Kapitel 11

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Nico pov.

Irgendwann kündigte Luca an, dass er bald abgelöst werden würde. Tatsächlich öffnete sich schon nach kurzer Zeit die Tür, und jemand, von dem ich nicht gedacht hätte, ihn wiederzusehen, betrat das Zimmer. Diego kam herein und wandte zunächst beschämt den Blick ab, als er mich so sah. Luca erhob sich und verließ das Zimmer. „Dio mio, was machst du denn so splitterfasernackt hier?", fragte er mich. Er wusste nicht, dass das meine Strafe von Angelo war. Ich erklärte es ihm, und er schaute mich zunächst verblüfft an, bevor er zu lachen begann. „Du hast wirklich Mut, kleiner. Aber das gefällt mir an dir. Mach dir keine Sorgen, der Boss will nur demonstrieren, dass er hierarchisch klar über dir steht. Das wird nicht für immer so bleiben. Gehorche ihm einfach, dann kannst du ein ziemlich schönes Leben führen. Auch wenn das vermutlich nicht mehr so lange dauern wird. Naja, genug jetzt mit diesen düsteren Dingen. Ich habe Karten dabei. Lust zu spielen?" Etwas perplex schaute ich ihn an und nickte langsam. Was sollte das heißen, mein Leben würde nicht mehr lange dauern? Wie immer würden wir Scopa spielen, und er mischte bereits die Karten und begann auszuteilen.

„Was meinst du damit, Diego?", fragte ich ihn. „Das musst du nicht wissen, es würde dich nur unnötig beunruhigen", antwortete er, womit das Thema für ihn erledigt war. Allerdings nicht für mich. „Und wenn ich es trotzdem wissen möchte?", „Dann muss ich dir sagen, dass ich dir das nicht sagen kann. Schließlich ist das die Angelegenheit des Bosses, und da habe ich nichts zu melden. Würde ich es tun, wäre ich auf dem Grund der ‚Laguna di Venezia' mit nagelneuen Betonschuhen, bevor ich mich auch nur entschuldigen könnte. Wenn es dich wirklich interessiert, frag Angelo, aber wundere dich nicht, wenn du nicht mehr mit so einer leichten Strafe wie jetzt davonkommst." Kaum hörbar schluckte ich und wandte mich wieder dem Spiel zu.

Wir spielten noch einige Runden stillschweigend, bevor ich wieder das Wort ergriff: „Warum ist Luca eigentlich so abweisend mir gegenüber?" „Mach dir keinen Kopf, der ist am Anfang immer so. Er ist die rechte Hand des Bosses, ihm vertraut Angelo am meisten, weshalb er auch für deine Bewachung zuständig ist. Luca ist einfach genervt, weil Angelo zu einem wichtigen Treffen gefahren ist und ihn hier mit dir zurückgelassen hat. Dass er so abweisend dir gegenüber ist, liegt daran, dass er keine Beziehung zu dir aufbauen möchte, weil er weiß, dass die Jungs vom Boss selten länger als einen Monat am Leben bleiben." „Was? Er wird mich umbringen?" Schnell sprang ich auf und wollte zur Tür hechten, als mich Diego packte und wieder auf den Stuhl setzte. „Scusa, das ist mir so rausgerutscht. Ich wusste, du würdest es nicht gut verkraften. Hör zu, ob es tragisch ist oder nicht, du und ich können daran nichts ändern. Also schlage ich vor, du setzt dich wieder hin und wir spielen weiter Scopa. Andernfalls packe ich dich wieder in deinen Käfig, und du kannst dort auf Angelo warten." Ich fügte mich stillschweigend und merkte, dass Diego, auch wenn er nicht besonders kräftig wirkte, dennoch kaum Mühe hatte, mich festzuhalten.

Den Rest der Zeit redeten wir nicht. Völlig still spielten wir weiter, während ich an meinem Fluchtplan feilte. Ich musste mich beeilen, sonst würde ich lebendig dieses Haus nicht verlassen. Die Uhr in der Ecke schlug gerade sieben Uhr, als die Tür mit einem Ruck aufschwang und Angelo ins Zimmer trat. Diego begrüßte ihn und verließ dann zügig das Zimmer. Ich merkte, wie sich mein ganzer Körper anspannte und ich zu zittern begann. Angelo schloss die Tür hinter sich und fixierte mich. „Das ist kein Benehmen, das ich dulde", sagte er gefährlich ruhig. „Begrüße mich anständig, cretino." Ich erhob mich langsam von meinem Stuhl, ging auf Angelo zu und sagte: „Buona serata, Angelo." Als Antwort bekam ich jedoch nur eine Ohrfeige. „Ich erwarte von dir, dass du auf die Knie gehst. Schau mich nicht an und wage es nicht noch einmal, mich beim Namen zu nennen. Du nennst mich Maestro, ist das klar?" Ich tat, was er verlangte, und kniete mich vor ihm nieder. Belohnend strich er mir durch die blonden Haare und ging zum Tisch hinüber, an dem Diego und ich zuvor Karten gespielt hatten.

Angelo setzte sich an den Tisch und deutete mir an, mich neben ihn auf den Boden zu knien. „Du hast Glück, dass ich heute gute Laune habe. Eigentlich wollte ich mit dir frühstücken, leider wurde ich aber zu einem spontanen Treffen gerufen, das sehr zu meiner Zufriedenheit ausgefallen ist. Deshalb verzichte ich heute darauf, unten bei den anderen zu essen, und lasse das Essen herbringen. So musst du auch nicht am Tisch mit den anderen nackt speisen."

Das Essen kam, sobald er geendet hatte. Mary brachte diesmal das Essen. Sie stellte einen Teller mit einem herrlich duftenden Steak vor Angelo auf den Tisch und schenkte ihm Wein ein. Auf den Boden vor mich stellte sie eine unscheinbare Schüssel mit einem undefinierbaren Brei, bevor sie wieder ging. Etwas verwirrt sah ich zu Angelo, der lediglich grinste. „Wenn du dir etwas Besseres erhoffst, musst du es dir zuerst verdienen. Du darfst mit dem Essen beginnen." Der Brei sah gar nicht appetitlich aus, aber da ich bis auf ein kleines Frühstück heute nichts gehabt hatte, beschloss ich, davon zu probieren. Der Brei schmeckte nicht so scheußlich, wie er aussah, war aber noch weit entfernt von einer leckeren Mahlzeit. Ich würgte einige Bissen herunter, bevor ich mich auch schon gesättigt fühlte. Angelo aß in aller Ruhe weiter, und nachdem er fertig war, räumte er alles auf den kleinen Servierwagen und schob diesen vor die Tür.

"Mal sehen, ob du seit gestern etwas gelernt hast.", meinte er und begab sich zum Bett. Er setzte sich auf die Bettkante und wies mich an zu ihm zu kommen. Er öffnete den obersten Knopf seiner Anzugshose und meinte: "Du weisst was zu tun ist. Und wag es ja nicht mich zu beissen, sonst hole ich wieder die Maulsperre und versohle dir danach so lange den Hintern, bis du nie wieder sitzen kannst". Ich zitterte vor lauter Angst und ging langsam auf ihn zu. Ich wusste, dass ich ihm nicht entkommen konnte und so war es besser mich seinem Willen zu fügen. Immerhin musste ich dieses seltsame Ding nicht mehr im Mund haben, das verhinderte, dass ich meinen Mund schliessen konnte. Das gab mir wenigstens ein kleines bisschen das Gefühl, das ich noch einen freien Willen hatte.

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Gestohlenes Herz: In den Fängen der MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt