•Journey 97•

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Angst fesselte Jeongin und er hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Als würde ihn alles Unterdrücken und ihn einnehmen, ihn unter die Wasseroberfläche drücken und ihn somit langsam zum Ertrinken bringen. Die Stimmen seiner Eltern zu hören löste so viel Negatives aus. Alle Erinnerungen, die er verdrängt oder erfolgreich überstanden hatte, kamen wieder zu ihm zurück und er fühlte sich erneut wie der schwache Junge, der er ganz am Anfang gewesen war. Seine Hände und Beine zitterten und so gerne er die beiden angeschrien hätte, wusste er ganz genau, dass es ihm letztendlich auch nichts mehr bringen würde. Sie würden ihn mitnehmen. Von Chan entreißen.

Und womöglich würde er es dieses Mal bei ihnen nicht überleben.

,,Bitte?", hörte er die fassungslose Stimme seines Verlobten, erkannte gleichzeitig die Wut in dessen Stimme und wie sauer er mit jeder verstrichenen Sekunde wurde. ,,Sie tauchen hier auf, vor meiner Wohnung. Um so eine Uhrzeit. Und dann haben Sie nicht mal einen Grund dazu, außer uns fertigzumachen? Wie lächerlich und kindisch ist das bitte von Ihnen? An Ihrer Stelle würde ich jetzt ganz schnell gehen, bevor ich die Polizei kontaktiere und Ihnen alles erzähle, was Sie alles Ekelhaftes tun." Seine Stimme zitterte bereits vor Wut und er musste sich zurückhalten, nicht einfach zuzuschlagen. So gerne er das tun würde, war er sich bewusst, dass das nicht intelligent von ihm wäre.

,,Fahr mal runter", erwiderte Jeongins Vater schnaubend und rollte leicht mit seinen Augen, bevor er achtlos eine schwarze Tasche vor Chans Füße warf. ,,Das sind die restlichen Sachen von Jeongin. Wir brauchen sie nicht mehr, da er kein Teil unserer Familie ist. Wir wollen kein ekelhaftes, schwules Kind haben und sind uns sicher, dass wir ohne ihn besser dran sind. Das wärst du übrigens auch, er macht nur Probleme und kann nichts anderes mehr. Nicht einmal einen Abschluss hat er geschafft! Aber gut, das ist nun dein Problem." Wie sehr diese Worte Jeongin verletzten, war ihnen wohl völlig egal. Aber war das nicht bereits immer so gewesen? Nie hatte der Rothaarige irgendeine Liebe in den Augen seiner Eltern gesehen.

Oder eher gesagt dieser zwei Personen... Denn seine Eltern waren es nun nicht mehr.

,,Ich bin mir sicher, dass Jeongin ohne Sie beide viel besser dran ist", knurrte Chan leise und hallte seine Hand zu einer Faust, sodass man bereits seine Knöchel erkennen konnte. Es würde nicht mehr viel brauchen und er würde dem älteren Mann ins Gesicht schlagen, ihm damit zeigen, was er von diesem hielt. Leider war Gewalt keine Lösung und es würde schlecht für ihn enden. ,,Am besten gehen Sie jetzt und tauchen hier nie wieder auf. Jeongin ist kein Problem, sondern im Übrigen mein Verlobter und ich liebe ihn von ganzem Herzen. Aber davon haben Sie natürlich keine Ahnung... Bestimmt hat sich bei Ihnen unten bereits ein Spinnennetz entwickelt. Vielen Dank für die Sachen, wir werden sie spenden und damit die letzte Erinnerung an Sie verbrennen."

Und alles, was Jeongin dann noch hörte, war, wie die Tür laut zufiel.

Wie paralysiert stand er in der Küche, zitterte am ganzen Leib und hatte nicht einmal realisiert, dass er angefangen hatte zu weinen. Es war zwar schön gewesen, solche Worte von Chan zu hören, die ihm noch einmal das Gefühl haben, nicht fehl am Platz zu sein, aber dennoch fühlte er sich schrecklich und widerlich. Wieso musste ausgerechnet er bei solchen Menschen aufwachsen? Wieso hatten sie sich dazu entschieden, ein Kind zu bekommen, wenn sie am Ende nicht einmal mehr darauf Lust hatten? Es gab noch so viele Fragen, dessen Antworten Jeongin niemals hören wollte. Deshalb reichte es ihm völlig aus, als Chan in die Küche gerannt kam und den Rothaarigen fest in seine starken Arme zog, um ihn zu trösten.

Nur das brauchte Jeongin ab heute in seinem Leben. Sonst nichts.

𝐇𝐚𝐯𝐞𝐧 ✦ 𝖩𝖤𝖮𝖭𝖦𝖢𝖧𝖠𝖭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt