Meine Stylistin, die Blaubeere

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Meine Haut brennt wie Feuer, während ich vor Kälte zittere. Ich stehe an eine Wand gelehnt in dem weißgekachelten Raum, in dem man mich nach meiner „Generalüberholung" gebracht hat. Wachsen, Zupfen und Schneiden. Ich weiß zwar nicht, warum das Kapitol ein Problem mit sämtlichen Haaren auf meinem Körper hat, die nicht auf meinem Kopf wachsen, aber die beiden Sadisten, die sich meiner angenommen haben und sich selbst „Vorbereitungsteam" schimpfen, haben jedes noch so kleine Härchen aufgespürt und mit der Wurzel herausgerissen.
Jetzt stehe ich in dem unbeheizten, kargen, klinischen Raum, in dem ich meine Stylistin treffen soll und bete, dass die diesjährigen Spiele nicht in einer winterlichen Arena stattfinden, wo mein bescheidener Flaum durchaus von Vorteil wäre.
Die Tür geht auf und eine Frau betritt den Raum, die man mit keinen Worten besser bezeichnen könnte als „vertrocknete Blaubeere". Meine Güte. Mein Herz sinkt in die Hose. Ich hatte gehofft, meine Stylistin hat Geschmack, aber diese Frau...nun ja...sie hat eine kreative Art sich zu kleiden.
Ihre enorme Größe und knochige Statur verleihen ihrer bloßen Erscheinung etwas Extravagantes, was von ihrem Hang, zu Blau auf eine surreale Weise unterstrichen wird. Ihre Haare scheinen ihre echten zu sein und keine Perücke, sie liegen schmierig gegeelt an ihrem spitzen Kopf an und sind von einem satten Aquamarin. Lippen, Augenlieder und Wimpern leuchten in einem dunkleren Blauton und die Farbe ihres Kleids, das zur Taille hin eng anliegt und sich dann wie eine Glocke über ihre dünnen Beine stülpt, geht fast schon ins violette, was die einzige farbliche Abwechslung in ihrem Auftreten ist. Selbst ihre Haut schimmert in einem zarten Baby Blau, was für mich die Frage aufwirft, ob meine Stylistin wohl im Dunkeln leuchtet. Als Accessoires trägt sich nicht etwa eine Halskette oder Ringe, sondern kleine Saphire, die in der tiefen Kuhle über ihren Schlüsselbeinen eingebettet sind.
Ich frage mich was wohl ihre Lieblingsfarbe ist, ich komm einfach nicht darauf.
„So Herzchen, mein Name ist Najade Fawkes und ich bin die Stylistin für den weiblichen Tributen aus Distrikt 8. Lass dich mal ansehen".
Ich stehe da wie eine Salzsäule und beobachte, wie Najade Fawkes einen kleinen Koffer auf das kleine Tischchen am anderen Ende des Raums hievt und beginnt allerlei Döschen, Palletten und andere Kosmetikutensilien daraus hervor zu kramen. Ich frage mich, warum genau ich mich nicht jetzt gerade „ansehen lasse", da schnappt der Deckel des Koffers ganz plötzlich zu und die Stylistin dreht sich mit einem Ruck zu mir um. „Lass die Hüllen fallen, zieh dich aus, zeig mir deinen hübschen jungen Körper, damit ich weiß was ich damit machen kann. Sag mal bist du taub? Na los! Es ist ohne hin schon eine Zumutung euch in so kurzer Zeit zu vorzeigbaren Individuen machen zu müssen, also bock hier nicht so rum Herzchen, ja?"
Sie trällert eher, als das sie spricht und in ihrer Stimme ist etwas so Zuckersüßes, dass mir davon schlecht wird. Sie lächelt mich an, aber in ihrem Gesicht ist keine Spur von Freundlichkeit.
Langsam fummle ich an der Schleife herum, die den Überwurf, der dem Hemd eines Krankenhauspatienten ähnelt, in meinem Nacken da hält, wo er hin gehört. Meine Finger beben von der Kälte und er Nervosität. Es gefällt mir gar nicht mich vor einer Fremden frei machen zu müssen, schon gar nicht vor so einem überzuckerten Blaubeertörtchen.

Ich ziehe an einem Bändchen und die Schleife löst sich. Der leichte Stoff gleitet über meine Schulter, fällt zu Boden und lässt meinen, von einer Gänsehaut überzogenen Körper ungeschützt vor den Blicken der blauen Frau zurück. Ich senke den Kopf, damit man die Röte nicht sieht, die in meine Wangen gefahren ist. Die Augen der Stylistin schnellen ohne umschweifen dorthin, wo jeder Blick früher oder später zur Ruhe kommt und meine Arme legen sich instinktiv darüber. Sie durchquert den Raum mit schnellen Schritten und mit einem Lächeln auf den Lippen, das tatsächlich echt zu sein scheint. „Kscht, kscht!" Macht sie, und wedelt energisch mit den Händen, als wolle sie die meinen vertreiben. Ich bin unsicher was ich mit meinen Armen machen soll, verschränke sie dann aber einfach hinter meinem Rücken und erschaudere. Ungeschützt und hilflos komme ich mir vor, während Najades Blicke über meinen nackten Körper wandern und sich ihre Augenbraun immer weiter ihrem Ansatz nähern. „Damit können wir arbeiten, Herzchen" Sie strahl und greift nach einem Maßband.
Ich weiß was sie meint. Unter den sackartigen Kleidern, die ich normalerweise trage, kommt es zwar nicht zur Geltung, aber ich habe die Figur meiner Mutter geerbt, die auch als „die Fruchtbarkeitsgöttin" bekannt ist. Kling komisch, ich weiß. Macht aber durch aus Sinn.
Die Rosesleeve Mädchen sind in der Regel mit einem üppigen Vorbau, gebärfreudigen Hüften und Wespentaille gesegnet und ich bin da keine Ausnahme. Mit 14 Jahren bin ich auf einmal zur Sanduhr geworden und mein Ausschnitt interessant für Männer aller Altersklassen, obwohl mein Gesicht noch das eines Kindes war. Auch heute noch hat mein Gesicht wenige Kanten, sondern wird von runden Zügen dominiert, was zusammen mit meinen großen, braunen Augen, das perfekte Kindchenschema ergibt. So unangenehm es mir auch ist, mich von dieser Fremden begaffen lassen zu müssen, die Fremde scheint völlig begeistern von meinem Körper zu sein und nimmt eifrig meine Maße.
„So, mein Herzchen" trällert sie wären sie aufgeregt in meinem Gesicht herum tatscht., „Jetzt wollen wir dem Kapitol mal zeigen, was für schillernde Figuren Distrikt 8 zu bieten hat."

das Mädchen aus  Distrikt 8Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt