Zerrissene Herzen

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Es war Herbst, als Eduard mein armseliges Verhalten nicht mehr aushielt. Denn ich hatte weiterhin ignoriert, wie sehr ihn die Situation zwischen uns beschäftigte. Er hatte öfter versucht das Thema anzusprechen, doch hatte ich immer abgeblockt. Denn dann wäre es so schrecklich real geworden. Dabei wollte ich doch nur noch etwas weiter träumen.

„Bennet, ich erwarte ja gar nicht, dass du dich outest oder auch nur sagst, wir wären Freunde. Das ist mir vollkommen egal. Ich..." Eduard wurde von der Schulklingel unterbrochen und kurz darauf strömten die ersten Schüler aus den Klassenräumen, um in den Nachmittag zu verschwinden.

Ich wollte mich gerade von ihm abwenden. Schließlich waren wir in der Schule und ich wollte noch immer nicht mit ihm zusammen gesehen werden.

Eddie packte meinen Ärmel. „Willst du mich gerade verarschen?"

Ich traute mich nicht ihn anzusehen. So wütend hatte ich ihn noch nie erlebt. War er überhaupt jemals wütend gewesen? „K-können wir das später klären...?"

„Nein, du rennst jetzt nicht weg." Er zwang mich, ihn anzusehen. Nein, so hatte ich ihn definitiv nie erlebt.

„Nicht hier, bitte." Ich versuchte seinem bohrenden  Starren auszuweichen. Der feste Griff an meinem Arm tat weh. Ich spürte die Neugierigen Blicke unserer Mitschüler, die an uns vorbeiliefen. Sie zerfraßen mich wie hungrige Tiere. Es waren diese Blicke, vor denen ich immer so schrecklich Angst hatte.

„Doch. Hier. Jetzt. Ist mir egal, ob du irgendwas dazu sagst oder nicht. Aber hör mir gefälligst zu!" Seine zweite Hand hielt mein Kinn im Griff, sodass ich mich nicht von ihm abwenden konnte. Ich war seinem Gesicht so nahe. Normalerweise hätte ich diese Nähe genossen, doch nicht in diesem Moment. Nicht hier. Er machte mir Angst, wenn er so wütend drein schaute. „Bennet, du musst hier niemandem überhaupt irgendwas offenlegen. Es ist mir egal, wenn du dich in der Mittagspause nicht zu uns setzt. Du musst nicht mit uns reden. Aber ich erwarte von dir, dass du kein Arschloch bist. Wie kannst du daneben stehen, wenn deine Freunde Simon und die anderen angreifen?" Er sprach nicht einmal von sich selbst. Eduard wollte seine Freunde beschützen.

„Lass mich los...", murmelte ich.

Er ignorierte meine Worte. „Ich stell dich nicht vor irgendwelche Entscheidungen. Du kannst befreundet sein, mit wem du willst. Schließlich waren sie vor mir in deinem Leben und es wäre nicht fair, wenn ich von dir erwarten würde, deine Freunde links liegen zu lassen für mich. So ein Mensch bin ich nicht. Aber ich möchte nicht mit einem miesen Schwein zusammen sein, das Mobbing unterstützt, weil er wegsieht. Es tut weh, weißt du? Jeden Tag fertig gemacht zu werden. Und weißt du, was noch mehr wehtut? Wenn die Person, von der du dachtest, dass sie dich mag, den Blick abwendet, wenn du ihre Hilfe bräuchtest."

Tränen liegen über sein hübsches Gesicht. Es tat so schrecklich weh, ihn so zu sehen. Es tat so schrecklich, ihn diese Worte sagen zu hören. Goldie hatte es mir zuvor gesagt. Simon hatte es mir zuvor gesagt. Ja, sogar Nana hatte mir gesagt, dass ich meinem Freund mit meinen Taten weh tun würde. Aber ich hatte sie alle ignoriert, um mich nicht schlecht zu fühlen. Ich hab so getan, als wäre alles gut. Dass ich alles richtig machen würde. Ich war so schrecklich egoistisch.

„Inzwischen hab ich das Gefühl, dass du mich nur verarscht. Ist das irgendeine dumme Wette? Spielst du mir nur vor, mich zu mögen? Verdammt, ich hab mich in dich verliebt. Du hast meinen ersten Kuss. Mein erstes Mal. Und langsam glaube ich, es war ein riesiger Fehler, das mit dir. Du warst mein größter Fehler, Bennet." Eduard sprach die ganze Zeit so leise, dass niemand außer mir ihn hören konnte. Dennoch waren seine Worte so schrecklich laut, dass ich mir die Ohren zuhalten wollte. Er sollte aufhören zu reden.

„Was willst du überhaupt von mir?" Mein Mund sagte diese Worte von ganz allein, als sich meine Leute in mein Sichtfeld schoben. „Lass mich einfach in Ruhe, verdammt", stieß ich hervor und starrte an ihm vorbei, um sein Gesicht nicht sehen zu müssen. Diesen Schmerz in seinem Blick. Diese Enttäuschung. Es würde mich zerstören, ihn so zu sehen.

Eduard löste seinen Griff. „Du bist so ein mieses Arschloch, Bennet." Seine Hände stemmten sich gegen meine Schultern und schubsten mich und irgendwie ging alles so schnell, dass es wie ein Film an mir vorbeizog. Ich schubste zurück und kurz darauf artete es in einer Prügelei aus. Sämtliche Schaulustige standen um uns herum und schauten dabei zu, wie sich zwei Jungen schlugen, obwohl sie einander eigentlich sehr mochten.

„Ey, aufhören!", brüllte Dexter, der mich auf die Beine zog, nachdem Simon und Goldie meinen Freund von mir runter gepflückt hatten.

Weder Eduard noch ich sagten noch ein einziges Wort. Wir starrten einander einfach nur an. Mein Blick war verschwommen von meinen Tränen und ich hatte diesen Kloß im Hals, den ich vergeblich versuchte hinunter zu schlucken.

Es war als würde jeder von uns eine Hälfte meines Herzen in der Hand halten. In zwei gerissen im Streit. Aber wie konnte etwas, was zerteilt wurde und nicht mehr leben sollte, so schrecklich wehtun?

Losers [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt