Der durchdringende Schmerz sitzt noch immer in mir, breitet sich weiter, bis in meinen Kopf aus. Ein Schwindel festigt sich und ich muss tief Luft holen. Verblute ich? Stoppen die Scherben irgendwie das fließen oder machen sie es nur noch schlimmer?
„Da hin", keuche ich und zeige auf eine schmale Holztür, die fast hinter ein paar Bücherregalen verschwindet. In einer anderen Situation hätte ich die Bibliothek sicher näher betrachtet, mich an ihr erfreut, aber jetzt will ich einfach nur weg. Cherry scheint wieder aus ihrer Starre erwacht zu sein und kommt mit großen Schritten auf mich zu, um mir zu helfen. „Was ist passiert?" Erkundigt sie sich leise. Ich wische den folgenden Satz mit einer Handbewegung beiseite. Wir haben jetzt wirklich keine Zeit dafür. Ihr Arm schiebt sich unter meinem hindurch und wickelt sich um meine Schulter. Dieses Mal ist sie es, die uns weiter voran treibt.
Zum ersten Mal wage ich es mir, auf meine Hände hinab zu sehen, bereue es im selben Moment wieder. Die letzten Reste meines Frühstücks steigen meine Speiseröhre empor, zusammen mit gewaltig viel Galle.
Meine Hände sind aufgeschnitten, an so ziemlich jeder möglichen Stelle. In manchen Wunden stecken noch die Scherben, die von einer roten Blutschicht bedeckt sind. Meine ganze Haut ist rot, von dem Blut, was aus den Stellen hervor quillt. Mein Oberkörper kippt zur Seite und ich entleere den Inhalt meines Magens auf den alten Holzboden.
„Komm schon, echt jetzt?" Kann ich Cherry stöhnen hören, während ich weiter würge, bis nur noch Galle aus mir heraus kommt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht gut ist, wenn man so viel Blut verliert, auch noch zu kotzen.
Cherrys langgliedrige Hände drücken mich wieder nach oben, sodass ich aufrecht stehe und zieht mich weiter. Sie ist übernimmt die Führung und schleppt uns beide zur Tür, die uns in Sicherheit bringen sollte. Ein Knall ertönt im Flur, der uns beide zusammenzucken lässt. Ungeachtet meiner Verletzung, zuckt meine Hand zu meinem Dolch. Er ist meine einzige Waffe, unsere wenn wir es genau nehmen. Ich bezweifle, dass Cherry mit der Haarnadel umzugehen weiß.
Wir bleiben stehen und sehen zu der Eingangstür der Bibliothek, die besorgniserregend in ihren Angeln erzittert.
Ihnen geht es gut, es geht ihnen gut, versuche ich mir einzureden. Das sind nur die Angreifer, die sie gegen die Wand schleudern.„Komm", Flüstere ich, unterdrücke den Drang die Hand meiner besten Freundin zu nehmen und sie mitzuziehen. Cherry muss die Tür öffnen, denn mit meinen Händen wäre das keine gute Idee. Ihre langen Finger schließen sich um den goldenen Knauf und sie reißt sie fast auf. Wir sind drauf und dran schon hinaus zu stürzen, im letzten Moment bleiben wir wie angewurzelt stehen.
Auf dem Absatz über der Wendeltreppe, stehen zwei Männer. Ihre Statur ist ganz klar maskulin, auch wenn ihre Gesichter mit silbernen Masken bedeckt sind. Sie tragen komplett schwarz, auch schwarze Kapuzen, die sie tief ins Gesicht gezogen haben.
Die Rothaarige reißt mich herum und hetzt wieder zurück in die Bibliothek. Ich folge ihr, auch wenn meine Beine protestierend aufschreien. Immer noch stecken einzelne Scherben dort, die mit jedem Schritt mehr die Haut um sich herum aufschlitzen. Die schweren Schritte der Männer folgen uns, schnell und immer schneller. Wir werden ihnen nicht entkommen können.
Eine Hand packt mich grob an der Schulter und zerrt mich zurück. Ein heller Schrei entweicht mir, als meine Hand aus Cherrys gerissen wird und ich zurück stolpere. Ich verliere das Gleichgewicht, wenn auch nicht ganz ohne die Mithilfe des Mannes, und stürze zu Boden. Die Glassplitter in meinem Rücken schneiden weiter durch meine Uniform hindurch in mein Fleisch. Ich kreische schmerzerfüllt auf, da werde ich auch schon gegriffen und wieder in die Höhe gezerrt werde.
,,Katherine!" Cherry.
Ich zwinge mich, wieder die Augen zu öffnen. Meine beste Freundin wird von dem anderen Mann in Schach gehalten. Er hat ihre Arme gepackt und fest hinter ihren Rücken gedreht. Erneut steht ihr die Angst ins Gesicht geschrieben. Die Hand meines Angreifers löst sich von meiner Schulter und schließt sich um meine Kehle. Mit Leichtigkeit hievt er mich in die Luft, bis meine Zehenspitzen nicht mehr den Boden berühren können.
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Time Travelling | Broken Souls
FantasiBAND I Ich erkenne mein eigenes Spiegelbild nicht wieder. Das Mädchen vor mir bin nicht ich. Oder zumindest nicht das alte ich, das hier in der Stadt angekommen ist. Das Mädchen, welches mit ihrem kleinen Bruder aus einer kleinen Vorstadt angereist...