Kapitel 33

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Angelo pov.

Nach gut zwei Stunden merkte man, dass Damien müde geworden war. Immer öfter stürzte er hin, bei 20 km/h und irgendwann sogar bei 15 km/h. Wir beschlossen also, zum Anwesen zurückzufahren und unser Werk zu betrachten. Dimitri war häufiger gefallen, als ich gedacht hatte. Überall am Körper zierten ihn Schürfwunden. Blut sickerte an ihm herab, und wir beschlossen, ihn erstmal zu säubern und ihm dabei seine gerechte Strafe zuzufügen. Dimitri hatte eine Vorliebe für exotische Fische, speziell Piranhas. Er hielt sie in einem großen Becken, in einem abgetrennten Bereich. Dimitri schubste ihn in das Becken und schloss über seinem Kopf das Metallgitter, das verhinderte, dass er aus dem Becken entkommen konnte. Zwar konnte er sich daran hochziehen und über dem Wasser bleiben, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis ihm die Kraft ausgehen würde. Dimitri ließ die Piranhas los, die sofort vom Geschmack des Blutes angelockt zu ihm schwammen. Von unten umkreisten sie ihn und warteten geduldig, bis er zu ihnen hinunterkam. Dimitri und ich beschlossen nun, dass es an der Zeit war, Damian sich selbst zu überlassen, und verließen ihn.

Mittlerweile war der Morgen angebrochen, und Dimitri und ich beschlossen, noch ein paar Stunden zu schlafen. Dafür bot mir Dimitri ein Gästezimmer an, in das ich mich in die weichen Kissen fallen ließ.

Gegen Mittag traf ich Dimitri wieder beim Brunch. Wir tauschten uns über die Geschäfte aus und sprachen darüber, dass wir eigentlich einen Friedensvertrag zwischen unseren beiden Mafia-Clans schließen könnten. Dimitri versprach, das gleich in der nächsten Ratssitzung zu thematisieren, und war guter Dinge, dass der Deal angenommen werden würde. Wir hatten eine Waffenruhe im Sinn, damit sich der Wirbel, den Dimitri verursacht hatte, langsam legen konnte. Apropos!

Als Dimitri erfahren hatte, dass mein Anwesen von Damians Männern überrannt worden war, hatte er den Befehl erlassen, dass alle, die an dem Angriff beteiligt waren, mit sofortiger Wirkung aus der Mafia ausgestoßen wurden. Auf den ersten Blick klang das nach nicht besonders viel, aber es war Gold wert. Da diese Leute nicht mehr zur Mafia gehörten, waren sie vogelfrei. Das bedeutete, dass sie nicht mehr unter dem Schutz der Mafia standen und jeder mit ihnen tun konnte, was er wollte, ohne von der Mafia Rache dafür erwarten zu müssen.

Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis jeder Einzelne von ihnen von den Menschen erledigt wurde, die noch eine Rechnung mit ihnen offen hatten. Und das waren viele. Vermutlich würde in einer Woche keiner der Angreifer mehr leben.

Den ganzen Tag verbrachte ich noch bei Dimitri und fuhr erst am Abend zurück. Ich musste mich schließlich wieder um die Aufgaben des Capofamiglia kümmern. Ludovico erwartete mich bereits. Auch wenn er es nicht gut gefunden hatte, dass ich einfach verschwunden war, akzeptierte er es kommentarlos. Er wusste, wo ich gewesen war. Es war auch nicht gerade schwer zu erraten. Ich hatte mich an Damian rächen wollen, und da Dimitri mein Freund war, war es klar, dass ich ihn aufsuchen würde. Nun, da ich meine Rache an Damian gehabt hatte, fühlte ich zwar etwas Genugtuung, aber selbst mit seinem Tod wurde die Leere in meinem Innern nicht weniger. Ich fühlte mich verlassen und vermisste Nico mehr, als ich es jemals für möglich gehalten hatte.

Durch Arbeit lenkte ich mich von den negativen Gefühlen ab. Ich arbeitete weiter am Friedensvertrag zwischen den beiden in Sizilien beheimateten Mafia-Untergruppen. Nach einigen weiteren Stunden hatte ich eine in meinen Augen faire Lösung gefunden und schickte sie an die beiden Capos, die unterschreiben sollten. Nachdem das erledigt war, setzte ich mich in den Salon und schenkte mir etwas Grappa ein. Was sollte ich nun tun? Ich fühlte mich unvollständig. Das tat ich sonst nie. Früher wusste ich immer, was ich machen wollte. Aber jetzt starrte ich nur ins Kaminfeuer und überlegte. Normalerweise ging ich in solche Situationen feiern, aber mir war nicht danach. Das erste Mal wollte ich nicht zur Musik tanzen und mit irgendwelchen Partygirls flirten. Lieber saß ich hier vor dem Feuer, trank und versuchte, die vergangene Zeit zu vergessen.

So ging das weiter. Ich erledigte meine Aufgaben als Capofamiglia, erließ Anweisungen zum Wiederaufbau meines Anwesens und traf mich mit dem Rat, um die Friedensverhandlungen zwischen unserer und der slowenischen Mafia zu führen. Ich gab vor, einfach weiterzumachen wie zuvor, aber das tat ich nicht. Innerlich fühlte ich mich tot, ließ keine Gefühle zu und versank in meiner Trauer. Ich hatte versucht, meinen Verlust mit einem Jungen auszugleichen, der im selben Alter war wie Nico und ihm auch ähnelte, aber es war nicht dasselbe. Ich konnte mir nicht mal seinen Namen merken, und jedes Mal, wenn ich ihn sah, erinnerte er mich daran, dass ich Nico verloren hatte und es meine Schuld war. Nach gut einer Woche hielt ich es nicht mehr mit dem Jungen aus und verschenkte ihn.

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Gestohlenes Herz: In den Fängen der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt