Bonuskapitel 2

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Nadja hilft mir dabei mein Kleid anzuziehen, als die anderen weg fahren. Ich fühle mich gerade wie bei einem Marathon. Ich bin komplett im Tunnel und starre mich perplex im Spiegel an, während meine Beste hinter mir aufschluchzt.

Ich drehe mich zu ihr um und sehe dabei zu, wie sie sich gerade die Tränen aus dem Gesicht tupft und „Du bist so hübsch", murmelt. Dann zieht sie mich in eine feste Umarmung. „Ich bin so froh, dass du endlich deinen Herzmenschen gefunden hast und... und das du das alles hinter dir lassen konntest. Und Himmel, du heiratest ihn heute! Er wird ohnmächtig, wenn er dich so sieht." „Na hoffen wir das mal nicht. Ohnmächtige sagen für gewöhnlich nicht Ja", ich schmunzele leicht und drehe mich dann noch einmal zum Spiegel um.

Nadja hat aber Recht. Ich fühle mich heute auch so unglaublich hübsch. Die Stylistin hat meine Haare leicht eingedreht und um meinen Kopf liegt ein helles Band mit kleinen Glitzersteinen, die funkeln wie echter Schnee. Sie passen perfekt zu meiner Schneeflocke, die über meinem Kleid an einer kurzen Kette hängt. Der obere Teil meines Kleides ist komplett aus Spitze, liegt hauteng an und hat dreiviertel Ärmel, die unten leicht auslaufen. Von hinten hat es einen tollen Rückenausschnitt, die gerade genug Haut zeigt. Ab meiner Taille fällt es dann fließend in Tüll und Spitze nach unten. Der Übergang wird von einem seidenen Band gehalten, das genau zu meinem Kopfschmuck passt. Ich fühle mich wirklich hübsch und zum ersten Mal heute fühle ich Vorfreude und strahle endlich.

Meine Trauzeugin rafft gerade meine Schleppe zusammen und versucht sie möglichst elegant zu halten. Das klappt aber nicht so ganz und sie flucht leise vor sich hin, „Hättest du nicht auch ein Kleid aussuchen können mit etwas weniger Spitzenschleppe? Wobei warte... nein hättest du nicht, denn dann würdest du heute nicht so zauberhaft aussehen! Du bist die perfekte Winter-Fee und wirst Julian umhauen. Also meine Liebe... Wollen wir?"

Als wir aus dem Auto steigen und das Zelt vor der Kirche betreten, habe ich schweißnasse Hände und meine Finger zittern vor Aufregung und Vorfreude. Ich bin aber gleichzeitig auch so unfassbar nervös, dass ich Marius und Charlie kaum wahrnehme und auch alle anderen ganz weit weg erscheinen.

Erst als meine Mama meine Hand in ihre Armbeuge legt und mir beruhigend darüber streicht, komme ich zu mir. „Du schaffst das Schatz", sie sieht mich glücklich an, „Du musst nur einen Schritt vor den anderen machen und ich sorge dafür, dass du nicht fällst." Das bringt mich kurz zum Lachen und entspannt mich für eine Sekunde. „Du sieht wunderschön aus, mein Schatz und ich bin so stolz auf dich", ihre Stimme klingt belegt und kurz darauf weint meine Mama neben mir. „Oh Mama", ich umarme sie fest und sie erwidert es mit so viel Liebe, dass mir warm wird.

Wir beide haben in den letzten Jahren viel geredet und finden uns immer noch. Aber ich denke wir sind an einem Punkt, an dem ich ihr vergeben kann und das macht uns beide sehr glücklich. Wir werden niemals diese typische Mutter-Tochter-Beziehung haben, aber immerhin haben wir noch eine. Charlie hat ihre Mutter verloren und das hat mir klar gemacht, wie wichtig es ist, dass meine noch hier ist und für mich da sein kann. Jetzt wo sie endlich sein kann, wie man das von einer Mutter erwartet. Und diese Gewissheit entspannt mich. Auch wenn ich immer noch sehr nervös bin, will ich da jetzt unbedingt rein. Zu Julian.

Als die Musik einsetzt, klammere ich mich an den Arm meiner Mutter, bevor wir beide langsam in den Gang zum Altar treten.

Mein erster Blick wandert sofort zu Julian und als meine Augen seine finden, nehme ich absolut nichts anderes mehr wahr. Seine Augen weiten sich für einen Moment, sein Mund öffnet und schließt sich im Wechsel und er starrt mich für ein paar Sekunden einfach nur an. Ich werde automatisch leicht rot um die Nase, lächle ihn aber glückselig an. Denn den auch er sieht unglaublich aus. Der dunkelblaue Anzug steht ihm unglaublich gut und ich muss mich dermaßen zusammen reißen um nicht einfach auf ihn zu zurennen und mich in seine Arme zu werfen. Denn Julian steht jetzt dort vorne und weint einfach nur. Sein Blick sagt mir so viel und ich fühle seine Liebe für mich bis in die Haarspitzen. Und ich fühle genauso. Das ist auch der Grund warum ich jetzt ebenfalls meine Tränen nicht mehr zurück halten kann.

Ein ganzes Jahr - Kurzgeschichte zu Winter SongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt