23. Türchen: Yoongi
"Du wirst schwer", flüstert Yoongi gegen die sanften Lippen, die immer noch nur einen Atemhauch von seinen entfernt sind. Die Aussage ist ein bisschen aus Unsicherheit geboren, aber auch deswegen, weil sich gerade wirklich ein spitzer Stein unangenehm zwischen Yoongis dritten Rippenbogen zu schieben versucht.
Was soll man denn auch sagen, wenn man sich eigentlich gar nicht kennt und trotzdem gerade so inbrünstig geküsst hat, als würde der nächste durchschlagende Kassenerfolg des Blockbusters alleinig von ihrer filmreifen Leistung abhängen? Yoongi weiß das nicht. Er hat mit dieser ganzen Erfahrung hier nicht gerechnet. Seine bisherigen Eroberungen waren wortwörtlich genau das – und nur das. Pokale und Triumphabzeichen auf irgendeiner imaginären Skala, an welcher der junge Yoongi seinen Erfolg und Selbstwert festgemacht hat, weil er in zu wenig anderen Bereichen punkten konnte. Liebhaber, die er nur aufgerissen hat, um damit vor seinem eigenen Spiegelbild zu prahlen, wenn er sich wegen anderen Misserfolgen nicht mehr in die Augen sehen konnte.
Oberflächlich waren es seine wilden Jahre.
Aber darunter waren es auch seine verzweifelten Jahre.Es dauert, bis man in der Musikindustrie Fuß fassen kann, wenn man nicht durch bereits bestehende Connections oder Vitamin B in die Kreise eingeschleust wird. Yoongi hatte nichts davon. Nur seinen Traum und sein Talent und Durchhaltevermögen.
Irgendwie muss man sich doch auch trotz der ganzen Rückschläge über Wasser halten. Er kann gar nicht mehr zählen, wie viele Türen ihm vor der Nase zugeschlagen wurden, wie viele Mixtapes ungeöffnet an ihn zurückgeschickt wurden. Falls sich das Label die Mühe überhaupt gemacht hat. Die Zahl der ungehörten Mixtapes, weil sie einfach im Müll gelandet sind, ist zum Glück unbekannt. Hätte Yoongi einen Counter gehabt, hätte er vielleicht wirklich aufgegeben.One-Night-Stands und Eroberungen haben ihn durch dunkle Nächte gebracht und ihn zumindest in anderen Bereichen immer in seinen Fähigkeiten bestärkt. Mehr haben sie ihm nie bedeutet.
Das war vermutlich nicht sonderlich nett von Yoongi, aber kannst du ihn dafür verurteilen? Was würdest du für deine Träume opfern?Natürlich springt Taehyung nach seiner Aussage sofort panisch von ihm herunter und reißt seine braunen Eulenaugen so weit auf, dass sie kurz davor sind aus seinem hübschen Gesicht zu kullern.
"Oh Gott, Hyung, der Boden muss ja total unbequem sein, das tut mir so leid! Ich hab gar nicht daran gedacht und vermutlich haben die ganzen Süßigkeiten doch schon angesetzt und sorry, kann ich dir aufhelfen?", brabbelt der Eulenjunge aufgeregt vor sich hin. Man kann ihm ansehen, wie verlegen ihn die Situation macht. Seine Wagen sind noch ganz rosig verfärbt und seine Augen glänzen verhangen.Yoongi stöhnt betont auf, bevor er sich schwerfällig aufrecht hinsetzt und sich von dem Jüngeren die Hand reichen lässt, um endlich wieder auf die Beine zu kommen. Taehyung greift mit zu viel Schwung danach. Als er ihn mit einem Ruck in eine senkrechte Position zieht, knallen sie schon wieder gegeneinander.
"Machst du das mit Absicht?", fragt Yoongi spitz, doch seine Augen funkeln gutmütig.
"Was denn?", entgegnet Taehyung unschuldig.
"Na, das hier", antwortet Yoongi wiederum und deutet mit einer Geste auf ihre Körper, zwischen die schon wieder kein einziges Blatt Papier mehr passen würde.
"Ständig landen wir aufeinander und gegeneinander. Niemals ist das... das kann doch kein Zufall mehr sein."Sein Gegenüber schluckt und wird sich scheinbar just in diesem Moment erst bewusst darüber, dass sie tatsächlich schon wieder dicht an dicht beieinanderstehen.
"Das ist wirklich keine Absicht", haucht er ehrfürchtig.
"Ich bin einfach nur furchtbar ungeschickt, denk ich...""Schade", ist Yoongis trockene Reaktion, während er einen Schritt zurücktritt und sich den Staub und Dreck des Bodens von seiner Kleidung abklopft.
"Schade?"
"Du sollst nicht immer mit Antwortfragen antworten."
"Dann war es vielleicht keine Frage?", versucht es Taehyung erneut, aber es klingt immer noch wie eine.
"Was war es denn sonst?"
"Eine Zustimmung vielleicht", überlegt er laut. Seine Reaktion ist ein einziges Stolpern und Holpern über Worte, weil sie ihm einfach nicht geradeaus über die Zunge poltern wollen. "Also... nicht, dass ich es schade finde, dass ich so ungeschickt bin. Daran... daran habe ich mich gewöhnt. Aber... Also... ich finds auch irgendwie schade, dass wir immer nur zufällig ineinanderlaufen und öhm... ja. Ich würde das auch gerne mit mehr Absicht machen. Oder so. Falls du verstehst, was ich meine."
"Ich weiß, was du meinst", unterbricht Yoongi ihn, bevor er sich noch weiter verhaspeln kann. "Diese ganze scheiß Begegnung hier ist ein Zufall. Aber... Ich bin auch froh darüber. Ich hatte am Anfang echt ein mieses Bauchgefühl bei meinem Ausflug. Ich wusste einfach, dass irgendwas schieflaufen wird. Und als du wie ne Sirene im Fluss gekreischt hast, hab ich echt gedacht, ich bin im falschen Film gelandet."
"Ich hab doch nicht wie eine Sirene gekreischt!", verteidigt sich Taehyung mit einem Zwischenruf.
"Sondern du hast was getan?"
"Ich habe adäquat und angemessen an meiner Situation höflich Hilfe erbeten?"
"Was laberst du...?", erfragt Yoongi schockiert, aber schüttelt gleich darauf den Kopf. Das macht keinen Sinn. Er wollte außerdem gerade an einer anderen Stelle weitermachen.
"Auf jeden Fall: Ich würde auch gerne mal mit Absicht in dich hineinfallen. Nicht immer nur stolpern. So. Das wollte ich eben noch sagen, bevor du mich unterbrochen hast."
Taehyung schaut ihn mit großen Augen an. Sein Mund steht schon wieder stumm offen und erinnert an einen Fisch. Er ist wirklich unglaublich. Yoongi kann sich schon gar nicht mehr daran erinnern, warum er ursprünglich genervt von ihm war. Jetzt fasziniert ihn jede kleine Bewegung und Geste. Das dunkelgoldene Gefühl breitet sich in jedem Moment, in dem sie sich gegenüberstehen, weiter in ihm aus.
Er greift nach der Hand seines Gegenübers. Es ist so eine bedeutsame Geste, weil er es diesmal mit Absicht tut. Es ist kein Zufall mehr. Niemand stolpert oder braucht Hilfe. Sie stehen einfach nur stumm voreinander und Yoongi streckt die Hand nach Taehyung aus, weil er ihn berühren möchte. Weil er mehr will als nur einen dummen Zufall aus einer romantischen Komödie. Weil er nochmal den Frühlingstag auf Taehyungs Lippen begrüßen will und den Geschmack von Holunder testen, wenn seine Blüten gerade im schönsten weiß erstrahlt sind. Er will das Gefühl von Sonnenuntergang haben.Und Taehyung nimmt seine Hand.
Was auch immer er in Yoongis Gegenwart fühlen mag...
Vielleicht reicht es.* * *
morgen ist einfach schon weihnachten?! unglaublich, wie schnell die zeit vergeht. wir lesen uns morgen zum letzten kapitel!
💜 danke, dass ihr noch mit dabei seid 💜p.s.
der dezember geht trotzdem mit täglichen updates weiter. am 25.12 beginnt der upload von meiner silvesterstory :) ich würde mich freuen, den ein oder anderen auch dort zu lesen!
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Summer Sound
RomanceYoongi will einen ruhigen Tag am See verbringen. Aber Taehyung behauptet von sich selbst, dass er "taehyunghaft" ist und was ist das überhaupt für ein Wort? Beschreibt es seine hysterische Sirenenstimme, die fischartige Eulenhaftigkeit oder doch den...