Chapter 19-Die Erpressung

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Ich war kurz eingeschlafen. Denn ich wachte erst wieder auf, als Alec mich auf seinen Armen hoch in unsere kleine Wohnung trug.
Ich liess es zu und legte ihm bloss schlaff meine brennenden Arme um die Schultern.
„Wir sind zuhause. Jetzt kann dir nichts mehr passieren, okay?"
Alec sprach leise und schloss die Türe hinter uns ab.
Ich atmete leise ein und nickte. Er liess mich sanft auf der Couch von seinen Armen sinken und ich blickte ihm in die Augen. Das erste Mal.
Ich sah darin Schmerz, Wut und Sorge.
„Alec."
Flüsterte ich mit rauer Stimme vom vielen Schreien.
„Ja?"
„Ich bin schmutzig. Ich muss mich waschen gehen. Ich kann so nicht..."
Begann ich zu reden und fühlte plötzlich wieder überall Nolans Hände an mir. Panik machte sich in mir breit. Doch dann war da Alec, der meine Hände zwischen seine nahm und mit ernst in die Augen sah.
„Okay. Ich lasse dir ein Bad ein."
Er war so liebevoll, wie er mich an den Badewannenrand trug und mich dann in das heisse, einlaufende Wasser setzte, nachdem er mir half, mich auszuziehen. Es war mir nicht unangenehm. Ich fühlte sowas wie Scham nicht. Ich wollte nur meine ganze Haut abschrubben.
Ich sass im Wasser und schloss die Augen, während Alec sixh an den Rand setzte und begann, mit einem Lappen langsam meine Schultern, meine Brust und meinen Rücken abzuwaschen. Ganz sanft und langsam. Das warme Wasser trug die Anspannung mit sich fort und die Angst zerfloss darin wie ein schlechter Gedanke, der  sich in Luft auflöste. Ich war zuhause und meine Glieder waren plötzlich so unglaublich müde. Alles was mit Nolan zu tun hatte, wurde von meiner Haut weg gebrannt, das heisse Wasser verbrannte es einfach. So stellte ich es mir vor.
„Ich ekle mich vor mir selbst."
Murmelte ich dann gnadenlos ehrlich zu Alec.
Dieser hielt inne und wrang den Lappen aus.
„Dazu gibt es keinen Grund. Du bist wunderschön und stark. An dir ist nichts und klebt nichts, das falsch ist."
Ich nickte nur leicht und meine Haarspitzen lagen nass im Wasser.
„Magst du bei mir bleiben? Ich will noch etwas hier sitzen."
Im Wasser fühlte ich mich wohl. Aber alleine wollte ich trotz allem nicht sein.
„Klar."
Meinte Alec und zig sich den Pulli aus. In seinen Boxershorts setzte er sich kurzerhand zu
Mir ins Wasser und umfasste mich sanft von hinten mit seinen Armen.
„Darf ich so?"
Fragte er leise in mein Ohr und ich nickte nur. Es war gut, dass er fragte. Mein Körper traute ihm. Ich entspannte mich und liess mich von ihm umarmen.
Ich legte den Kopf zurück an seine starke Brust und schloss die Augen. Dann sassen wir so da, keine Ahnung wie lange. Es tat so gut.
„Du hast mich vor ihm gerettet."
Stellte ich dann wie aus dem Nichts fest. Kurz spürte ich, dass sich Alec verspannte. Auch wenn er sich bemühte, das zu verstecken.
Doch Haut an Haut waren solche Dinge schwierig.
„Ich Hatte es bei Olivia nicht verhindern können. Aber um nichts in der Welt hätte ich zugelassen, dass dir sowas passiert."
Meinte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Ich öffnete die Augen noch immer nicht, genoss nur seine leise Stimme in meinem Ohr.
„Wie hast du es bemerkt? Wie hast du mich gefunden."
„Ich habe versucht, dich nicht aus den Augen zu lassen. Ich habe dich gesucht."
Langsam klärte sich das Chaps in meinem Kopf.
„Du hast gewonnen, heute. Du bist Champion und ich habe dir noch nicht mal gratuliert. Ich habe dir den Abend kaputt gemacht."
Flüsterte ich monoton und seine Arme schlossen sich etwas fester um mich. Ich fürchtete mich nicht.
„Nein, das hast du nicht. Es gibt keinen Ort an dem ich lieber wäre als hier bei dir. Du bist..."
Eine Weile schien er mich nur anzusehen, denn ich spürte seinen stechenden Blick in meinem Nacken.
„Du bist alles was zählt für mich."
Diese Worte gruben sich tief in mein Herz und krallten sich dort fest. Sie wiederholten sich in meinem Kopf wie ein Mantra.
Meine Unterlippe begann wieder zu zittern.
„Wieso bist du so."
Hauchte ich dann.
„Du zeigst mir deine Gefühle, sagst mir wie wichtig ich dir bin und dann sowas wie gestern abend. Ich kann das nicht, Alec. Ich verstehe das nicht, ich verstehe dich nicht."
Meine Stimme klang unbeabsichtigt weinerlich.
Er schwieg und ich spürte, wie sein Atem über meinen nackten Rücken strich, als er sich zurück lehnte. Das Wasser schlug dabei leichte Wellen. Unterdessen war es merklich abgekühlt.
„Es wird langsam kalt. Komm, du solltest jetzt ins Bett gehen und dich etwas erholen."
Meinte er dann und erhob sich aus der Wanne.
Ich folgte und liess mich in ein Tuch einwickeln. Jetzt war es mir doch unangenehm, dass er mich so sah.
Er brachte mich in mein Zimmer und holte mir Kleidung hervor, während ich nur stumpf auf dem Bett sass und ihn dabei beobachtete.
Ich fragte nicht nochmals nach. Er hatte nicht geantwortet und das würde er auch nicht tun. Ich hatte keine Kraft, jetzt noch mehr darauf rum zu bohren.
Ich verabschiedete ihn mit einem Knappen Gute Nacht und zog mich dann um.
Ich legte mich ins Bett, kuschelte mich in die Decke und fror erbärmlich. Unter der Bettdecke war es heiss, doch ich spürte nur die Kälte, die mit klammen Fingern nach mir griff. Ich konnte die Augen nicht schliessen, ohne sogleich wieder an Nolan und seine Hände zu denken. Ich konnte nicht schlafen, die halbe Nacht lang nicht. Irgendwann war ich so übermüdet, dass ich trotzdem weg schlummerte. Und in meinem Traum war ich gezwungen, dasselbe nochmals zu erleben. Dieselbe Angst, dieselben Gerüche und dieselben Berührungen.
Es war nicht verwunderlich, als ich am nächsten Morgen gerädert aus meinem Zimmer kam.
Ich entdeckte Alec auch sogleich, der mit einer Tasse Kaffee in den Händen am Fenster stand, das blitzeblank geputzt war und hinaus starrte. Neben ihm auf dem Tisch stand noch immer die Kanne mit Eistee, der jetzt bestimmt nicht mehr so frisch war. Ich musste den bei Gelegenheit mal entsorgen.
Ich ging zögernd in seine Richtung, sodass er mich bemerkte und mir den Kopf zuwandte. Er hatte leichte Augenringe. Im Vergleich zu meinen war es nichts, aber es verriet mir trotzdem, dass auch er nicht gut geschlafen hatte.
„Wie geht es dir?"
Fragte er mit gesenkter und rauer Morgenstimme.
Ich verzog die trockenen Lippen zu einem gequälten Lächeln.
„Ganz gut. Ich habe nicht das Verlangen, mir die Haut vom Leib zu ziehen."
Er lächelte schwach, doch wir fanden es beide nicht lustig.
„Das ist doch schonmal ein Anfang."
Ich nickte und wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.
Ich war von Alec gerettet worden, bevor Nolan Schlimmeres hätte tun können. Das hiess ich war mit einem blauen Auge davongekommen und trotzdem plagte ich mich mit den Erlebnissen von Gestern rum.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen wie es wahren Vergewaltigungsopfern erging. Sexueller Missbrauch begann allerdings schon bei ungewollten Berührungen oder Küssen. Bei allem was ma gegen seinen Willen erlebt hatte. Nur wussten das viele nicht.
Ich schluckte und setzte mich mit weichen Beinen auf den Stuhl an den Tisch. Ein säuerlicher Gestank kam mir vom Krug mit Eistee entgegen. Ich ignorierte es und blickte hinaus in den blauen Himmel.
„Ich habe mich heute von der Arbeit abgemeldet. Ich habe gesagt ich sei krank."
Meinte ich dann kurz und Alec nickte.
„Das finde ich gut. Wir bleiben heute zuhause."
Ich hob eine Braue.
„Wir?"
Er zuckte die Schultern, sah mich aber nicht an, sondern noch immer aus dem Fenster.
„Ja. Ich lass dich nicht alleine."
Ich dachte sofort an das, was seine Schwester sich in ihrer tiefen Verzweiflung angetan hatte. Gerne hätte ich ihm gesagt, dass es bei mir nicht so sein würde. Aber ich getraute mich nicht, das Thema anzusprechen.
Dann musste ich den Gedanken aussprechen, der mich nun seit mehreren Minuten schon quälte.
„Was ist mit Nolan?"
Es ekelte mich, den Namen bloss auszusprechen, aber ich brachte ihn geradeso über meine Lippen.
Alecs Halsader trat gefährlich hervor und sein Kieferknochen ebenfalls.
„Es geht ihm gut. Ich habe heute Morgen einen Anruf von Felix erhalten. Sie haben ihn an derselben Stelle gefunden, wo wir ihn zurück gelassen haben..."
„Wissen sie, dass du es warst?"
Fiel ich ihm abrupt ins Wort.
Er holte Luft und schüttelte den Kopf.
„Nein, er sagte dass Nolan kein Wort gesagt hatte. Weder im Krankenwagen noch im Notfall."
Ich vergrub den Kopf in den Händen.
„Scheisse, er ist auf der Notfallstation?"
Flüsterte ich und massierte mir die Schläfen.
„Nicht mehr. Er hat eine gebrochene Nase und einige Prellungen im Gesicht und ab den Armen. Nichts ernstes."
Er klang gefasst.
„Du hörst dich nicht sonderlich erleichtert an."
Merkte ich an und jetzt sah er endlich zu mir.
Direkt in meine Augen und in mein Innerstes. Ich hatte das Gefühl als würde er bis zu meiner Seele durchblicken.
„Bin ich auch nicht. Ich hatte gehofft er wäre schlimmer dran."
Ich schluckte.
Hatte ich das auch insgeheim gehofft? Nein, oder?
„Aber er ist jetzt wieder zuhause und er hat nichts gesagt. Das ist doch gut."
Murmelte ich und Alec verzog die Lippen.
„Nein ist es nicht."
Ich stand auf.
„Hör mal, ich weiss du hättest ihm gerne Schlimmeres angetan, aber..."
Er hob abwehrend eine Hand und seufzte.
„Es ist nicht deswegen Paige."
„Oh."
Murmelte ich und strich mir die nach Rauch stinkenden Haare aus dem Gesicht. Selbst das Bad gestern hatte den Gestank nicht völlig rausgewaschen.
„Was ist denn los?"
Fragte ich besorgt, denn Alec sah alles andere als gut aus.
Es war fast schon unheimlich, wie angespannt und unheilvoll er mich ansah.
„Nolan hat mir eine SMS geschrieben. Er möchte sich heute mit uns treffen."
Ich starrte Alec fassungslos an.
„Ist das sein Ernst?"
Er hielt mir den Display seines Handys vor die Nase.
„Lies es selbst. Er besteht darauf. Es sei wichtig."
Ich lachte hart auf und machte sinnbildlich einen Schritt zurück.
„Das kann er vergessen. Ich will ihn nicht sehen. Ich will am liebsten vergessen wie er aussieht."
Alec mahlte mit dem Kiefer und Qual blitzte in seinen schönen Grünen Augen auf.
„Das ist koch nicht alles, oder?"
Fragte ich und er fuhr sich unruhig durch die Haare.
„Er droht, eine Anzeige gegen mich bei der Polizei zu erstatten, wenn wir ihn nicht beide heute Nachmittag an der Schule treffen."
Mir gefror das Blut in den Adern.
Mir war klar was das hiess, doch er sprach es trotzdem aus.
„Ich bin auf Bewährung draussen, Paige. Eine Anzeige von ihm könnte mich für die nächsten Jahre wieder hinter Gitter bringen. Und das weisser."
Ich ballte die Hände zu Fäusten und bebte vor Wut.
„Dieser verdammte Mistkerl! So ein Arschloch, ich könnte ihn..."
Er schüttelte den Kopf.
„Ich weiss dass du ihn nicht sehen willst Paige, und ich weiss wie unglaublich schwer das ist. Und ich hasse es, dich darum zu bitten, aber du musst mit mir zu diesem Treffen kommen. Du musst das für mich tun. Denn sonst wandere ich zurück in den Knast."
Das sass.
Doch es war keine Frage für mich. Niemals hätte ich zugelassen, dass Alec wieder ins Gefängnis musste, nur weil er mich beschützt hatte.
„Klar, doch. Ich komme natürlich mit."
Meinte ich ernst und ich sah, wie schlecht er sich deswegen fühlte.
„Danke, Paige."
Dann schwiegen wir beide.

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