Kapitel 3: Rückkehr

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„Ob Papa wohl schon zuhause ist? Was meinst du, Connar?" fragte Elea.  Die Jäger des Dorfes, dessen Anführer Sam mittlerweile war, erhielten vor einigen Tagen den Auftrag, ein Rudel wild gewordener Wölfe zu erledigen, da diese Tiere eine große Gefahr für Reisende darstellten. Allerdings hatten die Geschwister seit seiner Abreise nichts mehr von ihm und den anderen Jägern erfahren. „Ich hoffe mal. Er wollte uns doch eine Nachricht mit dem Falken schicken, wenn sie die Wölfe erledigt haben oder es doch noch länger dauern sollte." Seine Schwester nickte. Die beiden konnten wirklich nur hoffen. Schließlich waren Wölfe starke und gerissene Tiere, die man nicht unterschätzen sollte. Abgesehen davon herrschte auch noch Krieg zwischen den unter einem Bündnis vereinten Völkern der Elfen und Menschen und den gefürchteten, blutrünstigen Obsidianern. Vom Krieg bekam man in den Wäldern von Ellanon allerdings nicht allzu viel mit, denn sie standen unter dem Schutz von Lord Damian und seinen Rittern aus der großen Stadt Forestina. Jenseits und am Rande des Waldes soll es aber um einiges schlimmer sein, hatte Elea vor einigen Monaten von fahrenden Händlern gehört.  Nach einer Weile erschien in naher Ferne endlich das Haus ihrer Familie. Das Strohdach war zu geschneit und von den Balken, die einen Dachüberstand bei der Türschwelle stützten, hingen einige Eiszapfen, die das Licht der Laternen reflektierten und zu funkeln begannen. Die Geschwister setzten einen eiligeren Gang an, um schneller anzukommen. Connar klingelte an der kleinen Glocke, die von einem der Balken baumelte. Einige Augenblicke später öffnete sich die Tür und Lianna erschien im Türrahmen. „Hallo, Mama" sagten die beiden wie aus einem Mund. „'Tschuldige, dass wir so spät dran sind. Wir mussten die ganze Zeit fürs Rechnen büffeln" führte Connar den Satz zu Ende. „Stimmt das auch?" hakte sie nach und blickte Elea erwartungsvoll an. „Ja, Mama, wir haben wirklich nur die ganze Zeit gelernt." Lianna musste schmunzeln. „Ist ja schon gut." Sie schenkte ihnen ihr typisches, liebevolles Lächeln und drehte sich um. „Habt ihr Hunger? Ich habe eure Lieblingssuppe gemacht." Sie blickte über die Schulter zu ihren Kindern. In Connars haselnussbraune Augen trat sofort ein glückliches Funkeln. „Na und ob! Danke." 

Er und Elea folgten ihrer Mutter in die Küche und setzten sich an den Essenstisch. Ein großer Topf, aus dem ein leckerer Geruch stieg, und Besteck waren schon aufgestellt worden. Auf der Herdplatte stand ein anderer Topf, der mit heißem Wasser gefüllt war. Connar tat sich bereits die Suppe in die Schüssel und Elea füllte das Wasser in die Tassen um.   „Hat Papa sich schon gemeldet?" wollte sie wissen. Lianna legte den Löffel zurück in die Schale, bevor sie zu sprechen begann: „Nein, leider noch nicht. Aber er wird bald wieder hier sein." Sie trank einen Schluck von ihrem Tee. Ihre Tochter erwiderte: „Hoffentlich ist er vor der Wintersonnenwende zurück. Es wäre wirklich schade, wenn er und die anderen Jäger das Fest verpassen." Am Tag der Wintersonnenwende fanden in ganz Insha Feste zu Ehren der Götter statt. An diesem Tag wurde, wenn man den alten Legenden Glauben schenkte, das Licht und somit das Leben von der Schicksalsgöttin Lumina nach Insha gebracht. Dies repräsentierte das Länger werden der Tage nach der Wintersonnenwende. Das ganze Dorf versammelte sich jedes Jahr im Wirtshaus und feierte mit viel Tanz, Musik und leckeren Speisen den Tag der Wintersonnenwende. Bis zu diesem Tag dauerte es nicht mehr lange und jeder einzelne Dorfbewohner freute sich schon sehr auf dieses Ereignis.

Als alle mit dem Essen fertig waren, ging Elea in ihr und Connars Zimmer. Sie wollte noch eine Skizze fertig zeichnen, die sie heute mitten im Unterricht angefangen hatte. Sie setzte sich aufs Bett, nahm alles was sie benötigte aus ihrem Schulbeutel und begann weiter zu zeichnen. Währenddessen vergaß sie ihre Umgebung und konzentrierte sich vollkommen auf das, was sie auf dem Papier festhalten wollte. Als sie fertig war, betrachtete sie das Bild. Es war ein hoher Berg, der aus einem riesigen Gebirge ragte. Die Wolken, die dort über den Himmel zogen, wirkten fast wie echt. So als könnte man sie anfassen und eine wirkliche Wolke spüren. Wie sich das wohl anfühlt?, fragte Elea sich im Stillen. Plötzlich ging die Zimmertür auf und Connar trat herein. Zu Eleas Verwunderung hielt er ein Buch in Händen. „Du liest?" fragte sie vollkommen verwundert. Er war nie jemand gewesen, der freiwillig die Nase in ein Buch stecken würde.             „Ja und?" antwortete er so, als ob es vollkommen normal für ihn sei. „Du und lesen? Warum fängst du denn auf einmal an, ein Buch zu lesen?" Früher als sie noch Kinder waren, war er immer der erste, der Lianna nach einer Gute Nacht-Geschichte gefragt hatte. Aber sobald die Kinder in der Schule lesen gelernt hatten, meinte ihre Mutter immer, dass sie sich doch gegenseitig etwas vorlesen könnten, um es zu üben. Connar hatte sich strikt dagegen geweigert. Und so durfte Elea immer die Rolle der Geschichtenerzählerin einnehmen, währenddessen Connar schon nach wenigen Minuten eingeschlafen war. Das hatte ihr aber nichts ausgemacht, da sie danach noch stundenlang weitergelesen hatte, bis sie schließlich müde war. Elea war das, was die alten Leute eine Nachteule nannten. Sie blieb nach dem Zubettgehen immer noch stundenlang wach. Der Sandmann schaffte es erst, sie zum Einschlafen zu überreden, wenn es beinahe Mitternacht war.   Connar zuckte die Achseln und packte den Wälzer auf die Kommode. Er strich sich die braunen Struppelhaare aus dem Gesicht und blickte neugierig auf das Blatt Papier in der Hand seiner Schwester. „Was ist das?" fragte er neugierig. „Eine Zeichnung, nichts Besonderes. Hier bitte." Sie reichte ihm das Blatt und er betrachtete es. „Nichts Besonderes?" wiederholte er fragend. „Im Gegenteil. Das ist einfach nur ..." Er schüttelte lächelnd vor Staunen den Kopf, während er versuchte eine passende Beschreibung für die Skizze seiner Schwester zu finden. Letztendlich fiel ihm nur ein Wort ein: „Wow" sagte er schließlich, „Wie kriegst du das nur immer hin? Wenn ich versuche etwas zu malen, sieht es jedes Mal aus, als hätte es ein kleines Kind aufs Papier gekritzelt und bei dir ... bei dir so, als wäre es wie ein echtes, mit Magie aufgenommenes Foto." Connar gab Elea die Skizze wieder.  „Danke." Verlegen lächelte sie ihn an. „Woher bekommst du nur so viele Ideen für deine Bilder?"  Elea seufzte: „Keine Ahnung. Manchmal wache ich auf und habe dann ein ganz klares Bild vor Augen. Oder mir fällt einfach so irgendwas ein. So als würde ich mich wieder an einen schon lange vergessenen Traum erinnern." Sie zuckte mit den Schultern. Sie wusste selbst nicht, wie das passierte. Ihr traten einfach irgendwelche Bilder in den Kopf und dann konnte sie einfach an nichts anderes mehr denken, bis sie diese auf Papier festgehalten hatte. „Sowas wie du würde ich echt gerne mal können." Er legte sich grinsend auf sein Bett, nahm wieder das Buch in die Hand und fing an darin zu lesen. Seine Schwester blickte ihn eine halbe Minute noch verdutzt darüber an, dass er, ihr Bruder, der sich sonst immer strikt dagegen weigerte ein Buch auch nur anzusehen, etwas las. Schließlich zuckte sie die Achseln und es wurde ihr egal. Kurze Zeit später blickte Elea zu Connar und erkannte, dass dieser bereits eingeschlafen war. Sie schmunzelte. Leise begann sie eine neue Skizze. Sie zeichnete einen Mann, den sie zu kennen glaubte, aber sie wusste nicht warum und woher. Egal wie lange sie darüber nachdachte, wer dieser mysteriöse Herr wohl sein könnte, sie fand einfach keine Antwort auf ihre Frage. In ihrer Vorstellung hatte er braunes Haar und... dieselben grünen Augen wie sie... oder täuschte sie sich da nur? Jedenfalls trug er auf der Zeichnung etwas Ähnliches wie eine Krone auf seinem Kopf und war auch insgesamt ziemlich edel gekleidet. Sie überlegte weiter, woher sie dieses Gesicht kannte. 

 Ein Geräusch holte sie aus ihren Gedanken. Es klingelte an der Tür. Ob das Sam ist?, fragte sie sich hoffnungsvoll. Rasch legte sie die Skizze beiseite. „Connar, wach auf!" sie riss ihren Bruder aufgeregt aus dem Schlaf. „Was ist denn?" Er gähnte müde. „Es hat geklingelt! Vielleicht ist das ja Papa!" rief sie. Sofort war er hellwach. „Was sitzen wir dann noch hier rum?! Los, ab zur Haustür!" Er sprang vom Bett und trabte zur Zimmertür. Elea folgte ihm. Lianna öffnete gerade die Tür, als die Geschwister im Flur ankamen. Hinter dem Türrahmen standen beinahe alle Jäger der Truppe. Das war sehr merkwürdig. Noch nie hatten sie Sam nach einer Jagd nach Hause begleitet. Sie alle trugen robuste Kleidung, die an einigen Stellen etwas zerfetzt und rot gefärbt war. Den Männern und Frauen war die pure Anspannung anzusehen. Was war passiert? War Sam etwas zugestoßen?„Was ist los?" fragte Lianna besorgt. Ramon, der Vater von Warren und ein guter Freund von ihrem Ehemann, blickte über die Schulter, seine Haltung lockerte sich etwas und er wirkte etwas erleichterter. Die Jäger traten bei Seite und gaben den Blick auf ihren Anführer frei, der einen schwerverletzten Jungen in seinen Armen trug. Seine lumpige, zerfetzte Kleidung und die blasse Haut waren blutverschmiert. Sam blickte ernst in die Augen seiner Frau. „Lianna, du musst ihn heilen, sonst wird er sterben!"

Kara - Das Herz der ElfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt