Angelo pov.
Die ganze Nacht blieb ich vor dem Anwesen stehen. Jegliche Versuche von Luca und den anderen, mich in das kleinere Nachbarshaus in die Wärme zu bringen, lehnte ich kategorisch ab. Ich hatte das verloren, was mir am wichtigsten auf dieser Welt war. Was kümmerte es mich nun, dass es draußen kalt war? Ich würde hier warten, bis die Feuerwehr das Gebäude gelöscht hatte. Dann würde ich hineingehen und meinen Nico dort rausholen. Er musste einen schrecklichen Tod gestorben sein. Er hätte noch Glück gehabt, wenn er erschossen worden wäre, wie so viele meiner Leute. Dann hätte er nicht leiden müssen. Aber ich Idiot hatte ihn angekettet. Er konnte nicht aus meinem Zimmer, selbst wenn er das gewollt hätte. Eingesperrt musste Nico wohl in den Flammen umgekommen sein. Er hatte keine Chance, und der Flammentod war alles andere als schön. Diego und Milo, die ich zu seinem Schutz abgestellt hatte, hatten versagt. Diego konnte nicht zu ihm, und Milo wurde soeben tot geborgen. Er war erschossen worden und danach den Flammen zum Opfer gefallen. Nico war nicht bei ihm gewesen. Wie auch? Ich war der Einzige mit dem Schlüssel für seine Fesseln.
Als der Morgen graute, waren die Flammen gelöscht. Vom Anwesen war nicht mehr viel zu sehen. Der gesamte obere Stock war eingestürzt und die ehemals weiße Fassade rußgeschwärzt. Ich betrat das Haus durch den ehemaligen Salon. Von der Glaskuppel war nichts mehr übrig, genauso wenig von den Möbeln und der Bar. Nur die Metallgerippe der Sofas ragten wie Skelette geisterhaft in die Höhe. Ich wollte die Treppe nach oben nehmen, doch sie war verschüttet. Also suchte ich mir eine andere und lief durch das Anwesen. An vielen Orten war die Decke oder der Boden eingestürzt, und schwarze Balken versperrten den Weg. Ich verstand nun auch, warum die Feuerwehr mich aufhalten wollte, reinzugehen. Aber sie hatten keinen Erfolg gehabt; zu groß war mein Einfluss.
Nun hatte ich es endlich geschafft. Ich stand vor unserem Zimmer. Ich schritt hinein; eine Tür gab es nicht mehr, alles war verbrannt. Das Bett war ebenfalls nicht mehr zu erkennen. Zum Balkon konnte man nicht mehr gehen. Dort war die Decke eingestürzt. Dachbalken und Betonbrocken lagen überall, und mittendrin entdeckte ich einen Teil von Nicos Kette. Sie war zertrümmert, und ihr eines Ende klemmte unter einem Betonblock, den ich sofort wegrückte. Darunter fand ich weitere zerschmetterte Kettenglieder sowie den Ring, mit dem die Kette ursprünglich am Boden befestigt war. Von Nico war nichts mehr zu sehen. Er musste vollständig verbrannt sein. Zum ersten Mal in meinem Leben weinte ich. Ich weinte nicht nur eine Träne wie für Alessandro; nein, ich weinte richtig. Die Tränen liefen in Strömen meine Wangen herunter, und ich konnte sie nicht aufhalten. Plötzlich spürte ich eine Berührung an meiner Schulter. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich Luca, der mich mitfühlend ansah. Er sagte nichts und nahm mich einfach in den Arm. So blieben wir einige Zeit, bis ich mich beruhigt hatte. Danach ließ Luca mich los, kniete sich in den Schutt und griff nach einem noch intakten Kettenglied. Dann nahm er mir die goldene Kette ab, die ich immer trug, und fädelte das Kettenglied darauf auf, bevor er sie mir wieder um den Hals legte. „Als Erinnerung an den Kleinen", meinte er dazu.
Danach verließen wir das Zimmer und kehrten dem Anwesen den Rücken zu.
Noch am selben Tag wurden alle, die bei dem Angriff getötet worden waren, bestattet. Viele waren bei dem Angriff umgekommen und noch mehr durch das Feuer. Eine rechtsmedizinische Untersuchung wurde nicht eingeleitet; dafür hatten wir gesorgt. Wir wussten, wessen Schuld es war, dass sie gestorben waren. Wir mussten nicht wissen, wie der Tod eingetreten war. Wir ließen die Toten ruhen, die Familie trauern, und danach würden wir Rache nehmen. Für jeden Einzelnen. Der Rat der Capos hatte dem einstimmig zugestimmt. Es würde Rache geben. Und das nicht nur gegen Damian, sondern gegen die gesamte slowenische Mafia, sollte sie uns bei unserem Vorhaben nicht unterstützen.
Luca und ich, sowie einige meiner Männer und meine Dobermänner, quartierten uns in einem anderen meiner Anwesen ein. Es war auch schön, aber halt nicht so wie mein altes Anwesen. Im Vergleich war es winzig, aber es reichte für die nächste Zeit. So konnten halt nicht alle meiner Männer in einem Haus leben, aber es ging. Ich würde ein neues Anwesen kaufen oder bauen lassen. Zunächst mussten wir uns jedoch um die slowenische Mafia kümmern.
DU LIEST GERADE
Gestohlenes Herz: In den Fängen der Mafia
Roman d'amourNico lebt schon fast sein ganzes Leben auf der Strasse und verdient durch Taschendiebstahl seinen Lebensunterhalt. Irgendwann bestiehlt er jedoch den Falschen und landet in den Händen der Mafia. Achtung, in dieser Geschichte kommen sowohl Gewalt, Se...