4- Versaut hoch zehn

1.6K 91 14
                                    

Mit motivierten Schritten latschte David ins Zimmer.
Als er uns erblickte weiteten sich seine Augen und er kreischte so laut, dass ich hoch fuhr.
Sofort wickelte ich die Decke so gut es ging um mich und lief knallrot an.
Sein Blick wanderte von Alec zu mir und wieder zurück.
„Oh."
Piepste er. Alec musste breit grinsen und legte den Kopf auf das Kissen mit dahinter verschränkten Armen.
„David...was...was zum Teufel tust du hier!"
Fuhr ich ihn mit schriller Stimme an.
Er trat von einem Bein aufs Andere.
„Ich sollte was für Sam holen. Aber ich...ich komme besser später wieder."
Er lief rückwärts und verschwand dann so schnell wieder, wie er gekommen war.
Kurz blieb ich so sitzen, dann liess ich mich frustriert stöhnend wieder ins Kissen plumpsen.
„Scheisse."
Fluchte ich und Alec prustete laut los.
Ich schlug ihn auf die Brust.
„Hör auf zu lachen, das ist nicht lustig."
„Nein, gar nicht."
Meinte er und schmunzelte hämisch.
Ich schlug mir die Hände vors Gesicht und atmete langsam ein und aus.
Erst jetzt lichtete sich der Schleier in meinem Kopf und mir wurde klar, was ich getan hatte. Ach du scheisse, ich hatte mit Alec geschlafen. Und somit meine erste Regel gebrochen.
Ich kaute auf meiner Lippe und wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte.
Alec rappelte sich neben mir hoch.
„Was denkst du?"
Fragte er und nahm meine Hände sanft von meinem Gesicht.
„Das...das ein Fehler war. Das hätten wir nicht tun dürfen."
Stotterte ich. Kurz wirkte es, als wäre er ernsthaft verletzt, doch dann verhärteten sich seine Züge wieder.
„Wieso? Wieso nicht, Paige."
„Weil wir getrennt sind. Du hast mich verletzt und..."
Er schnaubte und zog sich sein Shirt an.
„Stop. Das zieht nicht mehr. Ja, ich habe dich verletzt und es bereut, glaub mir. Ich habe mich entschuldigt und dich in Ruhe gelassen, aber du kannst das nicht ewig als Ausrede nutzen."
„Aber du hast mich nicht in Ruhe gelassen, du warst die ganze Zeit in meiner Nähe."
Suchte ich verzweifelt nach Argumenten.
„Und du? Hast du dich denn daran gehalten? Vorhin?"
Ich schluckte. Ganz und gar nicht. Ich hatte gewollt, dass er weitermachte, als er hatte stoppen wollen. Es war alles meine Schuld.
Ich schwieg und sah ihn nur an. Das schöne Gründ wirkte dunkel und kalt. Ich musste ihn wirklich verletzt haben. Dabei war das das Letzte, was ich wollte.
„Alec ich..."
„Nein. Ich habs kapiert, Paige. Schon klar. Wir sind getrennt. Das wars."
Ich zuckte zusammen ab der eisigen Kälte, die mir entgegen schlug. So hatte er noch nie mit mir gesprochen.
Ich öffnete den Mund um zu widersprechen, ihm zu sagen wie sehr ich ihn noch mochte, doch es kam kein Ton heraus.
Er schloss seinen Gürtel und schnappte sich sein Shirt. Dann schlug er die Zimmertür hinter sich zu, ohne mich nochmals anzusehen. Ich blieb liegen und starrte an die Decke. Die Tränen stiegen mir in die Augen und ich stiess tausend Flüche aus.
Dieses mal hatte ich es echt versaut.

Sam war wenig später zurück gekommen und schien von nichts Wind bekommen zu haben. Das war sehr gut, ich wollte mir ihre Standpauke nämlich nicht anhören.
Die Nacht auf den Dienstag schlief ich nicht, gar nicht. Ich wälzte mich hin und her und dachte über alles nach, was mit Alec und mir zu tun hatte. Er hatte Recht, ich benutzte dieses Ereignis immer noch als Vorwand, um nicht zugeben zu müssen, wie sehr ich ihn doch vermisste. Denn egal ob es nun richtig war oder nicht, er bedeutete mir unheimlich viel.
Am nächsten Morgen war ich gerädert und konnte mich absolut überhaupt nicht auf den Unterricht konzentrieren. In der ersten Pause riss ich David zur Seite und er wusste genau, um was es ging.
„Bitte, sag niemandem etwas."
Flehte ich und er seufzte mitfühlend, während er seine Bücher ordnete.
„Natürlich nicht. Aber wenn ich dir einen gut gemeinten Rat geben darf: kein Sex mit dem Ex. Das kommt immer schief raus."
Ich seufzte und rieb mir die Schläfen.
„Ich weiss, scheisse das weiss ich doch", meinte ich verzweifelt und er nickte wissend.
„Ich weiss nicht, was mit mir los ist, sowas tue ich sonst nicht."
Er legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Ganz einfach Schwester, du liebst ihn noch."
Diese Worte fuhren ein.
Verdammt, er hatte wirklich recht. Ich liebte Alec noch und es wurde mir immer mehr bewusst. Es machte auch keinen Sinn, es noch länger zu leugnen.
„Ich muss zu Alec."
Meinte ich dann prompt und David nickte.
„Ja, das denke ich auch."
Fast panisch hastete ich durch die Gänge und hielt Ausschau nach dem dunkeln Haarschopf, den ich überall erkennen würde.
Ich entdeckte Mick und steuerte geradewegs auf ihn zu.
„Weisst du, wo Alec ist?"
Fragte ich ausser Atem und seine Augen schweiften gemütlich an mir hinunter.
„Paige. Alec ist...beschäftigt, kann ich dir vielleicht helfen?"
Er lächelte gierig.
Doch ich hatte keine Nerven dafür.
„Sag mir bitte einfach, wo er ist. Ich muss wirklich dringend mit ihm sprechen."
Mick grinste noch breiter und neben ihm verzog Felix schmerzhaft die Lippen.
„Aber natürlich. Er ist im Musikzimmer."
Er wies einige Türen weiter. Was machte Alec auch im Musikzimmer.
Ich blinzelte und lief rückwärts.
„Okay, danke."
„Paige ich denke nicht dass du..."
Setzte Felix an, doch kassierte einen Schlag auf die Brust von Mick.
„Halt ja den Mund."
Es war mir egal, was sie da quatschten, ich steuerte die Türe zu und versuchte mir im Kopf zurecht zu legen, was ich sagen würde. Wie ich Alec erklären konnte, dass ich ihn immer noch liebte und es mir leid tat, dass ich es ihm so schwer gemacht hatte.
Ich riss die Türe auf, die nicht verschlossen war.
„Alec, ich muss mit dir..."
Ich rauschte ins Zimmer und blieb wie angewurzelt stehen.
Meine Augen konnten nicht wegsehen, so gerne ich das auch getan hätte.
Da an die Wand gelehnt, eingeklemmt zwischen zwei dort hängenden Gitarren stand Alec. Und eng an ihn gedrückt war da noch Ashley. Er hatte seine Hände auf ihrer Hüfte platziert und sie küsste ihn.
Sie küsste ihn so wirklich. Und er liess es zu.
In dem Moment als ich die Türe geöffnet hatte, blickte er hoch und unsere Blicke trafen sich.
Tränen traten mir in die Augen und ich schluckte, um nicht laut los zu heulen.
Er sagte gar nichts, doch in seinen Augen konnte ich dasselbe Gefühlschaos sehen, wie ich es gerade spürte.
Dann drehte sich Ashley süss grinsend um.
„Oh, hallo Paige. Ich wusste gar nicht, dass du Musikunterricht nimmst. Wenn es dich stört, können wir gerne rausgehen."
Flötete sie und meine Hand rutschte vom Türknauf.
„Nein. Nein macht euch keine Mühe."
Murmelte ich und schaffte es nicht, den Blick von Alec abzuwenden.
„War nur das falsche Zimmer."
Meine Stimme klang brüchig. Bevor ich vor Ashley noch zusammen brach, drehte ich mich abrupt im und hastete davon. Den Gang wieder zurück, blindlings zwischen den Leuten hindurch.
Scheisse, scheisse, scheisse! Ich war selbst schuld. Ich hatte ihm klar gemacht, dass es vorbei war. Was hatte ich auch erwartet? Dass er nicht bereits am nächsten Tag einer anderen die Zunge in den Hals steckte? Ich hatte ihm gesagt es sei zu Ende und er hatte das akzeptiert. Ich war selbst schuld und jetzt war es zu spät.
Ich unterdrückte ein Schluchzen und rauschte an der Jungsgruppe vorbei.
„Du bist so ein Hohlkopf", hörte ich Felix zu Mick sagen. „Was denn, sie wollte es doch unbedingt wissen."
Dann spürte ich eine tröstende Hand auf meinem Rücken. Felix hatte mich eingeholt.
„Hier lang."
Murmelte er und lotste mich durch den Gang. Vor lauter Tränen war ich beinahe blind, ich konnte nur schwammige Umrisse erkennen, die schwatzend an mir vorbei flogen.
Ich riss mich zusammen, bis er mich in einen der vielen leeren Vorlesungssäle drängte und die Türe schloss.
Dann hielt er mich ganz fest und ich liess los. Ich schluchzte und vergrub mein Gesicht an seinem Shirt.
Felix schwieg geduldig und hielt mich einfach fest.
Ich weinte bittere Tränen, die nach Selbsthass schmeckten.
„Es ist alles meine Schuld", presste ich zwischen zwei Schluchzern hervor und er schüttelte den Kopf, während er mir vorsichtig über den Rücken strich.
„Nein, ich denke da seid ihr beide nicht unbeteiligt."
Ich weinte weiter und spürte, wie meine Nase zu laufen begann. Verdammt, ich war so ein Weichei.
Ich riss mich zusammen und schnäuzte mich in ein Taschentuch, das Felix bereit hielt.
Dann trocknete ich meine Tränen und schnappte einige Male nach Luft, damit ich nicht wieder losheulte.
„Ich hab einfach alles versaut. Ich dachte ich will ihn nicht, aber ich habe mich geirrt. Und jetzt will er mich nicht mehr."
Stotterte ich und Alex wuschelte sich durch die wilden Locken.
„Du und Alec seid so verdammt kompliziert, ich kann dir nicht helfen. Ich weiss nur, dass er dich will. Er wollte immer nur dich."
„Ach ja?" schniefte ich. „Das haben seine Lippen auf Ashleys Mund ja sehr deutlich gemacht."
Felix öffnete den Mund um was zu sagen, da ging die Türe hinter uns erneut auf.
Noah stand vor mir und sah mich aus grossen Augen an.
„Ich hab vom Gang aus gesehen, dass du weinst, was ist passiert?"
Fragte er besorgt und trat näher.
„Ich..."
Begann ich und wusste nicht, was ich ihm sagen sollte.
„Meine Freundin, eine gute Freundin von Paige hatte einen Unfall. Ja."
Meinte Felix hastig und ich starrte ihn an.
Er zuckte nur hilflos die Schultern, während mich Noah in die Arme schloss.
„Ich geh dann mal."
Murmelte Felix und verschwand lautlos.
„Das tut mir leid, Paige. Ist sie schwer verletzt?"
Ich schüttelte stumm den Kopf.
Ich fühlte mich obermies, Noah jetzt auch noch zu belügen.
„Das kommt schon wieder in Ordnung. Da bin ich sicher."
Er wischte mir über die nasse Wange und küsste mich kurz. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich es zuliess. Schliesslich heulte ich ja gerade deswegen, weil Alec grad eine andere geküsst hatte.
„Komm, wir müssen zum Unterricht, Psychologie, weisst du noch? Das lenkt dich bestimmt etwas ab."
Er nahm meine Hand und platzierte sie in seiner. Dann lächelte er und zog mich raus auf den Gang.
Ich wollte protestieren, doch aus meinem Mund kam kein Laut.
Was war ich nur für ein Mensch.
Ich war Noah gegenüber so unfair. Gestern hatte ich mit Alec geschlafen und heute hielt ich Händchen mit Noah? Das war nicht in Ordnung. Doch ich war wie gelähmt. Ich mochte Noah wirklich. Er war nett. Und ich wollte ihn nicht auch noch verlieren.

Take me to the starsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt