Erstes Kapitel

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Lieber Legolas,

ich weiß, dass du eigentlich dachtest, dass die Bedrohung nun beseitigt wäre, so auch ich, doch das ist nicht der Fall. Mein Onkel ist mich besuchen gekommen und hat mir klar gemacht, dass er immer noch Verbündete hier hat. Ich kann und werde nicht sein neues Druckmittel sein. Es tut mir leid, doch das würde ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können. Ich werde ihn finden und sobald er besiegt ist, werde ich zu dir zurückkehren. Doch ich weiß nicht wann oder ob das der Fall sein wird, weshalb ich nicht von dir verlange auf mich zu warten.

Bitte such nicht nach mir.

In Liebe, Melian

Ich konnte mich noch genau an jedes einzelne Wort erinnern. Ich hatte nicht viel Zeit den kurzen Brief zu schreiben, bevor ich überstürzt aus den Hallen geflohen war. Ich wusste, wie sehr ich damit meinen Verloben verletzte, doch mein Entschluss war gefasst gewesen. Nun saß ich ein weiteres Mal mit einer Feder in der Hand und einem kleinen Tintenfläschchen vor einem leeren Stück Papier. Die einzigen Worte, die bis jetzt geschrieben waren, waren die Begrüßung. Während ich mir über den nächsten Satz Gedanken gemacht hatte, war in mir Zweifel aufgekommen. Sollte ich den Brief wirklich schreiben, geschweige denn wegschicken? Ich hatte keine Garantie, dass er nicht zu mir zurückverfolgt werden würde und das konnte ich unter keinen Umständen riskieren. Es war schon schwer genug gewesen mich an das Leben auf diesem kleinen Bauernhof zu gewöhnen. Inzwischen war es der nächste Winter geworden und ich hatte immer noch nicht das Gefühl lange genug gewartet zu haben. Ein Jahr war für eine Elbin keine sehr lange Zeit und ich musste so lange warten, bis mein Onkel keinen Angriff erwartete. Oft hatte ich Legolas ein Lebenszeichen schicken wollen, doch hatte das Verlangen gerade noch so unterdrücken können.

"Melian?", fragte eine Stimme hinter mir, worauf ich mich überrascht umdrehte. "Amaury und ich gehen zum großen Markt. Passt du auf Robin auf?", fragte Aleidis, welche bloß ihren Kopf in mein Zimmer gesteckt hatte. "Natürlich. Bin sofort da", lächelte ich und nickte, worauf sie wieder verschwand. Ich schob das Blatt unter ein paar andere Unterlagen und stand dann auf. Ich liebte es auf den kleinen Robin aufzupassen. Er war ein halbes Jahr alt und wuchs um einiges schneller als elbische Kinder, welche allerdings auch erst im Alter von 50 Jahren erwachsen waren. Aleidis, Amaury und Cuno, ihr Sohn, waren die drei gewesen, die damals Legolas und ich vor der Orkmeute gerettet hatten. Als ich auf der Flucht war, war ich zufällig auf ihren Bauernhof gestoßen, der gerade dabei gewesen war zu zerfallen. Mit meiner Kraft und meinem Wissen hatten wir ihn aber schnell wiederaufbauen können und nun lebte ich seit über einem Jahr hier. Aleidis war froh nicht nur Hilfe beim Hof, sondern auch bei ihren Kindern zu haben. Sie war anscheinend gerade schwanger gewesen, als ihr Mann umgebracht wurde. Sie sprach nur äußerst selten von ihm, genauso wie Amaury, die inzwischen eine junge Erwachsene geworden war. Ich wusste nicht wie gut Cuno sich an ihn erinnerte, doch er war generell ein sehr stiller Junge. Am liebsten verbrachte er den ganzen Tag nur bei den Tieren. Er hatte sich schnell an seine neue Rolle gewöhnt, wenngleich er sie nicht besonders zu mögen schien.

Als ich unten ankam, winkten mir die beiden Frauen noch zu, als sie bereits zur Tür raus waren und schlossen sie hinter sich. Zuerst machte ich mich daran neues Holz im kleinen Kamin nachzulegen. Draußen lag schon seit vielen Tagen eine dicke Schneedecke. Bald würde ich neues Holz holen müssen, was sich bei diesem Wetter als etwas schwer herausstellen würde, doch wir hatten keine andere Wahl. Die Temperaturen würden uns den Tod bringen. Liebevoll schaute ich auf Robin hinab, welcher gerade dabei war aufzuwachen. Das Zuschlagen der Tür musste ihn geweckt haben. Er sah sich etwas desorientiert um und entdeckte dann mich. Ich legte meinen Kopf ein wenig schief und lächelte. Zu dieser Zeit wäre ich vielleicht bereits selber schwanger von Legolas gewesen, doch es hatte wohl nicht sein sollen. Er rekelte sich ein wenig und sah sich dann weiter um. Als er erkannte, dass seine Mutter nicht da war, merkte ich, wie er langsam das Gesicht verzog. Ich seufzte leicht und hob ihn aus seinem Bettchen. "Schon gut", flüsterte ich leise, während er anfing zu schreien. Sanft fing ich an eines der elbischen Schlaflieder zu singen und setzte mich in den weichen Stuhl vor dem Kamin. Er wurde immer recht schnell still, wenn ich das tat, wie auch dieses Mal. Aleidis beneidete mich oft dafür, doch hatte zu viel anderes zu tun, als schnell mal Elbisch und Singen zu lernen. Außerdem machte es mir nicht viel aus dieses wunderbare Wesen schlafend in meinen Armen zu halten. Mein Herz schmolz förmlich dahin, als sich eine kleine Blase vor seinem Mund formte, die schließlich platzte. Weiter sang ich beruhigend das Lied und dachte währenddessen nach. Gerade an so kalten, einsamen Tagen dachte ich oft an die Zeit mit Legolas zurück. An seine Wärme, seine Liebe.

Alle Wege führen nach Bruchtal // Legolas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt