»Träume«
Nach dem Tanken klang das Auto keineswegs besser, wie versprochen. Jimin bemühte sich den rumpelnden Geräuschen, die ab und an aus dem Inneren des Wagens erklangen, keine weitere Beachtung zu schenken. Das war natürlich leichter gesagt als getan. In Wahrheit verzog der junge Moderator bei jedem winzigen Scheppern unwohl das Gesicht.
So fuhren sie den Tag über weiter. Es wurden noch einige Pausen eingelegt und als die Sonne unterging, waren die fünf Freunde bereits schon im Stadtbezirk der Metropole. Im Auto war es still. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Jimin selbst beschäftigte sich mit der Frage, wann er denn seine geliebten Dramen würde weitergucken können. Er fand es einfach nur erbärmlich, dass einem immer wieder von der Perfektion des Systems vorgeschwärmt wurde, und dann konnten sie nicht einmal die wichtigste Stütze, das U-Web, am Laufen halten.
Plötzlich zuckte Taehyung, der den Kopf an der kalten Scheibe lehnen hatte, auf und schaute sich verwirrt um. Als sein Blick auf seinen besten Freund fiel, bemerkte dieser, was ihn aus seinen Tagträumen gerissen hatte.
Die leisen Melodien von Weihnachtsliedern erklangen von irgendwoher. Als Jimin nach draußen sah, konnte er das leichte Schimmern von Lichtern ausmachen, die definitiv keine Straßenlaternen waren.
"Tae?", fragte er, ohne wegzusehen. "Denkst du, das Selbe, das ich denke?"
"Das tue ich immer. Und gerade denke ich, dass hier jemand einen Weihnachtsmarkt auf die Beine gestellt hat und wir auf jeden Fall da hingehen sollten!"Aufgeregt wandten sich die Freunde Jeongguk zu, der mit Fahren an der Reihe war.
"Jeonggukie", bettelte Taehyung. "Können wir bitte, da hingehen? Bitte!"
Der tätowierte Journalist lachte herzhaft und nickte. "Ihr hättet gar nicht fragen brauchen. Ich habe einen Bärenhunger."Kurz darauf parkte der Oldtimer in einer Seitengasse und fünf junge Männer und ein Spitz schlenderten mit strahlenden Gesichtern über den Weihnachtsmarkt.
"Ich glaube, die das organisiert haben, werden meine neuen besten Freunde", sagte Jin mit Blick auf die Bühne, auf der ein Bläserensemble stand und ein Weihnachtslied nach dem anderen spielte.Tae nickte begeistert. "Meine auch. Die sind hier scheinbar absolut systemuntreu. Sie verkaufen sogar Glühwein und haben echte Kerzen auf den Ständen stehen."
Jimin schlug seinem Freund sachte auf den Arm. "War ja klar, dass dir wieder die gefährlichen Sachen gefallen."
"Kerzen sind ja nun wirklich nicht Brandursache Nummer eins", beschwerte sich Tae scherzhaft.Sie drängten sich weiter durch die Menge. Der Markt war gut besucht. Und das ausgerechnet in der Metropole. Aber wenn es kein U-Web gab, schienen die Menschen sich plötzlich auf ihre Vergangenheit und Traditionen zu besinnen.
Jimin fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er sah, dass man vor den Bühnen sogar drei Feuerschalen entzündet hatte. Hoffentlich würde hier nicht der Sicherheitsschutz vorbeikommen. Aber vielleicht hatten sie Glück, beruhigte er sich im nächsten Moment selbst. Die machen sich meistens nicht die Mühe, die Randgebiete zu überwachen.
Als Jimin die Feuer genauer betrachtete, fiel ihm auf, wie kalt seine Finger schon wieder waren. Zögernd ging er auf das mittlere zu und stellte sich zu einer alten Dame, die dort bereits ihren Glühwein schlürfte und kräftig mitsang.
Sie lächelte Jimin an, als er sich zu ihr gesellte und er grüßte sie vorsichtig. Als er seine Hände an die Flammen hielt, wurden sie schnell wärmer und tauten auf. Mit geröteten Wangen blickte nun auch er zur Bühne und lauschte der Sängerin, die jetzt das kleine Orchester begleitete.
Sie sang ein sehr bekanntes Weihnachtslied. Es war das erste, dass am ersten Dezember diesen Jahres gespielt wurde. Auf jedem Sender.
Das Lied handelte von den Wünschen zu Weihnachten. Wie jeder Wunsch erfüllt wurde. Wenn man genauer über den Text nachdachte, was eigentlich keiner machte, dann erkannte man die Zweifel, die der Schreiber des Liedes hatte. Zweifel, ob es sich noch lohnte zu träumen.Jimin legte den Kopf schief. Taehyung hatte ihm den Song mal so erklärt und seitdem hörte er ihn nicht mehr so gern. Es war ihm zu nervenaufreibend selbst zu zweifeln. Außerdem machte er sich dann immer viel zu viele Gedanken und am Ende war sein ganzes Leben ein Fehler. Deshalb dachte er gar nicht erst darüber nach und ließ alles einfach so, wie es war.
Jetzt aber machte diese Entscheidung keinen Sinn mehr. Jimin hatte sich von Taehyung dessen Leben zeigen lassen. Eine ganz neue Welt hatte sich vor ihm eröffnet. Eine Welt, in der Träume noch sinnvoll waren. In der es sich lohnte, etwas für sich selbst zu tun.
Da wandte die alte Dame neben ihm ihr zerfurchtes, aber freundliches Gesicht Jimin zu. Sie betrachtete ihn lange, mit gebeugtem Rücken und der dampfenden Tasse in den Händen. Schließlich legte sie selbst den Kopf schief und blinzelte ihn mit ihren kleinen Augen listig an.
"Hast du Träume?"
°°°
-Joiy
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All I want for Christmas... | Adventskalender
FanficIn einer Welt, in der es pünktlich zum ersten Dezember schneit und Weihnachten jedes Jahr genauso läuft, wie es sollte, wünscht sich Park Jimin nichts weiter als... Ja, als was denn? Er hat eine Menge Wünsche. Eben genauso, wie es sich für einen Men...