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- 25.12. -

- Lola -

„Also wollt ihr nach dem Frühstück gleich ins Krankenhaus fahren?“, fragt Zoe, die neben mir sitzt und mir gerade einen Korb voller Croissants reicht, aus welchem ich mir eins nehme.
„Ganz genau“, erwidert Marie und nimmt einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse, „sobald alles aufgeräumt ist, werden Constantin und ich uns zusammen mit den Kindern auf den Weg machen.“
„Ja, das ist ganz doll wichtig“, sagt Amélie, während Thibault gegenüber von ihr eifrig nickt, „wir müssen doch gucken, ob Papa Noël unseren Weihnachtswunsch erfüllt hat.“
„Euren…Weihnachtswunsch?“
Während ich grinsend in mein Croissant beiße, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie Zoe etwas verwirrt ihre Stirn runzelt.
„Mmmm“, brumme ich mit vollem Mund und nicke ebenfalls, bevor ich den Bissen des Croissants herunterschlucke und zu Zoe schaue, „Amélie und Thibault haben gestern Abend noch kurzfristig ihren Wunsch an Papa Noël geändert.“
„Jaaa, genau“, stimmt Thibault mir zu und hebt mit wichtiger Miene seinen Kopf ein Stück höher, während Zoes verwirrter Blick von mir zu ihrem Neffen wandert, "wir haben uns gewünscht, dass es Oma heute wieder besser geht und wir müssen doch wissen, ob der Wunsch noch rechtzeitig bei Papa Noël angekommen ist.“
„Ah…verstehe“, sagt Zoe langsam, wobei ihr immer noch verwirrter Blick wieder zurück zu mir wandert und ich ein weiteres Mal in mein Croissant beiße, um mein Kichern ein wenig zu dämpfen.
So süß wie Amélie und Thibault sind, müssen sie einfach mit Zoe verwandt sein…
„Ich werde vermutlich auch nach dem Frühstück und dem Aufräumen losfahren“, ertönt plötzlich Pierres Stimme, der schräg gegenüber von mir sitzt und seinen Mund mit einer Serviette abtupft. „Meine Eltern und Geschwister werden sich bestimmt freuen, wenn sie mich über die Weihnachtstage noch zu Gesicht bekommen. Aber wenn ihr etwas Neues über Elodies Zustand erfahren solltet, wäre ich froh, wenn ihr mir darüber Bescheid geben könntet. Ich mache mir ja auch Sorgen um sie...also, auch wenn ich nicht zur Familie gehöre.“
„Natürlich machen wir das, Pierre“, erwidert Zoe mit einem verständnisvollen Lächeln, bevor sie jedoch innehält und mir einen vorsichtigen Blick zuwirft.
Kein Wunder, immerhin habe ich gestern Abend keine Gelegenheit gehabt, ihr von Pierres und meiner Aussprache zu erzählen.
Und…vielleicht ist das auch besser so…
Schließlich denkt Zoe immer noch, dass Pierre sie nur als seine beste Freundin ansieht.
Und wenn sie die Wahrheit wüsste, beziehungsweise ihr durch eine Bestätigung seitens Pierre Glauben schenken würde, würde das bestimmt ihre Freundschaft zueinander ändern oder sogar kaputt machen, so wie immer, wenn unerwiderte Gefühle mit im Spiel sind. Und das, obwohl Zoe gestern Abend nochmal erwähnt hat, wie wichtig ihr die Freundschaft zu Pierre ist und wie sehr er ihr geholfen hat, sich von dem Schmerz der Scheidung abzulenken.
Und abgesehen davon hat Pierre sich ja auch bei mir entschuldigt und gesagt, dass er weiß, dass er keine Chance bei Zoe hat, weshalb er es auch nicht länger bei ihr versuchen wird…von daher…
Während Zoe mich immer noch etwas verunsichert ansieht, schlucke ich den zerkauten Croissantbissen in meinem Mund herunter und räuspere mich.
„Zoe hat Recht“, sage ich und drehe meinen Kopf zu Pierre, der mich mit leicht gemischten Gefühlen ansieht, „sobald wir irgendwelche Neuigkeiten über Elodies gesundheitlichen Zustand haben, geben wir dir Bescheid.“
Ein erleichtertes Lächeln breitet sich auf Pierres Lippen aus und er nickt mir dankbar zu, wohingegen Zoes Augenbrauen sich vor Verwunderung heben und sie fragend zwischen Pierre und mir hin und her sieht. Marie und Constantin scheinen ähnlich irritiert zu sein und werfen einander einen nachdenklichen Blick zu, während ich Pierres Lächeln mit einem Zwinkern erwidere und ein weiteres Mal in mein Croissant beiße.

- Zoe -

„Hast du eigentlich kein Gepäck?“, frage ich, während ich zusammen mit Pierre auf die Veranda trete und fröstelnd meine Hände aneinander reibe.
„Schön, dass dir das auffällt, nachdem ich schon eine Nacht in meinen Sachen von gestern auf eurem Sofa verbracht habe“, erwidert Pierre mit einem sanften Lachen und streicht mir anschließend beruhigend über den Oberarm, als er sieht, wie eine dezente Röte in meine Wangen steigt, „hey, ich mache doch nur Spaß, Zoe.“
„Ja, ich weiß“, erwidere ich und schenke ihm ein leichtes Lächeln, bevor ich spielerisch eine Augenbraue hebe, „und jetzt sag schon, wo hast du dein Gepäck versteckt?“
„Im Hotel“, erwidert Pierre schulterzuckend und lacht erneut auf, als er meinen überraschten Blick sieht. „Na ja, dein Vater hat mich ja auf dem Markt getroffen und als wir beschlossen haben, dass ich den Weihnachtsabend bei euch verbringen werde, habe ich dort angerufen und mein Zimmer um eine Nacht verlängert.“
„Ah, verstehe“, erwidere ich nickend und werfe ihm dann einen leicht zerknirschten Blick zu, „tut mir Leid, dass du auf dem Sofa schlafen musstest, wo du doch ein Hotelzimmer hattest.“
„Ach, zerbrich dir darüber mal nicht deinen hübschen Kopf, Zoe“, erwidert Pierre und macht eine wegwerfende Handbewegung, nur um im nächsten Moment seine Hände in den Hosentaschen zu vergraben, „sag mir lieber, ob ich eine Einladung zu eurer Hochzeit bekommen werde.“
Was?
Verblüfft hebe ich die Augenbrauen und schaue Pierre mehrfach blinzelnd an.
„Was…wie…hat Lola dir etwa davon erzählt?“
„Das musste sie gar nicht“, entgegnet Pierre kopfschüttelnd und senkt zu meiner Überraschung seinen Blick ein wenig, „deine Rede gestern Abend war ein sehr offensichtlicher Hinweis, worauf du hinaus wolltest und der Ring, der heute Morgen an Lolas
Finger gesteckt hat, hat meinen ohnehin schon sehr sicheren Verdacht nur noch bestätigt.“
„Und? Also, was denkst du?“, frage ich und kaue nervös auf meiner Unterlippe, „ich meine, du warst beim letzten Mal ja schon dagegen, dass ich Robert heirate und ich habe ja auch nach der Scheidung gesagt, dass ich nicht mehr heiraten möchte. Marie hat mich deswegen schon gestern ein wenig aufgezogen.“
„Das überrascht mich nicht“, murmelt Pierre und lacht kurz und trocken auf, während er immer noch vor sich auf den Boden schaut, „ist es denn nicht ein bisschen spät, mich nach
meiner Meinung zu fragen? Schließlich hast du Lola schon den Antrag gemacht.“
„Und ich würde es auch immer wieder tun“, entgegne ich und sehe, wie Pierre kaum merklich zusammenzuckt, „trotzdem ist mir deine Meinung sehr wichtig. Immerhin bist du mein bester Freund.“
Mit einem für ihn recht untypischen tiefen Seufzer schaut Pierre wieder auf und mustert mich lange aus seinen blauen Augen. „Das lässt sich eigentlich ganz einfach beantworten. Bist du glücklich mit Lola? Und kannst du dir mit ihr eine gemeinsame Zukunft vorstellen? Eine Zukunft, die auch Potential hat?“
Meine Mundwinkel heben sich zu einem breiten Lächeln und ich nicke. „Ja, das kann ich. Dank Lola bin ich so glücklich wie noch nie zuvor und ich kann es kaum erwarten, was die Zukunft und unser gemeinsames Leben noch für uns bereithält.“
Pierre entfährt ein weiterer Seufzer, während er ebenfalls nickt und mein Lächeln leicht erwidert. „Das freut mich sehr für dich, Zoe. Du hast es verdient glücklich zu sein, erst recht nach allem, was du mit Robert durchmachen musstest. Und wenn du sagst, dass Lola diejenige ist, die dich glücklich macht, dann hast du auch meine Antwort zu euren bevorstehenden Hochzeitsplänen. Aber nur wenn ich, wie schon gesagt, auch eine Einladung bekomme.“
Während Pierre mir amüsiert zuzwinkert, spüre ich, wie sich mein Hals zusammenschnürt und ich trete die wenigen Schritte, die uns voneinander trennen, auf ihn zu und umarme meinen besten Freund fest.
„Aber natürlich bekommst du eine Einladung“, sage ich leise, während sich Pierres Arme langsam um mich legen, um die Umarmung zu erwidern, „du…du wirst mir fehlen, Pierre.“
„Du mir auch, Zoe“, erwidert er leise und schiebt mich ein Stück zurück, um sich wieder aus unserer Umarmung zu lösen, „sieht so aus, als müsstet ihr beide euch mit dem Heiraten beeilen, damit wir uns ganz bald wieder sehen.“
„Du Spinner“, erwidere ich lachend und stoße ihm spielerisch vor die Brust, woraufhin Pierre theatralisch aufkeucht und anschließend ebenfalls lacht und dabei mit den Schultern zuckt.
„Na ja, um eine Sache müsst ihr euch zumindest nicht mehr kümmern.“
„Ach ja?“, ich runzle die Stirn, „und welche Sache wäre das?“
„Na, das Essen natürlich!“, entgegnet Pierre und zwinkert mir vielsagend zu, „wozu hast du denn sonst einen Sternekoch als besten Freund?“
Ich stocke und starre Pierre für einen Moment einfach nur an, bevor ich mir kopfschüttelnd und kichernd mit einer Hand durch die Haare fahre.
„Du bist echt unglaublich, weißt du das?“
„Kann schon sein, aber sag’s nicht weiter“, erwidert Pierre und schiebt erneut seine Hände in die Hosentaschen, bevor er langsam rückwärts die Stufen der Verandatreppe runtergeht, „also
sagt mir Bescheid, wenn ihr einen konkreten Termin habt. Und vielleicht auch ein paar Essenswünsche, sonst lasse ich meiner Kreativität freien Lauf.“
„Das machen wir“, rufe ich ihm nach, während er weiter grinsend und rückwärts über den Weg durch den Vorgarten geht „À bientôt, Pierre!“
„À bientôt, Zoe!“
Mit einem letzten Zwinkern in meine Richtung dreht Pierre sich um und geht weiter mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen durch den Vorgarten, bis er diesen verlässt, über den Bürgersteig stapft und schließlich hinter einer hohen Hecke des Nachbargartens aus meinem Sichtfeld verschwindet.
Für einen Moment halte ich noch inne, drehe mich dann aber wieder zur halbgeöffneten Tür, um zurück ins Haus zu gehen.
Marie und Constantin sind mit den Zwillingen schon vorgefahren, weil die beiden es nicht mehr erwarten konnten, ihre Oma endlich wiederzusehen und Lola hat gesagt, dass sie mir noch etwas Zeit geben wollte, um mich in Ruhe von Pierre zu verabschieden, damit ich das nicht überstürzt machen müsste.
Um ehrlich zu sein macht mich ihre plötzliche Sympathie Pierre gegenüber etwas stutzig, aber vermutlich hat sie eingesehen, dass sie sich diesbezüglich keinerlei Sorgen zu machen braucht.
Schließlich ist sie seit gestern Abend meine Verlobte...
Mit einem Lächeln schließe ich die Haustür hinter mir und drehe mich um, um durch den Flur und weiter ins Wohnzimmer zu stapfen, wo Lola auf mich warten wollte.
Höchste Zeit, dass wir auch zu Maman und Papa ins Krankenhaus fahren…

Weihnachten Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 2) (girlxgirl; christmas) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt