,,Aufwachen Allison!", nahm ich eine raue, bekannte Stimme aus weiter Ferne wahr, als mich im nächsten Augenblick ein Eimer kaltes, klares Wasser zurück in die Realität katapultierte. Verschlafen öffnete ich die Augen und konnte verschwommen zwei große, starrende, braune Augen erkennen. ,,Was ist?", knurrte ich müde vor mich hin. ,,Ich fahre jetzt zur Schule, ich gehe davon aus, dass du nicht schwänzen willst oder?", fragte Rick mich skeptisch und schon war ich hellwach. ,,Warum hast du mich nicht früher geweckt?", rief ich panisch außer Atem, als ich sein tiefes Lachen hinter mir vernahm: ,,Weißt du eigentlich wie schwer es war dich wach zu kriegen, Kleines?" Ich setzte einen Schmollmund auf und begutachtete meine gestrigen, noch immer nassen Klamotten. ,,Kann ich mir was von dir leihen?", meinte ich genervt und zugleich müde. Rick nickte.
Nur wenige Minuten später, saßen wir in seinem blauen, rostigen Truck und holperten über eine leere, steinige Waldlichtung hinweg zur Schule. Ob sich meine Eltern wohl Sorgen um mich gemacht hatten? Dachte ich mir, doch so schnell wie mir diese Gedanke durch den Kopf schoss, so schnell verbannte ich diesen Gedanken auch schon wieder. So selbstsüchtig und naiv wie sie auch waren, dachten sie wahrscheinlich ich hätte mich bei Liam ausgeheult, doch er war bei weitem die letzte Person die ich gerade sehen wollte. Aber natürlich, es konnte gar nicht anders kommen: In Ricks Jogginghose und seinem Hoodie, der unfassbar gut nach seinem Deodorant roch, stieg ich aus dem Auto und sofort legten sich alle Blicke auf uns. Wir schauten einander kurz an und gingen folgend zu unseren Schließfächern. ,,Warum haben die uns alle so angestarrt? Das war ziemlich unheimlich:", stellte ich lachend fest. ,,Du weißt doch wie schnell die Leute hier über einen reden. Einmal kurz nicht aufgepasst und schon bist du die Schulschlampe, die mit jedem Jungen ins Bett steigt.", entgegnete er mir woraufhin wir lauthals anfingen zu lachen. Ricks Gesicht ließ mich träumen, so pur und doch so mysteriös. Sein Lächeln, so engelsgleich und-.. Plötzlich zog sich eine dunkle Mimik wie die Nacht über sein Gesicht und ich sah ein verachtendes, wütendes Funkeln in seinen Augen. ,,Sieh mal einer an, wer da kommt. Der Leibwächter höchst persönlich", fauchte Rick. Ich drehte mich um und sah Liam besorgt auf mich zulaufen. ,,Verzieh dich", zischte er, als er Forbes erblickte und mich in den Arm nahm. Rick verdrehte nur genervt die Augen und haute ab. ,,Was sollte das?", fragte ich empört. ,,Schatz ich hab mir den ganzen Tag sorgen um dich gemacht und dann sehe ich dich aus seinem dreckigen Auto steigen. Ich vertraue dir, aber das käme dir an meiner Stelle genauso kurios vor. Ich hab dich etliche male angerufen, wo warst du!?"
,,Bei ihm", gab ich von mir und strapazierte somit seine nicht all zu große Beherrschung. ,,Ich war bei ihm, die ganze Zeit über." Ich merkte wie er gegen seine Wut ankämpfte: ,,Und warum?", wollte er wissen. ,,Es hat geregnet und seine Hütte hat mir Schutz vor dem Gewitter geboten, er hat mir Suppe gemacht, weil mir kalt war, mir seine Sachen geliehen, weil meine zu nass vom Regen waren und hat mich in seinem Bett schlafen lassen, obwohl er mich auch alleine um Mitternacht hätte nach hause schicken können. Das Einzige was ich von dir jetzt noch erwarte, ist eine Entschuldigung an Rick, denn eigentlich ist sowas deine Aufgabe und nicht seine!", stelle ich klar, knallte die Tür zu meinem Schließfach lauthals vor seiner Nase zu und steuerte auf Raum 312 zu. Den ganzen Morgen über, wünschte ich mich in Ricks beschützende Arme zurück und glücklicherweise erwies mir mein Schicksal einen Gefallen: Ich hasste die volle Mensa, also verschwand ich auf das Dach der Schule. Es war den Schülern strengstens verboten, auch nur einen Fuß auf das Dach der Schule zu setzen, trotzdem würde ich nicht im geringsten Ärger bekommen. Wenigstens etwas Gutes, brachten meine Eltern mit sich. ,,Erneuter Selbstmordversuch?Mrs O'Sullivan?" Und ohne mich umdrehen zu müssen, musste ich schmunzeln. ,,Keine Angst, heute hab ich allerhöchstens Platzangst in der Mensa bekommen", entgegnete ich Wahrheitsgemäß und deutete auf den leeren Platz neben mir hin. ,,Hat sich Liam bei dir entschuldigt?", fragte ich, obwohl ich ihn eigentlich nicht mehr in Ricks Gegenwart erwähnen wollte. ,,Ach du hast den Psychopathen dazu gebracht, mir einen Check von 2000 Dollarn auszustellen?''. Ich verschluckte mich an meinem lauwarmen Kaffee: ,,Typisch Liam, keinen Mut für eine Entschuldigung, aber Geld von Mami und Papi ausgeben." ,,Ach was, davon kann ich mir wenigstens was schönes kaufen. Von einer lächerlichen Entschuldigung eher nicht''. Ich nickte: ,,Willst du mir jetzt vielleicht erzählen wofür du mich noch brauchst?", versuchte ich zu dem einzig wichtigen Thema überzugehen. ,,Alles zu seiner Zeit, Liebes. Ich kann dir nur sagen: Du und ich haben zusammen noch Großes vor." Mit diesen Worten endete unsere Konversation und wir genossen unsere Zweisamkeit im stillen Schweigen. Er wusste wir standen gerade mal am Anfang und ich wusste unser Buch war noch lange nicht zu ende geschrieben. Auch wenn alles erst fremd wie auf einer anderen Sprache erschien, könnten wir uns nach einer gewissen Zeit verstehen und lesen. So, wie ein verschlossenes, geheimnisvolles Buch, geschrieben in Hieroglyphen oder im chinesisch-traditionellen Hánzi.
Den Rest der Woche verbrachte ich mit meinen heißgeliebten Eltern in einem Ferienhaus an der stillen, isolierten Küste Kanadas und so kam es, dass ich weder Rick noch Liam zu sehen bekam, wobei mir letzteres ziemlich gleichgültig war. Ich vermisste Rick und da ich weder seine Handynummer, noch seine Adresse hatte, konnte ich keinen Kontakt zu ihm aufbauen. Das einzige was mir blieb war sein Pullover, welcher mittlerweile wahrscheinlich schon mit meinem Körper verschmolzen war. Immer wenn ich mit meinen Eltern Streit hatte, war dieses Kleidungsstück der Grund, dass es nicht vollkommen eskalierte. Immer wenn ich mich einsam fühlte, schenkte dieses Kleidungsstück mir Geborgenheit...Seine Geborgenheit. Obzwar ich nicht die leiseste Ahnung hatte, was das zwischen uns war, sehnte sich jede einzelne Faser meines Körpers nach seinen unwiderstehlichen, kraftschenkenden Berührungen. Denn diese wurden für mich ein Symbol des unerschütterlichen Adrenalins und des Abenteuers.
DU LIEST GERADE
The danger of us
Roman d'amour,,Schon nach unserer ersten Begegnung, hatte er alles verändert, mein Leben auf den Kopf gestellt, meine Tage versüßt und sie zugleich so bitter gemacht: Allison O'Sullivan, das kleine unschuldige Mädchen mit der Zahnspange, zumindest war ich das ei...