Lone Wolf

6. Die Stille

Nachdem V aufwachte blieb er noch so lange unter der Decke verkrochen, bis ihn der Hunger zum Aufstehen zwang. Gierig machte er sich über das Brot und die Marmelade her, die er gefunden hatte und briet sich nebenher noch ein Omelett. Als das Brutzeln des Eis erstarb durchstieß ihn ein Gefühl der Enttäuschung als die fantastische Stille wieder in der Hütte eintrat. Er schaute nach draußen, schon die ganze Zeit. Großartig etwas anderes machen konnte er auch nicht. Ob er einen Spaziergang machen sollte? Vielleicht. Als er jedoch wieder einen Blick nach draußen warf, war ihm das mit dem Wolf dort doch noch nicht ganz so geheuer. Zugeben wollte das aber Taehyung auch nicht.

Die berauschende Stille versuchte er mit sanften Summen seiner neusten Lieder zu unterstützen. Immer und immer wieder begann er seine Lieder zu summen und fühlte sich wahrlich frei in dem was er tat. Er hatte keine Pflichten und plötzlich summte er einen ganz anderen Weg. Verließ die bekannte Melodie und summte einfach so irgendwas. Der Stoß Inspiration, den er verspürte, verließ ihn in den Moment, in dem er nach seinem Notizblock griff, um sich eine eventuelle Notenline oder einen eventuellen Text zu notieren. Frustriert warf V den Block wieder beiseite.

Er hatte es sich wieder auf seinem Sofa bequem gemacht und holte sich nun sein Handy, während er den Wasserkocher anschaltete. Die Zeit, in der sein Handy hochfuhr, reichte aus, um festzustellen, dass er keinen Energiegeber in der Waldhütte hatte. Kein Energy, keinen Kaffee, nur Tee. Und ganz schön viel Tee. In der Schachtel, in der die Teebeutel lagen, zählte er beim groben Überfliegen fast zehn verschiedene Teesorten. Tee war jedoch ganz und gar nicht Vs Geschmack. Also widmete er sich seinem Handy. Das Wasser im Wasserkocher, nun schön heiß und bereit, war ihm gänzlich egal und hatte nun keinen nutzen mehr. V stellte fest, das er zuerst Nachsehen sollte, bevor er wieder Wasser aufsetzte. Sein Handydisplay zeigte zwar an, dass er Internet hatte, jedoch funktionierte keiner seiner Streaming-Dienste und auch das Googeln nach etwas stellte sich als Unmöglichkeit heraus.

Frustriert drückte er schließlich auf den Anrufen Knopf seines obersten und einzig genutzten Kontakt: Jungkook. Es dauerte nicht lange, da ertönte schon das erste Düten. Auch das zweite erklang und schließlich noch ein drittes. Unruhig tippte V mit dem Fuß auf dem Boden auf. Warum hob Jungkook dann nicht ab, wenn man mal etwas von ihm wollte? „V? Was ist?", ertönte es plötzlich aus dem Hörer und V zuckte erschrocken zusammen. Was er nun hatte sagen wollen war ihm ganz abhandengekommen. „V? Hörst du mich? Ich habe nicht viel Zeit. Sag mir jetzt was du von mir möchtest." Jungkook klang wirklich danach als habe er Stress und sei in Eile, sodass die Worte von ganz allein aus Vs Mund stolperten. „Hier ist kein Kaffee." Es ertönte ein raues Lachen. „Wirklich? Nur deswegen rufst du an? Hättest auch schreiben können. Ich bring dir welchen beim nächsten Einkauf mit, okay? Sonst noch was? Ich muss gleich auflegen. Das fünfte Meeting beginnt gleich. Du hast mich in meiner Pause erwischt und ich hätte eigentlich gerne noch etwas davon." Jungkook war fröhlich wie immer, doch V hörte auch Erschöpfung aus seiner Stimme.

„Ist was los?", fragte V nach. „Die Trainees...", setzte Jungkook an, stoppte jedoch plötzlich. „Interessiert dich das wirklich?" Kurz war V verwirrt von der Frage, jedoch musste er dann verwundert feststellen, dass er sich bisher nie nach Jungkooks Arbeit oder generell mehr für Jungkook interessiert hatte. Interessierte ihn das wirklich oder war es nur die angenehme Stille, welche ihn so entspannt hatte, dies zu fragen? V hatte gerade den Mund aufgemacht, als Jungkook wieder begann zu reden: „Muss auflegen. Kaffee habe ich auf die Liste geschrieben. Ruh dich weiter aus." Es dütete, noch bevor sich V verabschieden konnte. Nachdem er selbst auflegte und das Düten erstarb, fühlte er sich ganz beklemmt. Die Stille ergriff ihn. Dröhnte unbeirrt in seinen Ohren. „Leg nicht auf...", flüsterte Taehyung in die undurchdringliche Stille und sackte in sich zusammen.