Neuntes Kapitel

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Ich saß wie auf heißen Kohlen die nächsten Tage, während ich auf die Ankunft des Königs wartete. Elrond hatte mir erlaubt einige Kleider auszusuchen, nachdem ich ihm versprochen hatte es zurückzuzahlen. Immerhin wusste er wer ich war. Ich wollte schließlich nicht mit meinem langärmligen Hemd von Calen und Julian Thranduil gegenübertreten. Mit einem Schmied, den ich noch von früher kannte, hatte ich ein ähnliches Abkommen getroffen und ein wenig Schmuck und ein zierliches Diadem erhalten. Das hier war nicht mein Reich und ich wollte mir nicht zu viel anmaßen. Mit Naira hatte ich seitdem nicht mehr gesprochen, was wir uns allerdings auch so ausgemacht hatten. Mir war klar, dass jede Minute wachsame Augen auf mir ruhten, weswegen ich meinen Tag auch nicht sonderlich spannend gestaltete. Mit Aredhel, Haldirs Frau, hatte ich nur ein paar Mal gesprochen, zum Beispiel wie ich ihr ihre Kleidung zurückgebracht hatte, doch mir war es auch etwas unangenehm mit ihr zu reden. Allem Anschein nach hatte Elros Sohn sie nicht eingeweiht, sonst hätte sie sich von Anfang an anders mir gegenüber verhalten, doch trotzdem wusste ich nicht, was er ihr nun erzählt hatte. Es musste schließlich nicht unbedingt die Wahrheit sein, einfach etwas, damit sie sich von mir fernhielt, auch, wenn ich nicht unbedingt diesen Eindruck bekommen hatte. Ich hatte mir nicht viele Freunde hier gemacht in der Wartezeit, doch wollte auch nicht wirklich viele hier kennenlernen. Solange mein Onkel nicht mit Sicherheit besiegt worden war, konnte ich hier niemandem trauen. Irgendwie hatte es mein Herz ein wenig beruhigt Naira wiederzusehen. Es war komisch eine Person, die man sein ganzes Leben kannte, so plötzlich einfach zu verlieren, vor allem als Elbin war das schließlich nicht oft der Fall. Dazu kam noch, dass ihr Abgang nicht sonderlich würdevoll gewesen war. Doch das war lange her und ich konnte ihre Beweggründe verstehen, auch wenn ich sie nicht unterstützte.

Jedes Mal, wenn es klopfte zuckte ich ein Stück zusammen und hoffte auf eine positive Nachricht bezüglich Thranduils Ankunft, so auch dieses Mal. Interessiert öffnete ich die Tür und wie erwartet stand eine Wache davor. "Der wurde für Euch abgegeben", erklärte er kurz und hielt mir einen schwarzen Umschlag hin. Ich zögerte kurz, doch nahm ihn dankend an. Diesmal war sogar der ganze Brief, nicht nur das Wachs in Schwarz gehalten. Mir war nicht klar, dass er oder sie mir auch nach Bruchtal folgen würde, vor allem, da ich auch mit nicht gerade konventionellen Mitteln hierhergekommen war. Doch ich hinterfragte es nicht länger, schloss die Tür und brach das Siegel. Ich würde nicht nochmal den Fehler machen und zu lange warten.

Bruchtal wird immer wieder als neutraler Ort für Besprechungen gewählt, doch ist er das wirklich?

🔥 (Schwarz-Weiß)

Und wieder war die kleine Flamme als Unterschrift vorhanden. Ich starrte einige Sekunden auf die Worte und hielt sie dann über die Flamme einer Kerze. Auf einem Teller, welcher danebenstand, ließ ich das Blatt verbrennen. Vermutlich sollte ich dem vertrauen, doch es fiel mir schwer zu glauben, dass die Herren von Bruchtal auf irgendeiner Seite stehen könnten. Doch es machte auch keinen wirklichen Unterschied mehr. Thranduil vertraute Elrond und seiner Unvoreingenommenheit, also würde ich das auch tun müssen. Die Verhandlungen fanden hier statt, das konnte ich nicht mehr ändern, auch, wenn ich es gewollt hätte. Also behielt ich es bloß im Hinterkopf und machte mich fertig für den Tag. Kurz fragte ich mich, ob Calen überhaupt den anderen beiden erzählt hatte, wohin sie mich gebracht hatte. Ich vermisste Legolas, doch wusste gleichzeitig, dass ich ihn bald wiedersehen würde. Mit einer Maia zusammen war er sicher. Ich konnte mir allerdings nicht so wirklich vorstellen, dass er einfach mit ihr dortbleiben würde, bis das ganze vorbei war. Vor allem, wenn er nicht einmal wusste, dass ich gerade hier war. Es gab eine gute Chance, dass in ein paar Tagen alles wieder gut war, doch irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass es das war. Da musste es noch mehr geben. Mein Onkel war die letzte Zeit über so schlau und hinterhältig gewesen, dass er sicherlich Vorkehrungen getroffen hatte, falls dieser Fall eintrat. Briefe oder Aufzeichnungen wie er den König die letzten Jahrhunderte kontrolliert hatte. Dabei fiel mir auch erst so richtig auf, dass Thranduil vielleicht doch etwas dagegen hatte, wenn ich eine Sache, die mich eigentlich gar nichts anging, so freudig ausplauderte. Ich hätte mit ihm davor reden sollen, doch wie? Sollte ich einfach bloßfüßig, ohne Pferd oder Proviant zurück zum Düsterwald laufen? Nein, Calen hatte mich hier abgesetzt und das vermutlich auch durchdacht gewesen - hoffentlich. Doch sie war schon um einige Zeitalter länger auf Arda und kannte Thranduil vermutlich, seit er ein kleiner Junge war. Könnte ich mich damit vielleicht herausreden? Es erklären?

Alle Wege führen nach Bruchtal // Legolas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt