Summer Sound

3. Türchen: Yoongi

3. Türchen: Yoongi

Kurzfristig überlegt Yoongi, ob ihm seine Fantasie gerade einen Streich spielt. Die hilflose Gestalt, die nur ein paar Meter von ihm entfernt wild mit den Armen rudert und sich nicht entscheiden kann, ob sie die Situation weiter verfluchen oder lieber um Hilfe rufen soll, kann doch nicht wirklich real sein.

No. Fucking. Way.
Andererseits erklärt es natürlich auch, weshalb bisher kein einziger Fisch bei ihm angebissen hat, wenn da hinten so ein grenzdebiler Idiot in einer Nussschale von Paddelboot umher schifft, obwohl er gottverdammt noch nicht einmal schwimmen kann.

Aber irgendein Teil in ihm sagt auch, dass er sich vielleicht bewegen sollte, wenn da jemand kurz vor dem Ertrinken steht, denn wenn es wirklich kein Trugbild seiner schlechten Imaginationsfähigkeit ist, dann würde es einen ganz dunklen Fleck auf seinen bisherigen Werdegang werfen, gerade in diesem Moment gemütlich auf seinem Campingstuhl sitzengeblieben zu sein.

Yoongi atmet ergeben aus. Da hier niemand anderes ist als er, wird er wohl derjenige sein, der sich bewegen und helfen muss. Der einzige Lichtblick dabei ist, dass er sich immerhin vorhin nicht ausgezogen hat, um in Ruhe eine paar Bahnen zu ziehen, sonst müsste er jetzt den nackten Rettungsschwimmer spielen und das wäre sicherlich auf einer ganz anderen Eben verstörend gewesen.

Lange Zögern hilft jetzt auch nicht mehr. In ein paar kräftigen Schwimmzügen ist er bei der panischen Person angekommen. Vermutlich sollte er jetzt selbst ruhig bleiben und in einem gezügelten Tonfall auf den Ertrinkenden einreden, damit seine Bewegungen weniger hektisch werden und sich Yoongi gefahrlos annähern kann. Zumindest hat er das mal so in einer Fernsehserie gesehen. Oder war es ein Film? Sein Schwimmkurs damals in der Grundschule? Kein Plan mehr.
Und das eigentliche Problem an der Sache ist ja ohnehin, dass er selbst überhaupt nicht ruhig ist. Er ist ziemlich angepisst. Denn Baywatch in Reallife nachzustellen, stand eindeutig nicht auf seiner heutigen Agenda.

Das panische Geschrei zieht noch stärker hinter seiner Stirn als das markerschütternde Surren der brutalen Klimaanlage. Die zu rettende Person hat sich so sehr in Rage geschrien, dass sie Yoongis Anwesenheit überhaupt nicht bemerkt. Und fluchen kann der Typ wie ein junger Rohrspatz, alter Schwede. Zum Glück steht ihm sein Retter in dieser Kategorie um nichts nach.

"ALTER, HÖR AUF ZU FLUCHEN UND HÖR VERDAMMT NOCHMAL AUF DICH ZU BEWEGEN, DANN KÖNNTE ICH DICH VIELLEICHT SOGAR ERNSTHAFT RETTEN UND NICHT NUR SO TUN", brüllt Yoongi gegen das peinliche Geschrei an und tatsächlich... es zeigt unerwarteterweise Wirkung. Die hilflos umherschlagenden Arme verlieren an Intensität und – Gott sei Dank - hört diese übertrieben laute Stimme auf zu kreischen. Er könnte die einkehrende Ruhe fast genießen und das Wasser um ihn herum ist ja eigentlich auch eine willkommene Erfrischung, aber das aufgeregte Blubbern verrät, dass es jetzt wohl wirklich kritisch wird und Yoongi eingreifen sollte. Vielleicht hat das Geschrei auch einfach aufgehört, weil ihm die Luft ausgegangen ist...

Mit zwei kräftigen Bewegungen ist Yoongi hinter der Gestalt, die er jetzt aus der Nähe eindeutig als männlich klassifizieren kann und umgreift ihn mit dem linken Arm. Er zieht ihn ganz dicht an seine Brust, dreht sich selbst in Rückenlage, sodass ihrer beider Gesichter nun über Wasser sind und nutzt den rechten Arm und seine Beine, um den Weg Richtung Ufer einzuschlagen.

Fühlt er sich jetzt wie David Hasselhoff in Baywatch? Eindeutig nein.
Yoongi fühlt sich beschissen.
Und daran würde nicht einmal eine rote Badehose etwas ändern.