Kapitel 5: Stimmen im Kopf

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Die morgendliche Wintersonne schien durchs Fenster und kitzelte Elea an der Nase. Stöhnend warf sie sich die Decke über den Kopf. Am liebsten hätte sie noch weitergeschlafen, da sie in dieser Nacht kaum ein Auge zu bekommen hatte. Schließlich zwang sie sich mit Mühen aus dem weichen Bett und sah sich verschlafen im Zimmer um. Erst sah sie nur lauter bunte Flecken wegen des blendenden Sonnenlichts, aber nachdem sie ihre Augen gerieben und sie sich an das Licht gewöhnt hatten, konnte sie das ganze Zimmer erblicken. Als ihr Blick zu Connars Bett herüber wanderte, sah sie, dass ein unordentlicher Haufen von Decke und Kissen dort lag, wo zuvor ihr Bruder geschlafen hatte. Wie immer war er schon viel früher wach als seine Schwester. Seufzend ging Elea zur Kommode, sammelte ihre Anziehsachen zusammen und kämmte sich die rabenschwarzen Haare. Danach zog sie sich ein Kleid an, das aus einem dunkelgrünen Stoff gefertigt war. Der untere Teil der Ärmel war mit einem geschnörkelten Stickmuster verziert. Um die Schultern legte sie sich noch einen wärmenden Wollschal, den sie im letzten Winter mit Liannas Hilfe gestrickt hatte, um sich vor der eisigen Kälte zu schützen, die auf dem Weg zur Schule sie warten würde. 

 Genau in diesem Moment hörte sie, wie ihre Adoptivmutter aus der Küche rief: ,,Elea, kommst du, bitte! Das Essen ist fertig!" ,, Ja, ich komme!" antwortete sie zurück und trottete zu ihnen. Connar saß schon am Tisch und verzehrte genüsslich ein Brot mit Käse, während er hin und wieder an seinem Krug voll Milch nippte. Zu Eleas Verwunderung saß auch Dahmon mit am Tisch und aß dort sein Frühstück. Sie hatte angenommen, dass Lianna ihn für lange Zeit an sein Bett fesseln würde, bis seine Verletzungen vollständig verheilt waren, wie sie es sonst bei anderen Patienten tat. Aber Lianna war diesmal anscheinend der Meinung, dass es bei Dahmon nicht nötig wäre. Elea zuckte mit den Schultern, setzte sich zu ihrer Familie an den Tisch und fing nun auch mit dem Frühstück an. Sie schnitt sich zwei Scheiben Brot ab und nahm sich aus dem Vorratsschrank ein Glas Marmelade. Lianna hatte ihr Frühstück bereits aufgegessen, wie man an dem leeren Teller erkennen konnte, auf dem noch einige Brotkrümel lagen. Wie so oft am frühen Morgen schnippelte die Heilerin nun verschiedene Kräuterarten klein, um diese danach in Säckchen zu stecken. Später würde sie dann daraus Heiltränke und Medizin herstellen und sie in der Speisekammer lagern oder mit auf ihre Tour durchs Dorf nehmen, bei der sie die Kranken und Verletzen besuchte, um sich über den Stand ihrer Krankheit aufzuklären. ,, Könnt ihr beiden bitte nach der Schule im Wald Kräuter sammeln gehen?" fragte sie ihre Kinder, als sie damit fertig war. ,, Klar" antwortete Connar mit vollem Mund. ,, Welche brauchst du denn?" fragte ihre Tochter. ,, Frie-Kraut wäre ganz gut. Es wächst nur im Winter. Daraus kann ich eine kühlende Salbe machen, die bei aufgeschürften Stellen hilft." Sie überlegte kurz. „Könnt ihr auch nach Pflanzen, die gut gegen Fieber sind, unter der Schneedecke schauen? In dieser Zeit haben viele Leute eine Erkältung oder Grippe. Meine Medizin dagegen geht langsam zu Neige", nach einer kurzen Pause meinte sie grinsen, „Ihr wisst ja warum." Natürlich wussten ihre Kinder den Grund für das schnelle Aufbrauchen von Liannas Medizin: Sie war eine der besten Heilerinnen in den Wäldern von Ellanon. Wenn zum Beispiel eine Erkältungswelle austrat, wurde das Dorf von Kranken und Familienangehörigen belagert, die Medizin von ihr erhalten wollten, um sich dem Gesund werden sicher zu sein. Etwas später sagte Connar beiläufig: „Ach ja, ich wollte mich heute Nachmittag noch mit Warren treffen. Aber wenn er will, kann er ruhig mithelfen. Ihm macht sowas schließlich nichts aus." ,, Ich kann auch Mary fragen, ob sie mitkommen will. Je mehr, desto besser, und abgesehen davon wären wir dann auch schneller fertig" meinte Elea. Lianna nickte zustimmend und trank einen Schluck Tee. ,, Willst du auch mit kommen, Dahmon?" fragte Connar. Dahmon zuckte mit den Schultern und sah fragend Lianna an. Diese schüttelte den blonden Schopf. „Ich glaube, du solltest dich noch für eine Weile ausruhen. Die Wunde könnte sich sonst wieder öffnen" erklärte sie ernst. Dahmon seufzte enttäuscht. „Na gut. Aber ich wäre wirklich gerne mit gekommen." „Och Mann!" fluchte Connar. „Wär' auch zu schön gewesen." „Aber wenn meine Wunde wieder verheilt ist, dann komme ich auf jeden Fall mit, Connar" versicherte Dahmon ihm. „Dann könnten wir dir auch den Wald zeigen" schlug Elea vor. „Schließlich musst du ihn wie deine Westentasche kennen, wenn du eines Tages in ihm jagen willst." Während Lianna den Kindern lauschte, blickte sie beiläufig zur Uhr, die an der Wand hing. „Es wird langsam Zeit. Ihr beiden müsst zur Schule" merkte sie an. Die Geschwister sahen ebenfalls auf die Uhr, stimmten ihrer Mutter zu und trotteten in den Flur, wo sie ihre Rucksäcke abgestellt hatten. Nachdem sie ihre Wintermäntel übergezogen und ihre Rucksäcke aufgesetzt hatten, verabschiedeten sie sich von den anderen beiden und machten sich auf dem Weg.

Kara - Das Herz der ElfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt