# 12

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- 24.12. -

- Lola -

Ein zaghaftes Klopfen an der Zimmertür lässt mich mehrfach blinzeln und überrascht die Augenbrauen heben.
„Ähm…herein“, sage ich zögernd und setze mich auf, während die Klinke heruntergedrückt wird und die Tür sich langsam nach innen öffnet.
Nach dem Gespräch mit Elodie habe ich das Schlafzimmer von Zoes Eltern wieder verlassen, um Elodie vor dem abendlichen Weihnachtsfest noch ein wenig Ruhe zu gönnen, und habe  mich in Zoes und mein Zimmer verzogen, wo ich seit einer halben Ewigkeit auf dem Bett liege und mit hinterm Kopf verschränkten Armen an die Zimmerdecke starre und nachdenke.
Über Elodies Worte.
Über Pierre.
Und natürlich über Zoe und mich.
Zumindest bis zu dem Klopfen gerade eben…
Geduldig warte ich, bis die Tür vollständig geöffnet ist und meine Augenbrauen heben sich noch ein Stück mehr, als ich Zoe im Türrahmen stehen sehe, die mich unsicher, fast schon schüchtern ansieht und vorsichtig anlächelt.
„Kann ich…“, sie räuspert sich und beißt sich für einen kurzen Moment auf die Unterlippe, „kann ich…reinkommen?“
„Ähm, ja…sicher“, sage ich und schwinge meine Beine über die Bettkante, um aufzustehen, während Zoe in den Raum tritt und die Tür mit einem leisen Klicken hinter sich schließt, „immerhin ist das hier ja dein altes Zimmer und nicht meins.“
„Ja, ich…ich weiß“, murmelt Zoe und tritt mit zögernden Schritten auf mich zu, während sie abwechselnd zwischen ihren nervös ineinander verschlungenen Händen und mir hin und her sieht, „ich…ich dachte nur, du möchtest vielleicht allein sein.“
„Allein nicht“, erwidere ich und kann nicht verhindern, dass mir dabei ein verächtliches Schnauben entfährt, „aber zumindest weit weg von Pierre.“
„Ja…das dachte ich mir schon“, sagt Zoe und strafft ihre Schultern, bevor sie ihren Blick endgültig von ihren Händen löst und mich stattdessen fest aus ihren braunen Augen ansieht, „und genau darüber wollte ich auch mit dir reden, Lola. Über Pierre…und über uns.“
Oh Mann, nicht schon wieder…
Nur mit Mühe kann ich ein Augenrollen unterdrücken und verschränke stattdessen die Arme vor der Brust.
„Ich habe dir doch schon gefühlt tausend Mal gesagt, dass ich mit diesem Typen nicht reden und auch nichts klären möchte, Zoe. Ich…“
„Nein, nein, das meine ich gar nicht“, unterbricht Zoe mich und geht die letzten Schritte, die uns noch voneinander trennen, auf mich zu und löst ihre ineinander verschlungenen Hände voneinander, um sie mit meinen Händen zu verbinden. „Ich habe verstanden, dass du nicht mit Pierre über diese unnötige Aktion mit dem Schneeball reden möchtest, genauso wie die Tatsache, dass du Pierre vielleicht auch nicht unbedingt magst…“
„…was noch sehr nett ausgedrückt ist…“, knurre ich und schaue grummelnd zur Seite, woraufhin Zoe mir mit ihren beiden Daumen über meine Handrücken streicht.
„Und das ist auch dein gutes Recht, chérie“, höre ich sie sagen und drehe meinen Kopf nach kurzem Zögern wieder zurück zu ihr, „du musst Pierre nicht mögen. Ich würde es mir natürlich wünschen, dass ihr beide euch verstehen würdet, aber es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn ihr es nicht tut. Marie konnte ihn schließlich auch noch nie leiden und ich denke, dass Constantin auch nicht allzu sehr von Pierres Gesellschaft angetan ist. Mir ist einfach nur wichtig, dass du weißt, dass ich nicht mehr als Freundschaft für Pierre empfinde und auch niemals mehr für ihn empfinden werde. Er ist für mich wie ein Bruder oder ein Cousin, aber er wird niemals das sein, was du für mich bist, chérie. Weil ich dich liebe, Lola. Ich liebe dich. Nur dich allein.“
Mein Hals schnürt sich zusammen und verliere mich für einen Moment in dem warmen Lächeln und dem tiefen Blick aus Zoes brauen Augen, bevor ich meinen Kopf senke und
unsere ineinander verschlungenen Hände betrachte.
„Ich…ich liebe dich auch, Zoe“, das Kratzen meiner Stimme in meinem Hals lässt mich ein paar Mal schlucken, „und…und genau aus diesem Grund ertrage ich es auch nicht zu sehen, wie sich Pierre immer und immer wieder an dich heranmacht.“
„Chérie…“
„Nein, ich meine das ernst, Zoe“, sage ich und schaue wieder auf, wobei Zoe ein wenig durch den leichten Tränenschleier vor meinen Augen verschwimmt, „auch wenn ich weiß, dass du mich liebst, ändert das doch nichts daran, dass Pierre etwas für dich empfindet. Und du merkst es noch nicht einmal und machst ihm durch deine permanenten Zuwendungen immer wieder aufs Neue Hoffnung. Oder siehst du etwa inzwischen ein, dass Pierre mehr von dir will als nur Freundschaft?“
Auch wenn ich die Antwort schon an Zoes Gesicht ablesen kann, an ihren ausweichenden Blicken und den zweifelnden Ausdrücken, möchte ich es trotzdem von ihr hören.
Es dauert eine Weile, bis Zoe schließlich tief Luft holt und wieder vollständig zu mir schaut.
„Ich…ich möchte dich nicht anlügen, chérie. Nein, ich….ich glaube einfach nicht, dass Pierre mehr für mich empfindet als nur Freundschaft. Aber…ist das denn wirklich so wichtig?“
Ich schlucke und erwidere Zoes Blick, während der Tränenschleier sich vor meinen Augen verdichtet und meine Mundwinkel zu zittern beginnen.
„Für mich schon“, sage ich und ziehe meine Hände aus ihrem Griff, um mich an ihr vorbeizuschieben und zur Tür zu gehen, die ich mit einem unterdrückten Schluchzer öffne
und das Zimmer verlasse.

- Zoe -

„Chérie, warte!“, rufe ich ihr nach und drehe mich zu ihr um, doch Lola ist bereits durch die geöffnete Tür nach draußen auf den Flur verschwunden.
Während ich ihren Schritten lausche, die sich nach und nach eilig von mir entfernen, stoße ich einen leisen Seufzer aus und lasse mich nach hinten aufs Bett fallen.
Ach Lola…
Ich hole tief Luft und strecke meine Arme weit über meinem Kopf auf der Matratze aus.
Verdammt, wieso muss das denn alles nur so kompliziert sein?
Wir wollten doch einfach nur ein schönes Weihnachtsfest mit meiner…mit unserer Familie verbringen…
Meine Eltern, Marie, Constantin und die Zwillinge…sie alle mögen Lola…so wie ich es vermutet hatte und auch immer wieder Lola gesagt habe.
Alles war gut.
Alles war schön.
Alles war perfekt.
Und es hätte doch noch so viel perfekter werden sollen…
Mit einem Schlucken setze ich mich wieder auf und schaue zu meinem kleinen Koffer, der in der Ecke des Zimmers neben Lolas Reisetasche steht.
Das Bettgestell gibt ein knarrendes Geräusch von sich, als ich nach kurzem Zögern aufstehe und zu dem Koffer hinüber gehe, um mich vor ihm niederzuknien.
Vorsichtig ziehe ich den Reißverschluss von einem der vorderen Fächer auf und greife in das Fach hinein, nur um eine kleine bordeauxrote Box behutsam daraus hervorzuziehen.
Für einen Moment betrachte ich die Box einfach nur und streiche mit spitzen Fingern über den samtigen Überzug, bevor ich den Deckel der Box umfasse und diesen langsam aufklappe.
Ich hatte mehrere Juweliere besucht, bis ich den in meinen Augen perfekten Ring für Lola gefunden habe.
Ein Ring, von dem ich überzeugt war, dass er ihr gefallen würde.
Dass sie ihn annehmen und voller Freude und Liebe tragen wollen würde.
Aber war es wirklich so eine gute Idee, sie heute zu fragen?
Ausgerechnet heute?
Sollte dieser Augenblick nicht perfekt sein?
Rundum perfekt?
So perfekt, wie es Lola gebührt und wie sie es verdient hat?
Ich seufze und streiche mit der Fingerspitze sanft über den Ring, bevor ich die kleine Box mit einem kurzen Klappgeräusch zuschnappen lasse und wieder in dem Fach meines Koffers verstaue.
Aber…gibt es diesen perfekten Augenblick überhaupt?
Irgendetwas kommt doch immer dazwischen…
Und außerdem habe ich mir fest vorgenommen, Lola heute Abend zu fragen.
Schon seit Wochen mache ich mir über diesen Abend Gedanken…
Ich wollte sie fragen…und…das werde ich auch!
Und sollte es wirklich so sein, dass Pierre etwas für mich empfindet, wird ihm der Antrag mehr als deutlich zeigen, wem mein Herz vollständig gehört.
Ja, genau...
Mit einem entschlossenen Nicken straffe ich meine Schultern und ziehe den Reißverschluss des Kofferfaches mit einer fließenden Bewegung zu.
Ich werde Lola fragen.
Heute Abend.
Ganz egal was passiert…

Weihnachten Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 2) (girlxgirl; christmas) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt