8. Augen

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Ziemlich spät registrierte V, dass es draußen schon dunkel war. Verwundert legte er das Buch beiseite und trat zur Terassentür. Die Sterne konnte er selbst von drinnen erkennen, auch wenn durch das Licht der Raum widergespiegelt wurde. Langsam öffnete er die Terassentür und trat raus. Es war kühl doch erfrischte ihn in diesem Moment und bewundernd stand er einfach nur da und starrte in den Himmel. Stern um Stern leuchtete ihm entgegen und hinter den Baumwipfeln erkannte er den Mond. Dieser war nicht voll, jedoch erleuchtete er die Umgebung hell.

Der Wind stand still und auch die Vögel waren am schlafen. Die Stille, die hier herrschte, war eine ganz andere, als in der Waldhütte. Sie war beruhigend und nicht erdrückend. Sie war befreiend und nicht einengend. Taehyung stand wirklich nur da und starrte in den Himmel, als er einer Eingebung nachgebend nach links in den Wald blickte. Ein Funkeln erregte seine Aufmerksamkeit. Gerade als er einen Schritt nähertreten wollte, tat es der Wolf, der aus dem Schatten trat. V wollte zurückschrecken, erinnerte sich dann aber an das was in den Buch stand und blieb ruhig stehen. Notfalls konnte er immer noch zwei Schritte zurück in die Hütte machen und die Terassentür schließen.

Der Wolf stand majestätisch im Mondschein und seiner Körperhaltung nach konnte Taehyung entnehmen, dass er entspannt zu sein schien. Träge hob er den Kopf und blickte zu Taehyung auf. Seine Augen funkelten Ruhig und strahlten etwas aus bei dem V nicht wegschauen konnte. Auch wenn er wusste, dass es nicht gut war wilden Tieren in die Augen zu schauen. Der Wolf begann zu starren und sein Blick wurde merklich intensiver. Taehyung riss sich aus dem Blickkontakt und senkte leicht seinen Kopf. Egal was passieren würde, er wollte dem Wolf mitteilen, dass er sich unterordnete. Nur aus den Augenwinkeln sah Taehyung nun die Pfoten des Wolfes und sein Fell, welches so silbrig glitzerte.

Der Wolf bewegte sich seitlich weiter, schien Taehyungs Anwesenheit akzeptiert zu haben und V schaute vorsichtig auf, den Kopf jedoch noch gesenkt. Das Fell des Wolfes war gepflegt und dicht. Es sah weich aus, auch wenn Tae wusste, dass er kaum jemals dieses Fell berühren würde. Er beobachtete wie der Wolf entlang Schritt, nur ein paar Schritte, bevor er wieder stehen blieb. Sein mächtiger Kopf drehte sich nun wieder zu Taehyung und seine Augen fixierten ihn. Nun erkannte V, dass der Wolf bernsteinfarbene Augen hatte. Sie erschienen V nun so klar und schienen ihn direkt in die Seele zu blicken. Sie teilten ihm Worte, eine ganze Geschichte mit, doch er konnte die stummen Worte nicht entschlüsseln. V war unfähig diese Sprache der Seele zu sprechen die der Wolf sprach. Schmerzlichst wünschte sich Taehyung diese Sprache verstehen zu können.

Der Moment währte nur einen Augenblick, bevor der Wolf seinen Kopf wieder abwandte und mit schnellen, geschmeidigen Schritt war er wieder in der Dunkelheit verschwunden. Diesmal war Taehyung nicht so sehr von Angst geplagt, nein, eher im Gegenteil. Diesmal war er erstaunt und bewunderte seine zweite Begegnung mit dem Wolf. Ein Weilchen stand er noch draußen, bis ihm zu kalt wurde und er sich drinnen direkt am Kamin aufwärmte, bevor er sich fertig machte um schlafen zu gehen.

Die Augen des Wolfes gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Auch die Worte, die der Wolf ihm scheinbar mitteilen wollte, durchströmten ihn immer noch unlesbar. V lag wach. Seine Gedanken waren auf Hochtouren und die Stille, die in der Waldhütte herrschte, machte ihn wieder fast verrückt. Schließlich machte er sich einen Tee, packte sich dick in Decken ein und schob das Bett so nah ans Fenster, dass er von Drinnen die Sterne sehen konnte. Der Mondschein, welcher sich in den Augen des Wolfes gespiegelt hatte, erhellte seine Träume, als er schließlich doch ins Traumland glitt.

Lone WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt