„Sag deiner Freundin wir wollen los!".
Deiner Freundin
Mein Freund.
Seit der Episode nach dem Blutbad kann ich den verbleibenden Tributen aus 2 wohl so nennen.
Ich schultere meinen Rucksack und greife mir das Messer, das man mir überlassen hat, dann renne ich den anderen hinter her.
Wir bewegen uns Weg vom Füllhorn, um die Hovercrafts die Leichen einsammeln zu lassen und uns ein Bild von der Arena zu machen. Die Landschaft stellt sich als recht eintönig heraus.
Weite Wiesen und Felsen, die alle paar Meter aus dem Gras ragen, soweit das Auge reicht. Den Nadelwald, der in einem weiten Kreis, das Füllhorn umgibt ist schnell durchquert und biete nur wenig Deckung. Die Stämme der Bäume sind schlank und nahe beisammen, und die Äste geradezu mickrig und zerbrechlich, bei einer Verfolgungsjagd durch den Wald, könnten sie aber durchaus gefährlich werden. Die Spitzen Ende der Äste können einem schonmal ein Auge kosten oder hässliche Wunden verursachen, wenn man nicht aufpasst und dagegen läuft. Wendige Tribute sind dieses Jahr also klar im Vorteil.
Hinter dem Nadelwaldstreifen fangen auch schon die Wiesen an. Bis jetzt war das alles, was wir entdeckt haben, weder Seen, Flüsse oder andere Wasserquellen sind in der öden Landschaft aus zu machen und obwohl in dieser Arena nur die Felsen einigermaßen Deckung bieten, begegnen wir niemandem auf unserem Streifzug.
Die beiden aus 1 gehen vorne, mein neuer Freund und ich hinten. Die Körperhaltung der 3 Karrieros ist angespannt, sie halten ihre Waffen fest in den Händen, und nehmen jedes noch so leise Geräusch wahr. Ich komme mir vor wie ein Chiwawa in einem Rudel Bluthunde und wahrscheinlich werde ich von den beiden Karrieros vor mir auch genauso wahrgenommen. Der Berg von einem Jungen neben hingegen, wirft mir immer wieder so ungläubige und ehrfurchtsvolle Blicke zu, als würde da kein Mädchen, sondern eine Halbgöttin neben ihm wandeln.
Auf unserer kleinen Expedition spricht keiner ein Wort. Die Bluthunde sind auf der Jagd, und auf der Jagd wird nicht geplaudert.
Die Sonne steigt höher. Die Luft ist frisch und klar und ein kühler Wind lässt mich zittern. Wie Ferngesteuert trotte ich den anderen hinterher und versuche mich ebenfalls so laut los zu bewegen aber mein Bemühen ist eher armselig als gelungen.
Alles wirkt so surreal, die Arena, die Karierros...
Wenn ich das Messer in meiner Hand nicht wäre, könnte ich das alles hier glatt für einen Campingausflug mit den fiesen Kindern aus meiner Klasse halten. Im Moment kann ich wirklich fast keinen Unterschied erkennen. Nur das Messer und....das Blut.
Ich versuche die rote Kruste, auf meinen Haaren und an Händen der anderen aus zu blenden und die aufstrebende Panik runter zu schlucken.
Ein Campingausflug, Sage. Es ist nur ein Campingausflug.„Hier ist eine gute Stelle".
„Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist? Es wird bald dunkel und wir kennen die Arena nicht."
„Gerade darum sollten wir ein Lager aufschlagen. Es ist zu weit zurück zum Füllhorn."
Die beiden schauen zu dem Jungen neben mir, der lässt seinen Rucksack auf den Boden fallen.
„Lapis hat recht."
Das Mädchen lächelt triumphierend und lässt ihre Umhängetasche ebenfalls zu Boden gleiten. Ich tue es ihr gleich.
Ich bin der selben Meinung. Nicht, dass es irgendjemanden interessieren würde, aber ich habe so viel Zeit mit der Theorie „wie finde ich einen guten Unterschlupf" verbracht, dass es für mich so gut wie unmöglich ist einen passablen Lagerplatz zu übersehen, und der hier ist perfekt.
Wir befinden uns auf einem Hügel auf dem man einen fantastischen Blick auf die umliegende Ebene hat und auf dem ein gewaltiger Stein Schutz vor dem Wind bietet, der im Laufe des Tages immer schneidender und kälte geworden ist.
„Lapis, richte du die Schlafsäcke her, Emerald, du kümmert dich ums Essen"
Die beiden Tribute nicken.
Lapis und Emerald. Lapis und Emerald. Die Namen leuchten immer wieder in meinem Kopf auf, während ich mich versuche ein Feuer zu machen und die beiden aus den Augenwinkeln beobachte.
Das Mädchen ist mir schon damals aufgefallen, als sie beim Training eine Punktzahl von 10 erreicht hat. Zuvor hatte ich sei für unscheinbar gehalten, was mir jetzt im Nachhinein vollkommen absurd vorkommt, da jede ihrer kraftvollen Bewegungen deutlich ihr Wesen widerspielgelt. Sie ist durch und durch eine Kämpferin. Auf Distanz war ich dafür blind, ich habe mich von ihrer kleine Statur und den süßen, schwarzen Krauslocken täuschen lassen, aber jetzt fällt mir dafür umso mehr auf, wie breit sie gebaut ist, wie viel Kraft in dem Muskulösen Körper und wie viel Wille in den dunklen Augen steckt.
Als sie den Kopf in meine Richtung dreht, wende ich schnell den Blick ab. Plötzlich wird mir bewusst, dass die Axt, die sie vom Füllhorn mitgenommen weniger als einen halben Meter von ihr entfernt liegt.
Sie runzelt die Stirn, wendet sich aber wieder dem Ausbreiten von Decken auf dem Boden zu, damit wir nicht auf dem kalten Erdboden liegen müssen.
Ihr Distriktpartner, Emerald, folgt in der Zwischenzeit ebenfalls seinen Anweisungen und kramt in seinem Rucksack nach unseren Essensvorräten. Er ist groß und muskulöse aber im Gegensatz zu dem Jungen aus 2 wirkt sein Körper nicht massig und schwer, sondern athletisch und gerade zu elegant. Er sieht gut aus, das ist mir schon im Trainingscenter aufgefallen und mit ich bin mir sicher, dass ich da nicht die einzige bin. Die sturmgrauen Augen und die Caramel Haut in Kombination mit den dunklen, zerzausten Haaren haben sicher schon so manches Mädchen um den Verstand gebracht aber als ich ihn das erste Mal mit einem Dolch trainieren sehen habe, sind meine Knie aus einem ganz anderen Grund weich geworden.
Meine Hände bewegen sich wie von selbst und plötzlich lodert ein kleines Flämmchen in mitten des Haufens aus getrocknetem Gras auf.
Wenig später sitzen wir rund um ein kleines Lagerfeuer, jeder mit einer Dose Eintopf in der Hand, und schauen in die Sterne. Die Wolken haben sich verzogen, die Nacht ist kalt und klar aber unter den Decken, nahe der Flammen, ist es wohlig warm. Ich lasse mich von der friedlichen Stimmung einlullen und verliere mich im Nachthimmel über mir.
„Denkt ihr an zuhause?"
Die Frage rutscht mir einfach so raus. Plötzlich bin ich wieder hellwach. Ich könnte mich ohrfeigen.
„Ich denk an meinen Bruder". Zu meiner Überraschung ergreift Emerald das Wort. Die andern scheinen nicht wirklich beeindruckt davon, also gebe ich mich auch so, als währe das keine große Sache. Natürlich. Die andern haben sich während des Trainings ständig unterhalten. Für mich dagegen ist es das erste Mal, das ich ohne hinter Gedanken ein Gespräch mit einem anderen Tributen führe.
„Er will sich auf freiwillig melden, wenn der alt genug ist"
„Wie alt ist er denn?" Ich glaubte das ist das erste Mal, dass ich Lapis Stimme höre. Ich erschaudre. Sie erinnert mich an die Stimme des Mädchens, das mir bei der Ernte gut zu geredet hat. Sie ist genau so dunkel und rauchig.
„13."
Mir fällt auf, dass ich keine Ahnung habe, wie alt die andern sind. Die beiden Jungs schätze ich auf 18 aber Lapis sieht jünger aus. 15 vielleicht. Allerhöchstens 16.
„Dann ist er doch schon im richtigen Alter"
„Keiner unter 14 hat jemals die Spiele gewonnen."
„Hat er sich denn gemeldet"
Schweigen.
„Er wollte, aber er hats nicht gemacht."
„Warum nicht?"
„Weil dieses Jahr endlich mein Jahr war"
„Habt ihr euch eigentlich alle freiwillige gemeldet?" Ich starre weiter in die Sterne. Ich will die Reaktion auf meine Frage gar nicht sehen, ich war nur neugierig und hoffe, dass ich damit keine fatalen Fehler begangen habe.
Das andere Mädchen lacht auf und nimmt mir damit meine Sorge.
„Ob wir uns freiwillig gemeldet habe? Schätzchen, in meinem Distrikt kämpfen jedes Jahr dutzende Jugendliche darum zu den Spielen fahren zu dürfen. Die paar Tage bei den Spielen überstehen, bedeutet in der Gesellschaft an die Spitze zu rücken und ein Leben voller Reichtum. Ich hab nie verstanden, warum ihr anderen es so furchtbar findet bei der Ernte gezogen zu werden. „
„Weil wir Wölfe und sie Scharfe sind." Ich kann das Grinsen in Emeralds Gesicht förmlich hören. Ich drehe mich zur Seite. Der Junge aus 2 neben mir, rückt näher. Ich warte darauf seine Hände auf meinem Körper zu spüren, aber es ist nur sein Atem, der meine Haut streift.
„Ich schätze das macht aus mir ein Scharf im Wolfspelz „, murmle ich in die zusammengeknüllte Jacke, die mir als Kissen dient.
„Ha! Das ist gut, Rosesleeve! Das merk ich mir!" Lapis Lachen verhallt in der Nacht.
Niemand antwortet ihr, aber auf einmal fühle ich mich viel wohler in dieser Gruppe von Profikillern.
Ich glaube nicht, dass ich in dieser Nacht eine von ihnen geworden bin. Nein, das währe anmaßend, aber das Gefühl beschleicht mich, dass ich von jetzt an mehr als nur ein namenloser Tribut für die beiden aus 1 bin.
Ob das gut oder schlecht ist, wird sich noch zeigen.
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das Mädchen aus Distrikt 8
FanfictionWillkommen, willkommen, zu den 56. Hungerspielen! Die 17-jährige Sage Rosesleeve aus Distrikt 8 verfolgt eine nie dagewesen Strategie um die diesjährigen Spiele zu gewinnen...eine Beziehung mit einem Karriero! Der starke, schüchterne Junge aus 2 sch...