Stimme und nassen Augen.
„Sie lügen!" wiederholte ich es mindestens fünf mal und wenn Clide mich nicht zurückgehalten hätte, wäre ich sogar womöglich noch auf den Arzt drauflos gegangen.
Schließlich saß ich mit blutendem Herzen, weinend und verzweifelt auf einen der Stühle. Wie konnte es nur so weit kommen? Jay konnte einfach nicht tot sein. Er ist doch die Liebe meines Lebens.

Das war er.

„Wir wollen zu ihm!" sagte Theo, schniefte und wischte sich über die Augen.
„Tut mir leid, das geht nicht. Wir müssen erst versuchen seine Eltern zu kontaktieren." sprach der Arzt ruhig und gelassen. Wie konnte er nur so entspannt drauf sein? Ein junger Mann ist gerade eben gestorben und vor ihnen stehen seine am Boden zerstörten Freunde die ihnen nur ein letztes Mal sehen wollen und er?! Er fragt nach seinen Eltern?

„Jay hatte keine Eltern." erklärte Theo mit weinerlicher Stimme. Cat und ich waren Unfähig irgendetwas zu sagen.
„Er war ein Adoptivkind und ist auch dort schon vor langer Zeit abgehauen. Er hatte nur uns. Wir wohnen.... wohnten zusammen."
Der Arzt nickte nur und sah auf sein Klemmbrett.
„Dann mache ich eine Ausnahme. Ihr dürft ihr zu ihm. Aber nicht lange, wir müssen uns um alles weitere kümmern." er sah uns mitleidig an und führte und zu einem Zimmer. Clide und Marisa wollten nicht mit...

Und dort lag er. Auf einem der Betten mit zerrissenem Shirt. Tot. Es sah aus, als würde er nur friedlich schlafen, doch als ihn sah, bebte mein Unterkiefer wieder und Tränen kullerten über meine Wange.
Ich hielt seine Hand und kniete vor seinem Bett.

"Ich liebe dich auch." flüsterte ich ganz leise mit zitternde Stimme zu ihm und schloss für einen Moment die Augen. Ich wollte es immer noch nicht wahr haben, dass... dass er tatsächlich gestorben ist. Nie wieder würde ich seine wunderschönen Augen sehen, nie wieder würde ich seine Stimme hören, die sagt wie sehr er mich liebt. All die wunderschönen und perfekten Erinnerungen werden nichts weiter als Erinnerungen bleiben. Nie wieder kann ich mit Jay ein neues Kapitel in meinem Leben schreiben. Das wars. Das letzte Kapitel mit uns; mit Jay. Das soll also sein Happy End gewesen sein? Der Tod?..

"Was passiert jetzt mit ihm?" fragte ich verzweifelt und sah in die Gesichter meiner Freunde und dem des Arztes, der eben wieder in das Zimmer kam."

"Er wird beerdigt. Da es aber keine direkten Angehörigen gibt, wird Mister Nolan ein Anonymes Grab zugeteilt."

"Anonym? Das heißt, wir werden nie erfahren, wo er begraben sein wird?" fragte Cat aufgelöst und tupfte sich mit einem Taschentuch über die feuchten Augen.

"Ich bedaure. Der Leichnam wird Eingeäschert und die Urne auf einem Wiesengrab bestattet. Dort wird es kein Grabstein oder Namenstafel geben." teilte uns der Arzt mit und blickte in unsere Gesichter. "Aber... Ich weiß selber, dass der Tot eines geliebten Menschen alles andere als leicht zu Überwinden ist. Vielleicht würde auch eine Halbanonyme Bestattung in Frage kommen. Hier wird der Name des verstorbenes auf einer Tafel am Rande des Gräberfelds verzeichnet. So können Angehörige Trauern und Blumen ablegen."

Der Arzt versprach uns, dass er das beste tun würde, was in seiner Macht stand. Wir hatten kein Geld und waren nicht seine Angehörige. Die anonyme Bestattung würde vom Staat bezahlt werden. Dennoch würde der Arzt versuchen sie für eine Halbanonyme Bestattung zu Überzeugen. Und wir alle waren ihn dafür so unendlich dankbar.

Ein letztes mal sah ich zu Jay, gab ihn einen sanften Kuss auf die schon kalten Lippen. Es war ein schreckliches Gefühl zu spüren, dass sein Körper bereits kalt wurde. Zwei ganz besondere Dinge werden mir für immer in meinem Gedächtnis bleiben. Der erste Kuss und der letzte... Ich biss mir auf die Lippen und sah zu, wie sich auch Cat und Theo von ihm verabschiedeten.





Ich hing in Gedanken, als ich von dort wieder in die Realität gerissen wurde. Was war passiert? Cat stand vor mir und hielt mir einen Teller mit Suppe hin. "Hier, bitte." sagte sie mit sanfter Stimme und setzte sich zu mir. "Theo und ich haben uns die auch runtergewürgt. Aber auch du musst etwas essen." Ich schüttelte den Kopf.

"Hab keinen Hunger." murmelte ich und schob den Teller wieder zur Seite.

"Bitte, Tweety." Ich seufzte und nahm mir einen Löffel aus der Schublade und setzte mich wieder in die Küche hin und aß schweigend die Suppe.

Man könnte sagen, das Haus war einfach still. Wir redeten alle nur das nötigste, Clide und Marisa kamen nicht und fast schon vermisste ich Clide's ständig gute Laune. Es war scheiße. Theo und ich bekifften uns bis zum kotzen, setzten uns Schüsse. Und eigentlich war das genau das, was wir nicht tun sollten. Jay ist an Drogen gestorben und wir machten einfach weiter damit. Doch uns blieb keine Wahl. Wir wollten das alles verdrängen. Wenigstens für ein paar Stunden nicht daran denken....

Kopf voll Stoff [Beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt