9. Türchen: Yoongi
"Sag bitte nicht, du bist ein Fan", sagt Yoongi trocken. Es ist die wahrscheinlichste Option. Er wird oft von irgendwelchen fanatischen Fans auf der Straße angesprochen, die ihn als Producer hinter dem neuen Song ihres Lieblingsidols erkennen und mit seiner Hilfe darauf hoffen, an die eigentliche Prominenz heranzukommen.
"Ein Fan? Ein Fan von wem?", kommt mal wieder eine Antwortfrage, mit der Yoongi genauso wenig anfangen kann wie mit den Vorherigen.
"Was weiß ich? I.U.? Jungkook? Rap Monster? J-Hope?"
"Oh, das meinst du! Jungkook mag ich ganz gerne. Warum fragst du? Magst du ihn auch?"
Innerlich schlägt sich Yoongi gegen den Kopf. Okay, seien wir ehrlich, nicht nur innerlich. Taehyung betrachtet ihn mit verwirrten, kugelrunden Eulenaugen und wenn er es könnte, würde er jetzt sicherlich seinen Kopf um 180° drehen, um den eulenartigen Ausdruck nur noch zu verstärken. Brrr. Gruselige Vorstellung.
"Ob ich ihn mag? Keine Ahnung. Ich kenn ihn kaum. Ich schreibe nur seine Songs. Ich kann euch nicht miteinander bekannt machen."
Der Mund seines Gegenübers klappt schon wieder auf. So langsam wird es zu einer Art Routine zwischen ihnen. Yoongi sagt etwas und Taehyung klappt vor Erstaunen stumm der Mund auf.
"Du schreibst Songs für Jungkook?", haucht er ihm ehrfürchtig entgegen.
Okay, ist er wirklich so dumm oder tut er nur so? Als würde Yoongi so naiv sein zu glauben, dass er ihn eben nicht erkannt hat. Wofür hat er sonst dieses dämliche Selfie gemacht? Was für ein grenzdebiler Idiot. Ha! Das hat er schon von Anfang an erkannt.
"Jetzt tu nicht so", deklariert er deswegen auch schon mit unerbittlicher Entschlossenheit in der Stimme. "Deswegen wolltest du doch das Selfie mit mir, oder nicht? Tu nicht so scheinheilig..."
"Ich bin Influencer."
"Hä?", entgegnet Yoongi nun seinerseits wenig intelligent. Das entspricht zwar so gar nicht seiner Art und erst recht nicht seinem Intellekt, aber manche Gedankensprünge überschreiten echt die Grenze des Nachvollziehbaren. Was hat das jetzt bitte mit dem Thema zu tun?
"Ich bin Influencer", wiederholt Taehyung diesmal mit mehr Nachdruck. "Deswegen wollte ich auch unbedingt mein Rucksack vor dem Untergehen retten... und deswegen ist es auch so etwas wie mein Arbeitsmaterial. Ich... mach Fotos. Hauptsächlich für Instagram, aber manchmal dreh ich auch nen Vlog für YouTube... Deswegen das Selfie. Für meine Follower. Sorry, ich bin davon ausgegangen, dass du mich erkannt hast."
"Erkannt?", entgegnet Yoongi verwundert. "Ich hab immer noch keine Ahnung, wer du bist. Ist das jetzt so ne billige Ausrede, weil du von mir durchschaut worden bist? Heutzutage kann ja jeder von sich behaupten, Influencer zu sein. Wie viele Follower hast du überhaupt? Siebzehn?"
Irgendwie gleicht die Szenerie schon wieder der Kulisse eines Filmsets. Beide stehen gefährlich nah am Ufer, ihre Kleidung ist weiterhin vollkommen durchnässt. Zum Glück ist es so heiß, dass sie nicht frieren. Die 36Grad Außentemperatur können sie nicht als Ausrede für die Gänsehaut missbrauchen, die sich immer mal wieder auf ihre Haut stiehlt, wenn sie ihrem Gegenüber einen Moment zu lange in die Augen sehen.
Die Sonne funkelt verspielt zwischen Laubblättern hindurch, ein lauer Windhauch tanzt durch das Gras und irgendwo in weiter Ferne singt leise eine Elster. Es ist so scheiß romantisch. Yoongi könnte kotzen. Erst landet er im unfreiwilligen Remake von Baywatch, jetzt spielt er die Hauptrolle in was...?10 Dinge, die ich an dir hasse – oder so?
In Yoongis Magen breitet sich direkt ein ganz flatterhaftes Gefühl aus. Ist das Übelkeit?
...Mh... Ne. So schlimm ist es nicht.
Aber es ist trotzdem nicht die gute Art von flatterhaft, die man immer dann bekommt, wenn die wilde Achterbahnfahrt einen Looping dreht, sondern eher so, als hätte man ne dicke, fette Hornisse verschluckt, die sich jetzt aus deinem Inneren freikämpfen will und wütend mit ihren Flügeln gegen deine Magenschleimhaut schlägt. Vielleicht so als Opposition zu den Schmetterlingen im Bauch zu verstehen. Das hier ist ganz sicher kein Liebesfilm, wie kommt er immer auf so schwachsinnige Gedanken?"Eine Million, siebenhunderttausend", nuschelt Taehyung kleinlaut vor sich hin. Er ist kaum zu verstehen.
Yoongi missversteht sein Nuscheln als Anzeichen der Unsicherheit und ist noch überzeugter davon, dass er mal wieder absolut ins Schwarze getroffen hat. Was auch sonst. Genious Min Yoongi.
"WIE BITTE?", hakt er deswegen übertrieben ironisch nach.Taehyung räuspert sich, als müsste er sich selbst Mut machen. Dann spricht er weiter:
"Eine Million und siebenhunderttausend... Ich habe eine Million und siebenhunderttausend Follower... Eigentlich... bin ich ziemlich bekannt in Südkorea... Aber... ich prahle nicht so gerne damit."Jetzt ist Yoongi der Fisch. Und sein Mund steht stumm offen.
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Summer Sound
RomanceYoongi will einen ruhigen Tag am See verbringen. Aber Taehyung behauptet von sich selbst, dass er "taehyunghaft" ist und was ist das überhaupt für ein Wort? Beschreibt es seine hysterische Sirenenstimme, die fischartige Eulenhaftigkeit oder doch den...