Röcke und offene Hosen

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Lucias Eltern waren das ganze Wochenende verreist, weshalb ich bei ihr übernachtete. Ich konnte mich nicht genau erinnern, wann ich das letzte Mal bei einem Freund geschlafen hatte. Für mich kam das nie in Frage, war immer der Meinung, aus dem Alter wäre ich raus. Deshalb war es so erstaunlich, wie sehr ich mich auf das gemeinsame Wochenende gefreut hatte. Zusammen herum schimmeln, Filme schauen und ganz viel Mist essen.

Ich hob meinen Kopf aus dem Kissenberg, als es an der Tür klingelte.

„Okay, Willy, sei jetzt nicht wütend okay?" Luzifer stand auf, sah mich entschuldigend an.

„Wieso...?" Ich rappelte mich ebenfalls etwas auf.

„Vielleicht hab ich noch ein paar Leute eingeladen? Zum Filmabend?"

Es kam zwar überraschend, doch stören tat es mich nicht. „Ist doch alles gut?"

„Es sind vielleicht... Eduard und seine Freunde...?"

Nun sprang ich doch unter der Wolldecke hervor. „Was...?!"

„Ich geh jetzt zur Tür und lass sie rein, okay? Und ich würde mich freuen, wenn du bleibst." Da war sie auch schon die Treppe hinunter verschwunden.

Völlig aufgebracht versuchte ich meine Haare zu richten und meine Jeans zu finden, die irgendwo in diesem Chaos lag. Ich trug nämlich die ganze Zeit nicht viel mehr als Boxershorts und meinen blauen Vereinspulli, auf dem sich das Logo meiner Mannschaft befand. Als ich meine Jeans fand, sprang ich förmlich hinein. Gerade rechtzeitig, denn einige Sekunden später standen die drei oben an der Treppe. Ohne Eduard. Lucy bewohne den Dachboden des Hauses und hatte die komplette Etage für sich allein. Sogar ein Bad war dort oben.

„Wow, Lutz, du hast einen Eisbären in deiner Bude!" Es war der Aknetyp mit den grünen Haaren. Zu meiner großen Verwunderung trug er eine Netzstrumpfhose und einen karierten Rock. Wieso sollte ein Junge das freiwillig tun?

Ich zog meine Augenbrauen zusammen. „Wieso...?" Mein Ausdruck im Gesicht sprach wohl Bände.

Er schien meinen Blick zu bemerken und drehte sich demonstrativ im Kreis. „Ja, wieso denn nicht? Hast du das mal probiert? Kann wirklich unglaublich gemütlich sein. Außerdem darf ich mich doch auch süß fühlen, oder?" Er schenkte mir ein breites Grinsen, wodurch sein Grübchen sichtbar wurde. Er hatte nur ein Grübchen. Es überraschte mich, dass er die Frage und den beurteilenden Blick meinerseits so locker nahm. Das schien seine gute Laune kein bisschen zu erschüttern. Es war beneidenswert, wie egal ihm meine Meinung zu seinem außergewöhnlichen Outfit zu sein schien. Ich haderte schon, eine Jacke zu tragen, die nicht so aussah wie die Jacken, die alle anderen trugen. Meine Unsicherheit siegte immer.

„Sorry, ich ähm..." Ich räusperte mich. Plötzlich fühlte ich mich total blöd. Ganz automatisch hatte ich ihn verurteilt. Ihm einen Stempel aufgedrückt, ohne länger darüber nachzudenken. Das war völlig unangebracht von mir. Schließlich hatte er doch Recht. Wieso sollte er keinen Rock tragen dürfen? Außerdem musste ich zugeben, dass er für einen Jungen wirklich schöne Beine in dieser Strumpfhose hatte.

„So ich hab den Kram in den Kühlschrank gestellt." Man hörte, dass er ein wenig aus der Puste war, als er redete. Eduard kam die letzten Stufen nach oben gestapft. „Oh hey, Mr X." Er lächelte mich an. So wie er es eben tat. So wie er jeden anlächelte. Trotzdem fühlte ich mich persönlich beschenkt, wenn er das tat. Wenn er mich anlächelte. „Deine Hose... ist offen." Er deutete auf meine Jeans.

Allein seine Stimme zu hören, bewirkte, dass meine Ohren anfingen zu glühen und mein Herz unaufhörlich gegen meine Rippen hämmerte. Aber als er mir auch noch sagte, dass meine Hose offen stand, war es völlig vorbei mit mir. Wahrscheinlich konnte man zusehen, wie meine Seele meinen Körper verließ. Mein Gesicht war so glühend warm, man hätte ein Spiegelei darauf brutzeln können. Mir war klar, dass ich knallrot angelaufen sein musste. Ich wandte mich ab und machte meine Hose zu. Das war wirklich mehr als peinlich. Wäre es mir vor Dex und den anderen Jungs passiert, wäre es völlig egal gewesen. Nach dem Training ging ich schließlich auch mit den anderen Jungs aus meiner Mannschaft duschen und es störte mich kein bisschen. Aber mit offener Hose vor meinem Schwarm zu stehen, war mehr als unangenehm. Dabei wollte ich den möglichst besten Eindruck bei ihm hinterlassen. Stattdessen mache ich mich am laufenden Bande zum Löffel der Nation.

„Na hoffentlich haben wir die zwei bei nichts gestört", kommentierte das unbekannte Mädel, das Eduard und den Grünhaarigen begleitete. In der Schule war sie mir nie aufgefallen, doch ich war der Meinung, dass sie letztens mit auf dem See war.

„Oh ihr habt nichts gestört", versicherte Goldlöckchen. „Pflanzt euch ruhig. Peter, hilfst du mir beim Hochtragen?" Sie winkte mich zu sich.

Mit noch immer erhitzten Ohren, ging ich zu ihr rüber.

„Du heißt nicht im Ernst Peter?" Der Grünhaare sah mich so an wie ich ihn wohl angesehen hatte, als die Frage mit seinem Rock aufkam. Dennoch merkte man ihm an, dass er es nicht ernst meinte und mich nur aufziehen wollte. Irgendwie machte ihn das sehr sympathisch.

„Äh... nein." Es wurde nach meinen Ärmel gegriffen, ehe ich von meiner Freundin die Treppen hinunter gezogen wurde. „Du hättest mich vorwarnen können!", zischelte ich aufgebracht.

„Aber dann wärst du nicht hier geblieben. Du wärst abgehauen, bevor die anderen angekommen sind. Oder etwa nicht? Du Feigling." Sie boxte mir gegen die Brust.

Sie hatte wahrscheinlich Recht. Aber es ging eben ums Prinzip.

„Lass mich doch einmal Schicksal spielen, hm? Zweimal hast du deine Klappe nicht aufgekriegt. Alle guten Dinge sind drei." Sie grinste mich an. „Komm, hilf mir die Getränke hochzutragen."

„Ich stand eben mit offener Hose vor ihm... Das war echt peinlich."

Sie lachte, weshalb ich ihr einen Klaps auf den Hinterkopf gab. „Ach, Ben. Wenn du ganz vielleicht irgendwann in einer Beziehung mit irgendwem bist, wird dein Partner dich wahrscheinlich in ganz anderen Lagen sehen." Lucy zwinkerte mir zu und führte mich in den Keller des Hauses, wo wir uns die Getränke griffen und sie zu den anderen brachten.

Dieses Mädchen machte mich einfach fertig. Sie war einer dieser Menschen, die Ananas auf ihre Pizza legten. Ganz bestimmt!

Doch der Gedanke daran, dass ich vielleicht irgendwann mit Eduard in ganz intimeren Situationen sein könnte, ließ den Puderschnee in meiner Brust aufwirbeln. Träumen würde ich ja wohl dürfen...

Losers [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt