Die nächsten Tage vergehen relativ Ereignis los. Wir wandern durch die Arena, Essen, Schlafen und gehen weiter. Zweimal sind wir auf unseren Streifzügen auf andere Tribute gestoßen. Weder Der Junge aus 9 noch das Mädchen aus 11 haben das Treffen überlebt. Als Emerald dem der Kleinen die Kehle durchgeschnitten hat, habe ich was von der Blutfontäne abbekommen, die aus ihrem Hals gespritzt ist. Ich habe meinen Mageninhalt hinter in den nächsten Busch gereihert und die Sache war gegessen.
Die Temperatur ist gesunken und der Wind am Rand der Arena ist nahe zu orkanartig geworden. Die Spielemacher treiben uns langsam, aber sicher zurück zum Füllhorn.
In der ersten Nacht, in der der Wind so stark zugenommen hat, waren wir ziemlich weit weg vom Zentrum und die Böen haben uns voll erwischt. Trotzdem habe ich es irgendwie geschafft, ein Feuer zu machen, seitdem werde ich wie ein vollwertiges Mittglied der Gruppe behandelt. Emerald hat sich eine Ohrenentzündung geholt und Lapis jammert ständig über Blasen an ihren Füßen, ansonsten sind aber alle wohl auf und gesund.
Vor 2 Tagen mussten wir das erste Mal jagen. Das heißt Emerald hat mit seinen Messern die smaragdgrünen Eidechsen, die sich unter den Felsen verstecken, aufgespießt und ich habe die kleinen Dinger ausgenommen. Eigentlich sind die Viecher giftig, aber die Drüsen, in denen sie ihr den tödlichen Speichel produzieren, lassen sich leicht entfernen, wenn man weiß wo sie liegen. Viel Fleisch war an denen nicht dran, aber ein Dutzend Eidechsen haben einen guten Eintopf ergeben. Wann immer uns jetzt eines dieser Reptilien unterkommt, zückt Emerald seine Messer und macht kurzen Prozess. Das ist eine recht ergiebige Nahrungsquelle.
Langsam zieht sich das ganze in die Länge, seit 8 Tagen sitzen wir jetzt schon in der Arena und tun nichts anderes als Gehen, Essen und Schlafen. Gehen, Essen, Schlafen, Gehen, Essen, Schlafen...
Das zeigen die zwar nie auf ihren Bildschirmen, aber mit der Zeit wird „ums Überleben kämpfen" zur langweiligen Routine.
Sogar die Angst ist mittlerweile nicht mehr als ein Bestandteil meines Alltags. Schon nach dem Aufstehen habe ich Angst, was am Abend sein wird und in der Nacht kann ich nicht schlafen, weil ich mich davor fürchte, was der Morgen bringt.
Wir sind noch zu 8 in der Arena, 4 Tribute außerhalb unserer kleinen Gruppe. Noch gibt es keinen Grund die Allianz auf zu lösen, vor allem so lang die andere Gruppe mit dem Mädchen aus 7 und den beiden aus 10 noch irgendwo da draußen ist, aber was, wenn sich das plötzlich ändert?
In der 3. Nacht habe ich angefangen mir darüber sorgen zu machen und in der selben Nacht bin ich auch das erste mal etwas vertraulicher mit meinem Freund geworden. Wir reden viel, am Tag und am Abend. Genauegenommen, erzählt er viel und ich höre zu. Er scheint nicht wirklich daran interessiert zu sein, woher ich komme, oder wer ich bin, solange ich ihm tröstende Worte ins Ohr flüstere und ihm in der Nacht den Schlafsack wärme. Wenn die Dunkelheit hereinbricht, schweigen wir, und liegen nahe beieinander. In jener 3. Nacht bin ich das erste Mal auf ihm gelegen und hab ihn meinen Körper spüren lassen. Seit dem, folgt er mir wie ein treuherziger Hund. Die anderen beiden, verlieren kein Wort darüber, ihnen ist wohl klar, dass ihnen die kleinste höhnische Bemerkung den Kopf kosten könnte.Die Bäume ringsum fangen trotz ihrer schlanken Statur den Wind ab. Nie Nadeln rascheln und die Stämme biegen sich unter den heftigen Bögen, aber die Tannen und Fichten halten stand, so dass wir im inneren des kleinen Wäldchens von dem plötzlichen Wetterumschwung geschützt sind. Wir sind nahe am Füllhorn dran, die restlichen Tribute, die vor dem Orkan, der außerhalb des Waldstücks tobt, Schutz gesucht haben, müssen ebenfalls ganz in der Nähe sein. Trotz der schneidenden Kälte des Sturms, läuft mir der Schweiß über die Stirn. Die letzte halbe Stunde sind wir gerannt, und weil ich die kleinste und langsamste der Gruppe bin, ist für mich aus dem schnellen Joggen ein heftiger Sprint geworden. Ich krümme mich zusammen und hechle wie ein Hund. Die anderen sind zwar auch kurz außer Atem, bleiben aber aufrecht stehen. So weit ich das erkennen kann schwitzen diese Übermenschen nicht mal unter den Achseln. Wir rasten nur wenige Minuten, dann bahnen wir uns einen Weg zwischen den engstehenden Bäumen auf der Suche nach einem Platz, der etwas Deckung bietet. Der feuchte Waldboden duftet intensiv und verströmt ein erdiges Aroma, das sich mit dem Duft der Nadeln vermischt. Die Kombination macht mich schwummrig. Meine Füße schmerzen und mein Kopf fühlt sich an, als wäre er mit Watte ausgestopft. Etwas summt in meinen Ohren.
„Das ist doch ein nettes Plätzchen" Lapis deutet auf eine paar junge Bäume, die noch dichter an einander gedrängt stehen als ihre Artgenossen. Zusammen mit dem Efeu und den abgebrochenen Ästen, die um die Baumgruppe verstreut liegen, bilden sie eine Art Dickicht. Das Summen wird lauter.
Lapis kniet sich hin und will mit einer Hand einen Zweig auf beiseite räumen, hinter dem sich eine Art Hohlraum vermuten lässt.
„Nicht!"
Sich zuckt zusammen und starrt mich entgeistert an. Gott sei dank hat sie die Hand da Weg genommen.
Mein Freund runzelt die Stirn und geht vorsichtig näher an das Dickicht heran. Er legt den Finger an die Lippen und schneidet damit Lapis, die sich gerade über meinen Ausruf beschweren wollte, das Wort ab. Alle laschen. Jetzt hören sie es auch. Das Summen ist angeschwollen als Lapis die Hand nach dem Ast ausgestreckt hat. Der Junge nimmt den Finger von den Lippen und bedeutet uns mit einer Handbewegung, dass wir hinter einem Baum in Deckung gehen sollen. Mein Herz rast, aber ich begebe mich so wie die beiden anderen so lautlos wie möglich in sichere Entfernung .
Mein Freund nähert sich vorsichtig dem Dickicht. Ganz langsam hebt er den Arm und greift nach dem Ast. Dann geht alles ganz schnell.
Er schreit auf und zuckt zurück. Auf einmal hält er sein Schwert in der Hand und Hakt auf die verwachsenen Bäume ein. Er spaltet das Holz in einem Hieb und plötzlich explodiert eine Piniata mitten im Wald. Tausende schwarze Pünktchen brechen aus dem Unterholz hervor, und schwirren hektisch durch die Luft. Der Wald bebt vor Summen und der Junge, der immer noch verdattert mit dem Schwert in der Hand in mitten des aufgebrachten Bienenscharms steht taumelt benommen zurück. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass mir diese Szene zwar wie eine Ewigkeit vorkommt, das Ganze aber in Wirklichkeit nur wenige Sekunden gedauert hat, aber so ist es nicht. Minuten lang beherrschen diese Biester den Wald um uns herum.
Ich werde gestochen. Einmal, zweimal, vielleicht auch öfter, aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Die Panik vernebelt mir die Sinne. Unkoordiniert fuchtle ich mit meinen Armen durch die Luft und hoffe ein paar Bienen zu töten, während in meinem Kopf die Alarmglocken jeden klaren Gedanken übertönen. Ich will wegrennen aber meine Beine bewegen sich nicht. Ich will schreien aber mein Mund bleibt geschlossen. Jemand neben mir stößt einen schrillen Schrei aus. Ein Mädchen.
Es hört zwar nicht plötzlich auf aber die Viecher schwirren nach und nach davon. Das Summen verhallt. Stille.
Ich schaue mich um. Alles ist genau so wie zuvor, es ist fast schon absurd. Emerald steht keuchend an eine Baum gelehnt, Lapis hat am bodenliegend das Gesicht in die Hände vergraben und der Junge, der in mitten des Schwarms gestanden hat liegt am Boden und rührt sich nicht. Ein dumpfes Pochen macht sich in meinem Kopf bemerkbar und eine Stelle an meinem rechten Oberarm brennt wie Feuer aber ich ignoriere es. Ich gehe zu dem Jungen. Zögernd knie ich mich neben ihm auf den weichen Waldboden. Irgendwo zwitschern Vögel. Ich habe angst davor was ich vielleicht gleich feststellen werde. Sein Gesicht ist teils mir zugewandt und teils unter Nadeln verborgen. Vorsichtig hebe ich seinen Kopf an, der sich unerwartet schwer in meinen Händen anfühlt, und bete ihn in meinen Schoß. Ich sende Stoßgebete zum Himmel und fühle mit zittrigen Fingern seinen Puls. Ich spüre nichts, aber es erklingt keine Kanone. Ich schaue mir seinen Hals genauer an, drei Stiche knapp unterm Adamsapfel. Ich schlucke, das sieht nicht gut aus.
Plötzlich kommt mir eine Idee. Die bisher habe ich keinen Gedanken daran verschwendet, aber jetzt könnte ich mich dafür Ohrfeigen, dass ich die Möglichkeiten nie am Schirm hatte. Ich schaue an den Baumstämmen hoch und fixiere ein verdächtig großes Astloch. „Bitte", meine Stimme klingt zittriger als beabsichtig und die Träne, die mir über die Wange kullert, ist echt. Ganz plötzlich fühle ich mich leer und verlassen. Ich beuge mich zu dem blonden Schopf hinunter und berühre seine Lippen, ganz sanft mit meinen. Er hat schrecklichen Mundgeruch, aber das hab ich wahrscheinlich auch. Seltsam was einem in solchen Momenten durch den Kopf geht. Komm schon Sage, hier geht's um dein Überleben. Wenn der Junge ins Gras beißt ist es mit dir auch aus. Gib alles.
Ich Schluchze auf und bin selbst davon überrascht, wie herzzerreißend das Klingt. „Nein, nein, nein! Bleib bei mir!" Heiße Tränen strömen über meine Wangen und fallen auf sein Gesicht. Ich Küsse ihn erneut, diesmal leidenschaftlicher, aber immer noch passiert nichts. Was wollen die den noch? Soll ich vor lauter Trauer mit einer Leiche schlafen, oder was? Theatralisch werfe ich mich über seine Brust, langsam wird es lächerlich.
Für einen Moment beschleicht mich die Panik, dass ich es übertrieben habe, das ich mich selbst als die dürftige Schauspielerin enttarnt habe, die ich bin aber dann höre ich es.
Das ersehnte Piepsen des Fallschirms.In der kleinen Metallbox befindet sich eine Spritze und eine Tube mit Salbe. Ohne groß darüber nach zu denken ramme ich dem Jungen die Spritze in die Brust. Glücklicherweise sind meine Arme stark genug und die Nadel versinkt tief in seinem Fleisch und das Mittel, vermutlich Adrenalin, breitete sich schnell in seinem Körper aus. Ich halte vor Anspannung die Luft an. Fieberhaft huschen meine Augen über den leblosen Körper, auf der Suche nach einem Zucken oder einem sonstigen Lebenszeichen. Erst als sich seine Brust plötzlich wieder hebt und senkt, strömt auch wieder in meine Lunge Luft. Obwohl ich dachte, dass meine Tränendrüsen vollkommen erschöpft sind, füllen sich meine Augen wieder mit den salzigen Perlen, dieses Mal vor Erleichterung. Ich werfe mich an seinen Hals. Ich denke nicht groß darüber nach oder spiele die Geste, ich tue es einfach und genieße, das Gefühl von Glück, das durch meinen Körper strömt und meine Beine weich macht. Ich gebe ihm einen Kuss. Unsere Lippen verschmelzen nur kurz und flüchtig, aber es ist das erste Mal, das ich ihm aus freien Stücken einen schenke.
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das Mädchen aus Distrikt 8
FanfictionWillkommen, willkommen, zu den 56. Hungerspielen! Die 17-jährige Sage Rosesleeve aus Distrikt 8 verfolgt eine nie dagewesen Strategie um die diesjährigen Spiele zu gewinnen...eine Beziehung mit einem Karriero! Der starke, schüchterne Junge aus 2 sch...