Kapitel 36

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Nico pov. 

Ramo und ich wurden durch das Gebäude und zahlreiche Sicherheitsschranken gezerrt. Schließlich kamen wir vor einer großen schwarzen Tür mit der Aufschrift „Direktorat" an. Hoffentlich würden wir keinen Ärger bekommen. Einer der Wachmänner klopfte, und sogleich wurde die Tür geöffnet. Ein Mann sah zu mir. Es war der Mann mit den grünen Augen, der Mann mit dem herrlichen Lachen – es war Angelo. Sofort kam er auf mich zu und umarmte mich fest. Ich verstand das gar nicht und bekam es mit der Angst zu tun. Er war mir zu nah. Ich erinnerte mich daran, wie er mich gestraft hatte. Ich sah uns wieder im Bett liegen, wo ich mich wehrte und er mir keine Chance gab. Mein Zittern setzte wieder ein. Angelo zog mich mit sich und setzte mich auf seinen Schoß. Er schien mein Zittern bemerkt zu haben und zog seine Jacke aus, die er mir umlegte. Vermutlich ging er davon aus, dass mein Zittern von Kälte herrührte. 

Ramo verabschiedete sich, und wir gingen ebenfalls. Vermutlich hatte Angelo den Gefängniswärter bestochen, damit dieser uns gehen ließ. Die Autofahrt verlief ruhig, im Hintergrund war leise klassische Musik zu hören. Ich saß wieder auf Angelos Schoß, während dieser mir durch die Haare fuhr, kleine Küsse auf meinen Kopf drückte und mir immer wieder verliebte Blicke zuwarf. Ich fragte mich, wohin wir fuhren, denn soweit ich mich erinnern konnte, hatte sein Anwesen sicher ernsthafte Schäden vom Brand und dem eingestürzten Boden davongetragen. In Venedig angekommen, nahmen wir ein Boot und fuhren zum Lido, wo Angelo offenbar ein weiteres Anwesen hatte.

Er nahm mich an der Hand und führte mich hinein. Die Kommentare von Luca, er solle mich nicht überfordern und sich endlich um die Razzia kümmern, ignorierte er gewissenhaft. Wir gingen in den obersten Stock, und Angelo führte mich in ein Zimmer mit einer großen Fensterfront, von der man den Ausblick auf die Lagune von Venedig hatte. Er schmiegte sich von hinten an mich und murmelte mir liebevoll ins Ohr: „Ich weiß, wie gerne du immer im alten Anwesen zum Fenster hinausgesehen hast. Jetzt kannst du über ganz Venedig blicken. Schau mal dort drüben. Die Tür führt in einen kleinen Turm, in dem alle Wände aus Glas bestehen. Von dort siehst du die ganze Lagune. Der Turm ist nur für dich. Ich habe dort einige Kissen und Decken hinbringen lassen. Wenn du mal Zeit für dich brauchst oder es dir etwas zu viel wird, kannst du immer dort hingehen. Ich werde den Turm nicht betreten, okay, Kleiner?" Angelo gab mir einen Kuss auf den Scheitel und legte dann seinen Kopf sanft auf meinen. „Ich habe dich so unendlich vermisst, Nico. Es war die schlimmste Zeit meines Lebens, in der ich dachte, du seist tot", Angelo machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: "In dieser Zeit habe ich viel nachgedacht. Es war ein großer Fehler, was ich getan habe, und es tut mir leid. Könnte ich, würde ich es ungeschehen machen. Ich erwarte nicht von dir, dass du mir verzeihst, sondern wünsche mir nur eine zweite Chance, um dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe". Angelo umfing mich mit seinen Armen und schmiegte sich noch mehr an mich, als er bemerkte wie ich ungeduldig rumzuzappeln begann.

„Ich glaube, du würdest dich gerne sauber machen und frische Klamotten anziehen. Dort drüben ist das Badezimmer", meine Angelo, während er auf eine Tür in der Nähe deutete. „Ich lasse dir frische Klamotten bringen und lege sie dann vor die Tür, okay?" Benommen nickte ich und wandte mich zum Badezimmer. Prüfend, ob er mir nicht doch folgte, drehte ich mich um, sah ihn aber noch immer dort stehen wo wir zuvor gestanden hatten und verschwand dann beruhigt im Badezimmer. Es war kleiner als das in Angelos altem Anwesen und weniger modern. Ein Pluspunkt war jedoch die große Badewanne, die in einer Ecke stand. Ich drehte das Wasser auf und durchsuchte anschließend das Schränkchen oberhalb nach einem geeigneten Badezusatz. Davon gab es viele und ich entschied mich schließlich für ein Amaranth-Mandelöl-Bad. Ich öffnete die Flasche und kippte etwas davon in die Wanne. Danach machte ich mich daran, meine Schiene am linken Knie zu lösen und wollte mich gerade entkleiden, als es an der Tür klopfte.

Behutsam ging ich auf die Tür zu und öffnete sie einen Spalt. Von Angelo war keine Spur mehr zu sehen. Stattdessen lagen auf einem kleinen Hocker einige schneeweiße, flauschige Handtücher und darauf eine graue Jogginghose sowie ein schwarzes Shirt. Zuoberst auf dem Berg thronte eine silberne Schüssel. Ich nahm alles ins Badezimmer und widmete mich dann der Schüssel. Sie war gefüllt mit kleingeschnittenen Früchten. Ich hatte noch nie so eine große Auswahl gesehen. Viele der Früchte kannte ich nur vom Aussehen. Noch nie hatte ich exotische Früchte wie Ananas oder Mango probiert. Es wunderte mich, wie Angelo selbst im Winter an derart leckere Früchte kam.

Mittlerweile war das Badewasser vollständig eingelassen, und ich stellte die Schüssel auf den Badewannenrand. Danach stieg ich in das wohlig warme Wasser. Irgendwie kam ich dabei an einen Knopf, der für Blasen im Wasser sorgte. Es war angenehm, die Luftblasen meinen Körper entlangstreifen zu spüren, und ich entspannte mich. Dabei steckte ich mir immer wieder ein Fruchtstückchen in den Mund und ließ es mir gut gehen.

Als die Schüssel leer und meine Finger schrumpelig waren, beschloss ich, die Wanne zu verlassen und mich abzutrocknen. Frisch angezogen betrat ich das Zimmer wieder und entdeckte Angelo, der an der Tür mit jemandem diskutierte. „Nein, das geht nicht. Ja, glaub mir doch. Er ist es und es geht ihm gut. Du würdest ihn bloß überfordern!" Leise schlich ich mich an und konnte Diego sehen, der im Türspalt stand. Als dieser mich erblickte, begann er über das ganze Gesicht zu strahlen. „Nico, es ist so schön, dich zu sehen. Es tut mir leid, dass ich nicht bei dir sein und dich beschützen konnte. Hättest du Lust, wir k—", Diego konnte nicht ausreden. „So, jetzt hast du, was du wolltest. Du hast ihn gesehen, bist du zufrieden? Jetzt braucht er erstmal etwas Zeit für sich. Lass ihm bis morgen Zeit!" Damit schloss Angelo die Tür und ignorierte Diegos Protest. „Mio Dio, was mache ich nur mit diesem Chaoten!" murmelte Angelo vor sich hin, bevor er mich fragte, ob ich noch Hunger oder einen sonstigen Wunsch hätte. Ich verneinte und wollte nur noch ins Bett. Ich merkte, wie Angelo herumdruckste, als ich das erwähnte, und fragte ihn, wo denn das Problem läge. „Naja, es ist so, wir dachten alle, du seist tot, und dementsprechend konnten wir nichts planen. Wäre es für dich in Ordnung, bei mir im Bett zu schlafen?", fragte er mich scheu. „Nur wenn du mich nicht anfasst, okay?", antwortete ich ihm. Überglücklich strahlte er und versprach es mir hoch und heilig.

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Gestohlenes Herz: In den Fängen der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt