Special- Die Hochzeit

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Disse:

Nervös stehe ich im Badezimmer vor dem Spiegel und zupfe an meinem dunkelblauen Anzug herum. Heute war es soweit. Der große Tag, auf welchen ich solange gewartet hatte. Heute werden Lukas und ich uns vor dem Altar, das Ja-Wort geben. Allein bei dem Gedanken spürte ich wie die Nervosität in mir hochstieg. Mein Herz schlug mir wie verrückt gegen den Brustkorb, während meine Hände eiskalt waren. Ich glaube ich war noch nie zuvor so aufgeregt, wie in diesem Moment. In knapp einer Stunde musste ich fertig gestylt vor dem Altar stehen. Hektisch fuhr ich mir durch meine Haare, die immer noch nicht in der Position standen, in welcher ich sie eigentlich haben wollte. Wieso muss das ausgerechnet heute sein? Normalerweise legte ich keinen sonderlichen Wert auf meine Frisur, doch heute wollten sie einfach nicht an der Stelle stehenbleiben, wo ich sie eigentlich haben wollte. Frustriert lasse ich die Bürste ins Waschbecken fallen und stöhne verzweifelt auf. Wenn das so weitergeht, werde ich nie im Leben fertig. Wo ist eigentlich Rune? Prüfend warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr. Kurz nach halb. Er wollte eigentlich um halb da sein! Ich atmete tief durch und sprach mir zu, dass alles gut gehen wird und er wahrscheinlich jeden Moment vor der Tür stehen wird. Ich vernahm ein Klopfen an der Badezimmertür. Im ersten Moment hoffte ich es wäre Rune, aber dann steckte Liv ihren Lockenkopf zur Tür herein. „Ich wollte mal schauen wie es bei dir so aussieht?", entschuldigte sie sich. Ich nickte ihr zu und sie kam mit ihrem strahlend blauen Kleid ins Badezimmer gelaufen. Sie sah echt wunderschön aus und das Kleid passte perfekt zu ihrer Augenfarbe. Ich starrte sie mit offenem Mund an und sie wurde leicht rot um die Wangen. „Wow", presste ich hervor. Zu mehr war ich in meinem jetzigen Zustand nicht in der Lage. „Kann ich so gehen?", fragte sie skeptisch. Ich nickte sofort. „Ich wette Gisli würde dich am liebsten gleich vernaschen wollen, wenn er dich sieht", zwinkerte ich ihr zu und kassierte einen leicht wütend funkelten Blick. „Eigentlich würde ich dich jetzt für diesem Kommentar schlagen, aber da es heute deine Hochzeit ist, verschone ich dich", erklärte sie mir und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie großzügig", lachte ich. Ich griff nach der Bürste und startete einen neuen Versuch mit meinen launenhaften Haaren. „Was soll das werden? Gerade siehst du aus wie ein Professor dessen Experiment missglückt ist", kicherte sie. Ich warf die Bürste in ihre Richtung. Sie bückte sich und hob diese vom Boden auf. „Setz dich auf den Badewannenrand", befahl sie. Seufzend ließ ich mich auf dem Rand der Badewanne nieder und Liv begann meine Haare zu stylen. „Ist das nicht die Aufgabe von Rune?", fragte sie mich währenddessen. Ich zuckte ratlos mit den Schultern. „Eigentlich wollte er vor exakt fünf Minuten hier sein", seufzte ich. „Hättest du dir eben einen zuverlässigeren Trauzeugen ausgesucht", meinte Liv achselzuckend. Ich war so froh, dass sie hier war. Ich wüsste gar nicht wie wir das alles ohne sie geschafft hätten. Selbst bei der Tischdeko hätten Lukas und ich uns nie ohne ihre Hilfe einigen können. Sie hatte mir in den letzten Monaten so geholfen. „Und wie war die letzte Nacht so alleine", zog sie mich weiterhin auf. Lukas hatte nämlich fest darauf bestanden, dass wir in der Nacht vor der Hochzeit in getrennten Zimmern schlafen werden. Kurzerhand hatte er sich dann entschlossen gleich bei Niko zu übernachten, denn dieser war sein Trauzeuge. „Schrecklich", antwortete ich. „Lukas ist in solchen Sachen eben traditionell abergläubisch", warf Liv ein. Ich konnte ihr nur rechtgeben. Er hatte auch darauf bestanden, dass ich seinen Anzug nicht vor der Trauung sehen dürfte, weil es sonst ja Unglück bringen würde. „Irgendwie ist er schon etwas die Braut von uns", überlegte ich laut. „Du meinst wegen der Sache mit dem Anzug", lachte sie. Wie immer verstand sie sofort, an was ich gedacht habe. Ich nickte. Daraufhin kicherte sie lautlos. „So fertig", rang sie irgendwann vor Lachen nach Luft. Ich stand auf und betrachtete mich prüfend im Spiegel. Erleichtert stellte ich fest, dass es Liv gelungen war meine Haare perfekt zu stylen. Kein winziges Härchen stand in irgendeine Richtung ab. „Danke", bedankte ich mich und umarmte sie stürmisch. „Schon gut", lachte sie. Wir wurden von der Türklingel unterbrochen. „So ich öffne deinem Trauzeugen mal die Tür und mach mich dann fertig. Ich muss ja noch meine Schuhe anziehen, mich schminken und meine Haare zum Teil einflechten", stellte Liv geschockt fest und stürmte aus dem Badezimmer. Kopfschüttelnd schaute ich ihr hinterher. Mit zittrigen Händen griff ich nun nach meiner Fliege. Ich hatte noch nie eine Fliege getragen, aber Rune war voll begeistert gewesen und hatte mich förmlich dazu überredet. „Man muss auch mal was anderes wagen", lautete sein Wortlaut.  „Sorry", erklang Runes vertraute Stimme, der in seinem Anzug im Badezimmer erschien. Wir klatschten uns kurz ab. „Und bereits nervös?", wollte er wissen und setzte sich breit grinsend auf den Badewannenrand, während ich den Versuch startete die Fliege zu knoten. „Und wie? Ich kann kaum still stehen, drehe fast durch bei jeder Kleinigkeit die nicht perfekt läuft. Ich konnte vor Aufregung gestern Abend kaum einschlafen", begann ich aufzuzählen, während ich einen blauen Stoffknoten, der eigentlich eine Fliege werden sollte, frustriet in den Händen hielt. „Verdammte scheiße", fluchte ich genervt und wollte das Stoffteil fast wutentbrannt durchs Badezimmer schleudern. Rune kam lachend auf mich zu, nahm mir die Fliege ab. „Halt still", befahl er und knotete in wenigen Sekunden eine perfekte Fliege. Etwas deprimiert schaute ich ihn an. Bei ihm sah das alles so gekonnt aus. „Übung macht den Meister", meinte er aufmunternd und klopfte mir auf die Schulter. Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel. Ich war bereit. Bereit vor den Altar zu treten. Nur noch das dunkelblaue Jackett, welches auf dem Bügel an der Badezimmertür hing musste ich mir überstreifen. Nervös holte ich den zerknitterten Zettel aus meiner Hosentasche. Gestern Abend hatte ich stundenlang nochmals über meine Gelübte nachgedacht. Ich fand sie einfach noch nicht gut genug. Zwar hatten alle denen ich sie bisher gezeigt hatte gesagt, dass sie perfekt wäre, aber irgendwie hatte ich Angst sie sagten es nur, um mich zu beruhigen. Doch ich war alles andere als beruhigt. Ich hatte Angst. Angst davor, dass er nicht erscheinen würde. Was wenn er doch kalte Füße bekommen hatte? „Alles gut?", fragte mich mein bester Freund besorgt und musterte mich skeptisch. „Was wenn er es sich doch anders überlegt hat?", ließ ich ihn an meinen Zweifel teilhaben. „Disse, jetzt mach dich nicht verrückt! Lukas liebt dich über alles und er hat die letzten Tagen von nichts anderem geschwärmt, als eurer Hochzeit", redete er auf mich ein. Auch wenn ich wusste, dass ich Rune vertrauen sollte, ließen meine Zweifel nicht nach. „Du nimmst jetzt dein Jackett, wir müssen nämlich in den nächsten zehn Minuten los", erinnerte mich mein Trauzeuge. Seufzend nahm ich das Jackett von Bügel und folgte Rune aus dem Badezimmer. Erst jetzt fiel mir auf, dass auch er etwas nervös zu sein scheint. Ich hab ihn immer noch nicht gefragt, wieso er eigentlich zu spät kam. „Wieso kamst du eigentlich etwas später?", erkundigte ich mich. Mit zitternden Händen holte er ein Ringschächtelchen  aus seiner Hosentasche. „Was?", quiekte ich aufgeregt und umarmte ihn fassungslos. „Du willst...", stammelte ich überfordert. „Ja, aber ich weiß nicht, ob es nicht noch zu früh ist", seufzte er. „Rune ihr seit mittlerweile zwei Jahre, wenn nicht sogar noch länger zusammen", lachte ich. „Du meinst also?", fragte er skeptisch. „Na klar! Außerdem haben ich mich vor kurzen Mal mit Stine über WhatsApp wegen diesem Thema unterhalten", erklärte ich ihm. „Wirklich? Was hat sie gesagt?", stammelte Rune fassungslos. „Dass sie sich schon oft gefragt hat, ob du ihr einen Antrag machst? Oder ob sie das machen soll. Oder ob sie dich mal darauf ansprechen soll", schilderte ich ihm. „Hab ich sie zu lange warten lassen?", wollte Rune geschockt wissen. Lachend legte ich meine Hand auf seine Schulter. „Nein, aber ich wollte damit nur sagen, dass sie bereits darauf wartet", erklärte ich ihm. „Ok, dann muss ich nur den richtigen Zeitpunkt abwarten", sprudelte es panisch aus ihm heraus. „Den wirst du schon finden, du musst mir aber unbedingt zuvor Bescheid sagen", stellte ich klar. "Platz da", riss uns Livs panischer Schrei aus den Gedanken. Sie stürmte an uns vorbei aus ihrem Zimmer Richtung Bad. Fragend schauten wir ihr hinterher. "Ich frage mich, ob ich es nicht wann anders machen sollte?", erklärte Rune. "Du meinst auf einem romantischen Date, nicht vor den ganzen anderen?", fragte ich. Er nickte. "Das musst du wissen, du musst dich dabei wohl fühlen. Du weißt, wenn du bei irgendetwas Hilfe brauchst, ich bin für dich da", versicherte ich ihm. "Danke", strahlte Rune und umarmte mich stürmisch. "So seid ihr fertig?", fragte Liv, die aus dem Badezimmer zurückkam. Ich nickte. "Dann los", strahlte sie. Ich schlüpfte in meine Schuhe. Ich hätte ja lieber meine bequemen Adidas Schuhe angezogen, aber die passten eben absolut nicht zu diesem Anzug. Liv quetschte sich in ihre Absatzschuhe. Schmunzelnd erinnerte ich mich daran, wie Dajana und Liv bei uns in der Wohnung laufen geübt haben. Sie wollten beide unbedingt hohe Absätze, damit sie wenigstens mal etwas größer waren. Als sie dann wieder von Shoppen zurück waren, sind sie bei uns in der Wohnung auf und abgelaufen und habe die beste Lauftechnik gesucht. Ich sah Dajana wieder stolpern, sich panisch an Liv festklammern und dann die beiden lachend auf dem Wohnzimmerboden sitzen. Auch diesmal strauchelte sie etwas beim Anziehen. Rune hatte sich gerade noch festgehalten, bevor sie umgekippt wäre. "Sicher, dass du die Schuhe nehmen willst?", fragte ich skeptisch. "Ja, ich will einmal groß sein", fauchte Liv und stapfte etwas beleidigt aus der Tür. "Ich nehme ihre anderen Schuhe mit", entschied ich. Ich steckte ihre Ballerinas in eine Tüte, dann folgte ich meiner Schwester aus der Haustür. Gegenüber kam gerade Marko mit seiner Frau und seinem Sohn aus der Tür. "Bis gleich", rief Rune rüber. Unser Kumpel winkte lachend. Rune bestand darauf zu fahren, weil ich ja heut heirate und dann fährt man nicht selbst zur Kirche, meinte zumindest er. Ich gab also nach und ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Im Rückspiegel sah ich Anna gerade mit Runa rüber zu Markos Auto laufen. Sie würde bei den beiden mitfahren. "Ich kann es immer noch nicht glauben, dass sie wirklich auf die Hochzeit will", überlegte Rune laut. "Naja sie ist Lukas älteste Freundin", warf ich ein. Aber selbstverständlich nach der ganzen Geschichte war das nicht. Ich war nur froh, dass wir uns nach allem so gut verstehen. Dann startete Rune den Wagen und wir rollten los Richtung Kirche.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 24, 2020 ⏰

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Spiel um Spiel, Lüge um Lüge und wann sieht er es ein? - The Second ChapterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt