Dezember Teil 1

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Ich starre seit bestimmt zehn Minuten auf meine gepackte Tasche und bin total weggetreten. Wenn ich nur daran denke, dass wir gleich fahren, dreht sich mir der Magen um. Drei Stunen schlechte Laune, eingepfercht in einem Auto. Wunderbar.

„Hast du's?", Julian steht im Türrahmen und sieht mich abwartend an. Bei seinem Tonfall zucke ich schon wieder zusammen und presse meine Lippen aufeinander. Ich versuche noch einmal die gepackten Koffer in meinem Kopf durchzugehen, scheitere aber. „Glaube schon", murmele ich leise und überlege krampfhaft, ob ich nicht doch etwas vergessen habe. Allerdings kann ich mich mit Julian im Rücken nicht wirklich konzentrieren.

„Wenn du noch angestrengter nachdenkst, explodiert dein hübscher Kopf", mein Freund kommt grinsend auf mich zu und stupst mir mit dem Finger auf die Nase. „Das wichtigste ist dein Pass, Kleines. Alles andere können wir nachkaufen." Ich bin total perplex. Diesen Umschwung von mieser zu guter Laune bin ich ja seit ein paar Wochen gewohnt, aber es kommt doch jedes Mal wieder vollkommen überraschend und bringt mich so aus dem Konzept, dass ich einfach antworte ohne nachzudenken.

„Bloß nicht... Weißt du wie teuer das da alles ist?", ich schiebe meine Unterlippe vor und sehe Julian an. „Wenn ich jetzt sage, dass es mir total egal ist wie viel es kostet, reißt du mir wieder den Kopf ab... Deshalb spare ich mir das jetzt und sage: Denk nochmal nach und dann komm runter. Ich will nicht ewig warten, der Verkehr ist so schon ätzend genug."

„In dem Tempo, indem du unterwegs bist, könnten wir auch erst in einer Stunde losfahren und wären trotzdem pünktlich zum Abendessen in Bremen", ich schieße eine Spitze gegen Julian, da er schon wieder in den schlecht-gelaunt-Modus gefallen ist und es mir langsam wirklich reicht. Mein Freund bleibt natürlich sofort stehen: „Hast du was gegen meinen Fahrstil?" „Nein, nicht gegen deinen Fahrstil, der ist wirklich erstaunlich gut. Aber gegen das Tempo mit dem du unterwegs bist." „Ich fahre anständig", ruft mein Freund aus und verschränkt die Arme vor dem Körper. „Du heizt in einem Tempo durch die Gegend, dass ich mich wundere, dass du deinen Führerschein noch hast!" „Das stimmt nicht... So schnell fahr ich gar nicht und überhaupt... Und du hast noch nie gesagt, dass du dich bei mir nicht wohl fühlst, wenn ich fahre... das ist... nicht fair... Du fährst auch nicht gerade langsam..." „... das mag sein, aber ich fahre immer noch im Rahmen dessen was erlaubt ist... Du legst... Tempolimits gerne mal großzügig aus. Was wahrscheinlich einfach an deinen Autos liegt, die diese Geschwindigkeit auch fahren können. Und dass ich mich bei dir nicht wohl fühle, habe ich nie gesagt. Ich bin immer gern mit dir gefahren... Also geh doch schon mal runter. Ich kann sonst nicht nachdenken." „Vielleicht solltest du dann mit Jannis hoch fahren, wenn ich dir eh zu schnell unterwegs bin und dich am nachdenken hindere...", Julian wirft die Worte in den Raum, dreht sich daraufhin einfach um und geht grummelnd nach unten.

So war das heute morgen wirklich nicht geplant, aber die letzten Wochen waren so hektisch, dass ich einfach nicht den Kopf hatte, um Vorbereitungen zu treffen oder mir Gedanken zu machen, was ich mitnehmen will. Dass Julian und ich uns dann dauernd anzicken, macht die Sache nicht besser.

Wir fahren heute, einen Tag vor Weihnachten, nach Bremen, um dort die Weihnachtsfeiertage zu verbringen. Am 26.12. geht es dann für Julian und mich bis zum 31.12. nach Island. Julian konnte meine Faszination von diesem Land nicht so recht nachvollziehen, daher hatte er schon im Sommer vorgeschlagen, dass ich es ihm einfach direkt zeigen könnte. Daher haben wir für uns entschieden, dass ich Julian zwischen den Jahren Reykjavík zeige. Für eine größere Tour reicht leider die Zeit nicht, aber ich war der Meinung, dass die Stadt ausreichen würde. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich würde lieber hier bleiben und mich in meinem Bett verkriechen. Ein paar Tage ohne das Mecker-Monster würden mir gut tun.

Es ging wirklich hoch her die letzten Wochen. Julian ist, warum auch immer, seit unserem Familientreffen mies drauf. Dazu kam, dass er, aufgrund des Spielplans, von einem Spiel und Training zum nächsten rennen musste, seine Leistung schlecht wurde und damit auch Julians Laune weiter in den Keller fiel.

Ein ganzes Jahr - Kurzgeschichte zu Winter SongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt