Kapitel 14 - Das Duell mit schweren Folgen

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Als Kara am nächsten Morgen verschlafen in die Küche getrottet kam, fehlte von Senya jede Spur. Valdemar und Laendor saßen bereits am Tisch. Während der Zauberer an einer Scheibe Brot knabberte, war er in ein dickes Buch vertieft. Wahrscheinlich irgendetwas über Magie, nahm sie an. Sie setzte sich zu ihnen an den Tisch und wünschte den beiden einen guten Morgen, worauf die beiden murmelnd antworteten. Verdutzt aß Kara ihr Frühstück und fragte schließlich: „Wo ist Senya?" Laendor blickte sie daraufhin resigniert an, bevor er die Augen genervt verdrehte und weiter sein Müsli aus der Schüssel löffelte. „Alles okay bei dir?" fragte sie ihn, aber er ignorierte sie. Ist er jetzt etwa auch noch sauer auf mich?, fragte sie sich, während sie den Halbelfen stutzend anblickte. Valdemar sah auf, räusperte sich und legte das Buch zur Seite. Als er sie zu sich heranwinkte, beugte sie sich zu ihm rüber. Der Zauberer flüsterte ihr ins Ohr: „Sie hat schon früher gegessen und ist bereits die ganze Zeit in der Bibliothek und sucht nach irgendwelchen Zauber- und Heilbüchern - das macht sie immer, wenn sie sich mit ihm gestritten hat." Der Alte deutete mit einem leichten Nicken auf Laendor. Der Halbelf ignorierte dies jedoch. Kara hatte in den zwei Jahre bei ihnen schon mehrere Male erlebt, dass sich die Geschwister stritten, aber so schlimm war es noch nie gewesen. Vor allem nicht wegen eines solchen Themas. Senya hatte ihn doch nur aus Spaß geärgert. Warum die zwei also so ein Drama daraus machten, konnte Kara nicht wirklich verstehen. Gut, sie und Connar hatten sich auch oft gestritten, aber wegen so etwas nur in Kindertagen. „Soll ich mal mit ihr reden?" fragte sie unsicher. Sie wollte nicht nur rumsitzen und warten, bis die Zwillinge sich vertrugen, sie wollte ihnen dabei helfen, es wenigstens versuchen. Valdemar schüttelte jedoch augenblicklich den Kopf. „Lass das lieber sein. Senya will ihre Ruhe haben. Nicht, dass sie auch noch wütend auf dich wird, wenn du sie störst." Kara nickte. Dann nahm er wieder seinen dicken Wälzer in die Hand und schenkte ihr keinerlei Beachtung mehr. Laendor war fertig mit dem Frühstück und wollte gerade aufstehen, aber Kara hielt ihn davon ab. „Hey, wegen dem Kampf..." „Heute Nachmittag, auf dem Übungsplatz, okay?" meinte Laendor knapp, stand auf und verschwand durch die Tür. „Ja klar." Kara blickte ihm verdutzt hinterher. Ist er etwa so sauer, dass er mit niemandem reden will?

Am Nachmittag kam sie wie abgesprochen zum Übungsplatz. Sie hatte sich die Schwertscheide bereits an einen Gürtel um ihre Taille geschnallt. An ihm hing auch ein Beutel, der so verzaubert war, dass er von außen nur wie eine kleine Tasche wirkte, im Innern aber unglaublich viel Stauraum hatte. Auf Valdemars Worte hin, hatte sie den Dragonit in den Beutel gepackt und würde ihn so immer dabeihaben. Ihr Notizbuch und ein Stift waren ebenfalls in dem Täschchen verstaut, genauso wie einige kleine Phiolen mit Heiltränken darin, die sie im Notfall einsetzen konnte. Laendor wartete bereits auf sie. In der einen Hand hielt er sein Schwert und in der anderen Karas. Nachdenklich blickte er in Richtung Schmiede. Als er seine Schülerin bemerkt hatte, grinste er sie schwach an. „Fang" meinte er, als Kara nah genug war. Er holte aus und warf Mightiness in ihre Richtung. Reflexartig fing sie es auf und musterte es. Die Klinge funkelte im Licht der Frühlingssonne. „Halt dich nicht zurück, okay?" sagte Kara zu ihm. „Benutz alle Techniken, die du draufhast. Ich will sehen, wie viel ich mit Mightiness anstellen kann." Laendor nickte einverstanden. „Klaro." Dann ging er in Kampfposition. Sie tat es ihm gleich. Kara schoss auf ihn los und holte aus. Blitzschnell parierte Laendor den Angriff. Sie war es von ihm gewohnt, dass er schnell war - aber so unglaublich schnell hatte er noch nie gegen sie gekämpft. Er holte zu einem Angriff aus, den sie nur in letzter Sekunde abwehren konnte. Flink setzte Laendor zum nächsten Hieb an, aber sie machte einen Satz nach hinten. Mightiness fühlte sich plötzlich viel wärmer in ihrer Hand an, als noch zuvor. Jetzt! Nun ist es soweit!, dachte sie. Sie wusste, was das Schwert ihr mit diesem Glühen sagen wollte. Kara konzentrierte sich und lenkte die Magie in das Schwert. Die eingravierten Runen auf der Klinge färbten sich augenblicklich rötlich und die Klinge glänzte noch stärker. Das klirrende Geräusch von aufeinanderschlagendem Metall ertönte laut, als sie ihren Mentor dieses Mal angriff. Zuvor war es für Laendor ein leichtes gewesen, Karas Attacken zu parieren oder abzuwehren, aber nun musste er sich wirklich anstrengen. Ihre Klinge hatte viel mehr Schlagkraft als zuvor. Er sammelte Kraft in seinem Schwertarm, stieß Mightiness bei Seite und machte einen weiten Satz nach hinten. Mit all seiner Kraft und Konzentration beschwor er einen der wenigen Zauber herauf, die er beherrschte. Ob es überhaupt funktionieren würde, wusste er nicht, aber er musste es versuchen, sonst würde er kläglich gegen seine Schülerin verlieren. Und er wollte erst gar nicht daran denken, wie ihn seine Schwester damit aufziehen würde - vorausgesetzt, die beiden vertrugen sich wieder. In seiner linken Hand bildete sich etwas hartes Hölzernes - ein Stück Rinde. Daraus formte sich ein einfacher Holzschild. Zwar war er kein nahezu unzerstörbarer Schild aus reiner Magie, aber immer noch besser als gar nichts. Kara blickte ihren Lehrer verwundert an. „Du kannst ja doch zaubern!" stellte sie lachend fest. Dies hätte sie nie für möglich gehalten, aber es war wahr. Laendor hatte gerade eben tatsächlich Magie gewirkt! Dies hatte er in ihrer Gegenwart noch nie getan. Sie hatte ihn noch nie zaubern gesehen - vor allem nicht bei einem ihrer Duelle. Ob sie sich jetzt freuen oder Sorgen machen sollte, musste sie allerdings noch herausfinden. Er erwiderte ihren staunten Blick verlegen. „Tja, ich schätze mal, ein bisschen schon. Aber ich werde niemals so gut sein wie Valdemar, Senya und du." Dann sprang er auf sie zu und beendete damit die kurze Plauderei. Diese schnelle Bewegung war sie nicht vorbereitet gewesen, hatte sie nicht mal kommen sehen. Schnell beschwor sie einen Schild um sich herum und hielt das Schwert schützend vor sich. Nicht mal eine Sekunde später tauchte der Halbelf wieder auf und rammte seine Klinge gegen ihren unsichtbaren Schild. Kurz schien er verwundert, ließ sich aber nicht beirren. Dies hatte Kara schon oft während ihren Trainingskämpfen getan, seitdem sie in dieser Technik von seinem Ziehvater unterwiesen wurde. Er kannte den Schwachpunkt ihres Schildes. Er war nicht so wie der von Valdemar, den man nur mit wirklich mächtigen, magischen Angriffen zerstören konnte. Nein, Laendor musste ihren Schild nur an mehreren Stellen stark beschädigen und dann mit aller Kraft, die ihm zur Verfügung stand, einen mächtigen Schlag landen, der den Schild zerspringen lassen würde. Er hämmerte immer schneller auf den Schild ein. Einige Male schaffte es Kara zwar, sein Schwert mit Mightiness abzuwehren, um ihren Schild zu schützen, denn sie wusste ganz genau, was er vorhatte. Aber trotzdem bekam ihr Schild immer mehr Kratzer ab. Jetzt waren es genug. Der Halbelf war sich da Sicher. Er sammelte alle Kraft und auch die wenige Magie in seinem Blut und konzentrierte sie auf seinen Arm, in dem er sein Schwert hielt. Er musste nur einen gezielten, starken Treffer landen, dann würde er Karas Schild zu Nichte machen. Er holte aus und traf den Schild mit voller Breitseite. Erst vibrierte er nur und zersprang dann in tausende von kleinen Funken weißer Magie, die langsam verpufften.

Kara - Das Herz der ElfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt