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- 28.12. -

- Lola -

„Müsst ihr wirklich jetzt schon fahren?“, fragt Amélie, die zusammen mit Thibault neben mir steht und mich mit großen Augen ansieht, während ich erst Zoes kleinen Koffer und dann meine Reisetasche in den Kofferraum hieve.
„Soweit ich weiß, fahrt ihr auch in einer halben Stunde los“, erwidere ich und zwinkere den beiden grinsend zu, woraufhin Thibault trotzig die Arme vor der Brust verschränkt.
„Ja, aber das ist erst in einer halben Stunde“, sagt er und wird dabei von dem eifrigen Nicken seiner Schwester unterstützt, was mich amüsiert auflachen lässt.
„Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass das einen allzu großen Unterschied macht“, mit einem dumpfen Schlag schließe ich den Deckel des Kofferraums und drehe mich anschließend wieder zu den Zwillingen, „und außerdem sehen wir uns doch spätestens zur Hochzeit wieder.“
„Wann heiratet ihr denn?“, fragt Amélie und ihre Augen werden, wenn das überhaupt möglich ist, noch größer, „morgen?“
„Oder übermorgen?“
„Oder nächste Woche?“
Während Amélie und Thibault sich gegenseitig mit möglichen Terminen für die Hochzeit zu überbieten versuchen, lehne ich mich lachend gegen Zoes Auto und schaue über die zwei hinweg zu Zoe, die noch auf der Veranda steht und nach und nach von Marie, Constantin, Bodo und schließlich auch Elodie umarmt wird, die von einer dicken Tagesdecke umschlungen in ihrem Rollstuhl sitzt.
Ich habe mich bereits von den vieren verabschiedet und angeboten, mich um das Gepäck zu kümmern, damit Zoe sich vollkommen auf den Abschied konzentrieren kann und sich um nichts anderes mehr kümmern muss.
Nur Amélie und Thibault haben sich mit einer Umarmung und ein paar ausgetauschten Abschiedsworten nicht zufrieden gegeben und sind mir wie zwei kleine Schatten gefolgt, als
ich unsere Gepäckstücke aus Zoes altem Zimmer geholt und zum Auto getragen habe.
Schon erstaunlich, wie schnell mir die beiden ans Herz gewachsen sind.
Aber nicht nur die zwei.
Marie.
Constantin.
Bodo.
Und natürlich Elodie.
Alle sechs haben mich so liebevoll willkommen geheißen und wie selbstverständlich in ihre kleine Familie aufgenommen, dass ich gar nicht verstehen kann, wie ich vor ein paar Tagen noch denken konnte, dass sie mich nicht mögen würden.
Aber hinterher ist man natürlich immer schlauer.
Und im Laufe des nächsten Jahres werde ich dann auch offiziell zur Familie gehören…nach Zoes und meiner Hochzeit…
„Oder übernächste Woche?“, schlägt Thibault mit einem erwartungsvollen Ausdruck auf seinem Gesicht vor, woraufhin ich erneut auflache und bedauernd den Kopf schüttle.
„Tut mir Leid, Thibault. Aber ich glaube, das werden Zoe und ich nicht hinbekommen. Wir haben ja noch nicht mal einen konkreten Termin.“
„Wozu braucht ihr beiden denn einen Termin?“, fragt Amélie und runzelt prüfend die Stirn, „ihr müsst doch nur ja sagen und euch dann küssen und dann seid ihr doch schon verheiratet.“
„Schön wär’s“, erwidere ich und lache noch mehr, während Amélie und Thibault fragende Blicke austauschen, „tut mir Leid, ihr beiden. Aber ganz so einfach ist das dann doch nicht.“
„Was ist nicht einfach?“, fragt Marie, die langsam und bei Constantin eingehakt auf uns zukommt und zwischen den Zwillingen und mir hin und her schaut, während Zoe, Elodie und Bodo ihnen mit etwas Abstand folgen.
„Eine Hochzeit“, schmollend schiebt Amélie ihre Unterlippe vor, „Lola meint, dass man dafür einen Termin braucht und dass Ja sagen und küssen nicht reicht.“
„Oui, das stimmt“, sagt Constantin und nickt mit einem belustigten Grinsen, wohingegen Marie ihren Mund mit einer Hand bedeckt, um ihr Lachen ein wenig zu kaschieren, „so eine mariage muss sehr gut und... ähm…en profondeur?“
„Gründlich, chéri.“
„Ah, oui! Gründlich! Sie muss sehr gut und gründlich geplant werden.“
„Und darum braucht man so einen doofen Termin?“, fragt Thibault und verschränkt mit trotziger Miene die Arme vor der Brust, woraufhin Marie ihm beruhigend übers Haar streicht.
„Ja, den braucht man leider, Thibo.“
„Na toll“, Thibault stößt einen frustrierten Seufzer aus und verschränkt seine Arme noch fester, „und wann ist so ein blöder Termin?“
„Das kommt ganz darauf an“, sagt Marie und lächelt ihrem Sohn tröstend zu, „dein Vater und ich haben zum Beispiel sieben Monate gewartet.“
„Sieben?!“
„Aber das dauert doch noch ewig!“
Während sowohl Thibault als auch Amélie ihre Mutter entgeistert ansehen, hebt Constantin beschwichtigend seine Hände.
„Das kann aber auch durchaus früher sein, vous deux.“
„Was kann früher sein?“, fragt Zoe und schiebt sich an ihrer Schwester und den Zwillingen vorbei, um neben mich zu treten und ihren Arm um meine Taille zu legen.
„Unser Hochzeitstermin“, erwidere ich und muss kichern, als sich Zoes Augenbrauen vor Überraschung heben und sie sich zu Marie und den anderen dreht.
„Ähm…habe ich irgendetwas verpasst?“
„Wir haben nur spekuliert, wann euer Hochzeitstermin sein könnte, Zouzou“, erklärt Marie und zwinkert Zoe vielsagend zu, „und ich habe Amélie und Thibault gerade erzählt, dass Constantin und ich damals sieben Monate auf unseren Termin warten mussten.“
„Diese Zeit werdet ihr für eine anständige Planung aber auch brauchen, n’est-ce pas?“, fragt Elodie und schaut Zoe mit einer hochgezogenen Augenbraue an, während Bodo hinter ihr schallend auflacht und Zoe neben mir die Augen verdreht.
„Maman“, seufzt sie tief, „das Thema hatten wir doch gestern schon…“
„Ach ja?“
Mit gerunzelter Stirn schaue ich zwischen Zoe und Elodie hin und her, bis Zoe mich schließlich noch ein Stück näher zu sich zieht.
„Ich erzähle es dir nachher, chérie“, raunt sie in mein Ohr und drückt mir anschließend einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich mit einem schwermütigen Lächeln wieder zu den anderen dreht, „also dann…dann heißt es wohl jetzt wirklich au revoir, oder?“
Ich spüre, wie Zoes Körper sich anspannt und ich streiche ihr beruhigend über den Rücken.
Im Gegensatz zu mir sind ihre Eltern oder Maries Familie ja nicht in der unmittelbaren Nähe unseres Zuhauses…
„Oui, da hast du Recht, ma petite“, sagt Elodie und rollt ein kleines Stück auf Zoe und mich zu, während sie uns sanft anlächelt, „aber du weißt doch, dass auf jedes au revoir auch wieder
ein salut folgt. Und außerdem bist du dieses Mal auf deiner Rückfahrt nicht alleine, n’est-ce pas?“
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich ein leichtes Lächeln auf Zoes Lippen abzeichnet und sie ihren Kopf langsam zu mir dreht.
„Ja…das stimmt.“

- Zoe -

„In zwei Kilometern haben Sie Ihren Bestimmungsort erreicht.“
„Brauchst du wirklich immer noch dieses nervige Gerät?“, fragt Lola seufzend und schaut mich mit einer gehobenen Augenbraue von der Seite an, „unser Zuhause ist doch nur noch ein paar Straßen entfernt.“
„Na und?“ Mit einem frechen Grinsen schaue ich kurz zu Lola und richte meine Aufmerksamkeit dann wieder zurück auf die Straße. „Die zwei Kilometer wirst du ja wohl noch aushalten, oder chérie?“
Auch wenn ich sie nicht sehe, kann ich Lolas finsteren Blick geradezu vor mir sehen und muss mich zusammenreißen, um nicht aufzulachen.
„Das sagst du nur, weil du ganz genau weißt, dass ich diese ätzende Computerstimme hasse, oder?“
„Ich weiß gar nicht, was du meinst“, erwidere ich und kann nun wirklich nicht verhindern, dass mir ein amüsiertes Lachen entfährt, „auf der Hinfahrt hat dich diese Stimme doch nicht so sehr gestört.“
„Auf der Hinfahrt war ich auch mit den Gedanken auch ganz woanders“, entgegnet Lola und verdreht stöhnend die Augen, während sie im Beifahrersitz ein Stück herunterrutscht.
„Stimmt“, ich löse eine meiner Hände vom Lenkrad, um Lola sanft übers Bein zu streichen, „auf der gesamten Hinfahrt hast du dich in deinen Gedanken bestimmt damit beschäftigt, ob meine Eltern und Maries Familie dich mögen werden, n’est-ce pas?“
„Hast du jetzt etwa das n’est-ce pas von deiner Mutter übernommen?"
„Netter Ablenkungsversuch, chérie.“
Ich werfe Lola einen belustigten Seitenblick zu und muss erneut lachen, als sie mit einem ergebenen Seufzen erneut die Augen verdreht.
„Kannst du es mir verübeln? Ich meine, ich kannte deine Familie ja damals noch nicht.“
„Unsere Familie“, verbessere ich sie und schenke Lola ein sanftes Lächeln, welches Lola nach einem kurzen Moment der Verwirrung erwidert.
„Ja“, sagt sie und nickt langsam, „unsere Familie.“
Immer noch lächelnd schaue ich wieder auf die Straße und mein Gesicht hellt sich noch mehr auf, als ich meinen Blick über den Bürgersteig und an einigen Häusern vorbei zu dem Eingang des Hauses gleiten lasse, in welchem unsere Wohnung liegt.
„Chérie“, sage ich und nehme meinen Fuß etwas vom Gaspedal, woraufhin Lola mit gerunzelter Stirn zu mir sieht, „ich glaube, der andere Teil unserer Familie erwartet uns bereits.“
Als Lola mich immer noch fragend ansieht, deute ich mit meinem Kopf in Richtung unseres Hauses und als sie meiner Geste mit ihrem Blick folgt, breitet sich ein Strahlen auf ihrem
Gesicht aus.
Noch während ich das Tempo mehr und mehr drossele, öffnet Lola die Beifahrertür und springt aus dem immer langsamer werdenden Auto. Mit einer eleganten Bewegung schlägt sie die Tür wieder hinter sich zu und schiebt sich zwischen den parkenden Autos hindurch, um über den Bürgersteig auf Danny zuzulaufen, der ihr kurz darauf quietschend in die Arme springt und einmal von Lola herumgewirbelt wird, auch wenn ich mit einem Lächeln feststellen muss, dass Danny dafür schon bald zu groß und zu schwer sein wird.
Wirklich erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht…
Sie haben Ihren Bestimmungsort erreicht“, ertönt die monotone Navigationsgerätestimme, als ich an dem Wohnhaus vorbeifahre, vor welchem Lolas Mutter, Rohan, Habib, Marvin und Rebecca auf uns warten und mir lächelnd zuwinken.
Ebenfalls lächelnd erwidere ich das Winken und fahre auf der Suche nach einem Parkplatz weiter die Straße entlang.
Auch wenn Lola diese nervige Computerstimme nicht leiden kann, hat sie zumindest in diesem Punkt Recht.
Wir haben unseren Bestimmungsort erreicht.
Der Ort, an den wir hingehören und umgeben von lauter Menschen, die uns und denen wir wichtig sind.
Und hoffentlich sind Lola und ich  auch bald auf eine Art miteinander verbunden, die der gesamten Welt zeigt, dass wir zusammengehören.
Mit Ringen, einem Gelübde und allem, was sonst noch dazu gehört.
Nach unserer Hochzeit...

Weihnachten Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 2) (girlxgirl; christmas) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt